Freitag, 29. November 2024

Meinungsmache: Wie #TeamHabeck den X-Algorithmus manipuliert

Die Daten sprechen klare Sprache: #TeamHabeck ist keine Volksbewegung, die langsam populär wurde, sondern eine Kampagne, die am 9. November vormittags startete.

Gerade noch politisch tot, auf dem absteigenden Umfrageast, die ehemalige Kanzlerkandidatin schwer angeschlagen, der beliebte Klimawirtschaftsminister an seiner Aufgabe gescheitert, Deutschland nachhaltig zu transformieren, um das Klima weltweit zu retten. Das Ampel-Aus schlug auch bei den Grünen schwer ins Kontor, endlich hatte man es einmal in Regierungsverantwortung geschafft. Und schon war sie wieder verloren.

Wie #TeamHabeck entstand


Dann kam dieser 9. November, in Deutschland schon lange ein geschichtsträchtiges Datum. Was ist nicht alles geschehen an diesem Schicksalstag! Der Fall der Berliner Mauer, Reichspogromnacht, Hitlerputsch und Novemberrevolution... nicht von ungefähr mag die Wahlkampfkampagnenleitung des grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck sich entschlossen haben, an genau diesem Tag mit einem Werbefeldzug zu starten, der an den des US-Republikaners Donald Trump erinnert. 

Wie der erfolgreiche Amerikaner ignoriert Habeck den Gegenwind, der neuerdings in dem einen oder anderen traditionellen Medienhaus weht. Er konzentriert sich ganz auf die Gegenöffentlichkeit, auf soziale Netzwerke und Hassplattformen wie X, wo schon Trump das Fundament für seinen erfolgreichen Feldzug ins Weiße Haus gelegt hatte.

Am 9. November vormittags


Die öffentlich verfügbaren Daten des Suchmaschinenkonzerns Google zeigen, wie das sogenannte "#teamhabeck" am Morgen des 9. November daran ging, einen weiteren historischen Markstein in die deutschen Kalender zu setzen. Tage vor der offiziellen Wahl Robert Habecks zum grünen Kanzlerkandidaten nahm die Presse Group ihre Arbeit auf: Nicht als langsam wachsende Bewegung, als die sie sich selbst gern darstellt. 

Sondern wie auf Knopfdruck eingeschaltet. Am 9. November vormittags, keine zwei Tage nach dem Platzen der Großen Koalition, startete ein Unternehmen, das offenbar bereits länger vorbereitet worden war. Stunden zuvor war Robert Habeck wieder auf X erschienen, der Hassplattform, die er fünf Jahre zuvor mit großer Geste verlassen hatte, weil dort "spaltend und polarisierend geredet wird".  

Nun war er wieder da - und während SPD und FDP noch aufeinandereinhackten und sich gegenseitig die Schuld für die Insolvenz der Fortschrittskoalition gaben, begann eine grüne Sockenpuppenarmee das Unternehmen "Habeck4Kanzler". Eine wohl lange vorbereitete Aktion: Habeck hatte sofort ein sorgfältig inszeniertes Video parat. Er schickte Bilder voller Nachdenklichkeit. Und erlaubte sich dann sogar einen augenzwinkernden Hinweis auf eben jenen 9. November, der kommenden Generationen vielleicht als der Tag gelten wird, an dem eine große grüne Ära begann.

Eine Armee grüner Sockenpuppen


Nicht nur beim Hassportal X, zu dem Habeck wenige Stunden zuvor zurückgekehrt war, sondern überall in den Weiten des Internets tauchten wie zufällig engagierte Aktivisten und eine Vielzahl von Posts auf, die den Mann, der Deutschland in den Keller der globalen Wirtschaftsentwicklung geführt hat, in teils absurder Manier als Erretter, Erlöser und Messias rühmten.

#TeamHabeck, das zeigen die Zahlen, nutzt den X-Algorithmus gezielt, um politisch zu profitieren, wie eine neue Studie des An-Institutes für Angewandte Entropie der Universität Frankfurt zeigt. Durch die konzertiert gestartete Welle an Posts verschafften die unter den Hashtags "#TeamRobert" und  "#Habeck4Kanzler" agierenden Werber Beiträgen mit Habeck-Bezug größere Reichweite.

Signifikante Sichtbarkeit


Die Sichtbarkeit von Habecks eigenen Posts wurde damit signifikant erhöht. Nach drei Wochen bei X verfügt der grüne Kanzlerkandidat zwar immer noch über nicht mehr als knapp über 100.000 Follower. Seine unter dem Motto "Mit Euch, Für Euch" verbreiteten Ansagen finden aber dank einer unüberschaubaren Bot-Armee, die teilt, kommentiert und mit überschäumendem Lob Widerspruch provoziert, sehr viel mehr Empfänger als das organisch der Fall wäre. 

Das #TeamHabeck spielt Meinungsmacht per Algorithmus aus, wie die sogenannte Likelihood Ratio (kurz LR) zeigt. Dabei handelt es sich um die Angabe, zu welchem Anteil Empfänger eines Posts diesen mit einem "Gefällt-mir"-Herzchen markieren.  Berechnet wird die Likelihood Ratio nach der Formel "Anzahl der Antworten / (Anzahl der Likes + Anzahl der Retweets)". Ein Ergebnis von 3, 4 oder 6 gilt als gesund, es zeigt, dass Leser engagiert sind, antworten, regieren und sich einbringen. Je niedriger die LR, desto weniger organisch die Aufnahme der Einträge durch die das Publikum. 

Verräterische Ratio


Robert Habecks Likelihood Ration liegt bei 0,233, ein Wert, der laut Studie Hinweise darauf liefert, dass #TeamHabeck die Algorithmen auf X gezielt zugunsten seiner eigenen politischen Interessen nutzt, damit aber nur einen schönen Schein erzeugt.  Sichtbar ist, dass für Habeck-Posts seit dem 9. November einen Reichweitenanstieg von über 1.038 Prozent gemessen werden kann. 

Dieser Effekt ist zwar nicht konstant, Habeck-Posts bröckeln nach den aktuellen Google-Daten bereits wieder ab. Doch zeitweise waren sie auf X allgegenwärtig. Für die Forscher ist dies ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Algorithmen in der frühen Wahlkampfphase zugunsten von Robert Habeck ausgenutzt wurden, und das, noch ehe der Minister offiziell als grüner Kanzlerkandidat benannt wurde.

Für einen Politiker, der nahezu alle seine ausgerufenen Ziele komplett verfehlt hat, ist das eine außergewöhnlich hohe Sichtbarkeit, analysiert die Studie, die von einem "signifikanten zusätzlichen Schub nach dem Start von Team Habeck" spricht. Pro-Habeck-Tendenzen hätten plattformweit den Eindruck erweckt, eine breite Volksbewegung stehe hinter dem Ruf nach Robert Habeck als künftigem Kanzler, obwohl der deutliche Anstieg der Sichtbarkeit grüner Inhalte nach dem 9. November sich ausschließlich einer Gruppe von anonymen Aktivisten verdankte. 

Vermutete Empfehlungsverzerrung


Die Forscher vermuten eine Empfehlungsverzerrung, die durch die gezielte Ausnutzung der X-Algorithmen verursacht wurde, die darauf zielt, in den "For You"-Feed möglichst vieler Nutzer vorzudringen.  Dieses Ergebnis wirft ernste Fragen auf: Wie neutral ist X als Plattform? Wie kann verhindert werden, dass aktivistische Gruppen wie #TeamHabeck den Algorithmus kapern, um die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen? 

Der renommierte Medienforscher Hans Achtelbuscher betont, dass X natürlich nicht ideologisch neutral agiere, er fordert aber, dass diese Problematik öffentlich diskutiert werden müsse. Zwar sei es seiner Forschergruppe nicht gelungen, den Nachweis einer gezielten Manipulation durch die Habeck-Werber zu führen. Unzweifelhaft aber sei an den Daten zu sehen, dass Algorithmen die Sichtbarkeit von Inhalten steuern, diese Algorithmen ihrerseits ausgenutzt werden könnten und damit Meinungsbildung manipuliert werde. 

Intransparenze Werbekampagne


Vollkommen offen sei, wer genau hinter Team Habeck stehe, wer die Werbekampagne finanziere und mit welchen Mitteln versucht werde, eine ausgewogene Meinungsvielfalt durch die einen kreativen Umgang mit den Formeln zu ersetzen, die dafür entscheidend sind, wo und wie ein Beitrag auf der Plattform angezeigt wird. 

Allein schon das urplötzliche Entstehen der angeblichen Habeck-Bewegung nur wenige Stunden nach dem Comeback des Ministers bei X belege deutlich, dass #TeamHabeck keine Idee eines Einzelnen oder einer kleinen Gruppe sei, die dann langsam beginnend und immer rascher zum Trend wurde.

Die vorliegenden Daten wiesen vielmehr darauf hin, dass Schwächen der Plattform gezielt und konzertiert genutzt wurden, um spezifische Sichtbarkeitsvorteile zu erlangen, schreiben die Autoren in der Studie, die bislang nicht unabhängig begutachtet wurde. Beklagenswert sei in diesem Zusammenhang, dass klassische Medien dem Phänomen überhaupt keine Aufmerksamkeit widmeten, heißt es weiter. Damit werde solcherart Manipulation Tür und Tor geöffnet.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Aus fachlicher Sicht eins: Like und likely bedeuten völlig verschiedene Dinge,
Zwei: 'Habeck ist ein Narr', Elon Musk am 10.11., 1,1 Mio views, 1800 Kommentare, 3800 reposts, 19000 Likes. Ziemlich gute Ratio.