Mittwoch, 27. November 2024

Beleidigungsbeobachtungsposten: Schwachkopfverbrecher im Visier

Immer noch werden Kneipen, Sportvereine und Familien missbraucht, um strafrelevante Inhalte zu verbreiten.

Sie hetzen gegen die gültige Rechtsordnung, widersprechen Autoritäten, beschädigen Würdenträger und beleidigen mutmaßlich sogar Kanzlerkandidaten. Der Hass im Netz hat eine neue Größenordnung angenommen, die Zahlen steigen und erste Meinungsführer sprechen sich bereits entschieden dafür aus, bisher vom Staat großzügig gewährte Schutzrechte, mit denen Untertanen sich einem übergriffigen Staat widersetzen konnten, aufzuheben. 

Hausdurchsuchungen für alle, überall


Hausdurchsuchungen für alle, live ins Netz übertragen, könnten Schwachkopfverbrecher abschrecken, so die Hoffnung. Auch Kackhaufen-Emojis und abgewandelte Zitate wären dann nicht mehr möglich. Eine Welt, wie die SPD sie bereits vor Jahren mit dem Satz "Politik hat die Aufgabe, das tägliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu regeln", beschrieb, wäre keine Utopie mehr, sondern zwar grundgesetzwidrig, aber mit der Mehrheit der demokratischen Parteien durchsetzbar. KI-gestützt durchforstet die Mauspolice das Netz nach möglicherweise feindlichen Einträgen. Spezialstaatsanwälte der Cyber-Sonderkommissionen schlagen zu.

Nur in der realen Welt stößt das Konzept der automatisierten Netzüberwachung durch die Künstliche Intelligenz weiterhin an Schranken. Zwar können pfiffige Start-Ups wie die von der FDP-Politikerin Franziska Brandmann gegründete Firma So Done den Kampf gegen Hassnachrichten online so perfektionieren, dass Beleidigungsbetroffene sich selbst dann noch beleidigt fühlen können, wenn sie die Beleidigung gar nicht bemerkt haben. Doch draußen im echten Leben stößt das Konzept des automatischen Matching von Beleidigten und Beleidiger auf hohe Hürden.

Wahrnehmungslücke schließen


"Zur Beleidigung gehören immer zwei. Einer, der etwas sagt, und ein anderer, der sich beleidigt fühlt", beklagt FDP-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. Dazwischen klafft oft eine Wahrnehmungslücke, gerade bei Gesprächen im kleinen Kreis, im privaten Raum, aber auch in Gaststätten, in Büros und Laufgruppen, Sportvereinen oder Hobbyzirkeln. 

Genau dort aber fallen bis heute beleidigende Bemerkungen, ohne dass die mutmaßlichen Täter Hausdurchsuchungen, Ermittlungsverfahren und Strafbefehle zu befürchten haben. Wenn kein Habeck, keine Scholz, keine Annalena Baerbock oder eine Frau Strack-Zimmermann in der Nähe ist, versenden sich "Idiot", "Arschloch", "Schwachkopf" und Trottel" folgenlos.

Doch nicht nur das Netz ist kein rechtsfreier Raum, sondern auch die reale Welt. Hier, wo bisher die Gewohnheitsregel galt, dass jedermann ohne Strafe mit Beleidigungen oder Mordaufrufen um sich werfen darf, so lange die Zielperson nichts davon mitbekommt, will das Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin mit einer großen Rechtsreform nachschärfen und den Meinungsfreiheitsschutz ausbauen. "Unserer Erfahrung nach bleiben gerade gesprochene Beleidigungen derzeit in nahezu hundert Prozent der Fälle ohne Konsequenzen", sagt Behördenleiter Herrnfried Hegenzecht. 

Nutzung des Stammtisches


Täter*nnen machten sich im Alltagsleben der offenen Gesellschaft perfide zunutze, dass die Beweislage häufig schwierig sei. "Kaum jemand zeichnet am Stammtisch oder beim Abendbrot daheim auf, was andere sagen." In vielen Wohnzimmern hören mittlerweile zwar intelligente Assistenten und Smartphones permanent zu. Doch die Beweissicherung und die Verwendung der Daten gilt als schwierig, weil das Grundgesetz tieferen Engrifen immer noch im Wege steht und auch der Digital Service Act der EU kaum Durchgriffsrechte bietet.

Das BBAA will deshalb nun bundesweit Beleidigungsbeobachtungsposten (BBP) aufbauen, von denen aus die bisher weitgehend unregulierten Alltagsgespräche der Bürgerinnen und Bürger im Auge behalten werden sollen. Hegenzecht, der das BBAA vor 15 mitgründete, beschreibt die geplante Vorgehensweise so: "Stellen Sie sich vor
eine Frau hört in einem Bus zufällig, wie in einem Gespräch zwischen einer anderen Passagierin und ihrem Begleiter homophobe Äußerungen fallen - daraufhin beginnt sie, das Gespräch zur Beweissicherung mit ihrem Handy zu filmen." 

Interaktive neue App


Über die kostenlose BBP-App, die eine direkte Schnittstelle zur nächstgelegenen Beleidigungsbeobachtungsstation bietet, gehen die volksverhetzenden Äußerungen direkt an die diensthabenden Meinungsfreiheitsschützer. "Und wenn die Täterin aussteigt, ist bestenfalls schon ein Einsatzkommando vor Ort, um sie mitzunehmen."

Herrnfried Hegenzecht verspricht sich von der interaktiven und innovativen Methode eine flächendeckende Überwachung aller durch alle. "Ich denke, die deutsche Geschichte zeigt, dass die meisten mitmachen werden." Durch die rechtliche Verankerung der BBP im Rechtsrahmen der neuen Hassgesetze könne auch sichergestellt werden, dass gegenüber den freiwilligen Helfern der BBP nicht mehr wie derzeit noch der Verdacht der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes erhoben werden könne.

Konzept soll schnell greifen


"Es wird auch nicht lange dauern, dann wird es niemand mehr wagen, den Vorwurf zu erheben, dass wir uns in eine Gesellschaft der Niedertracht verwandelt haben", ist Deutschland höchster Meinungsfreiheitsschützer sicher. Dieser haltlose Vorwurf werde dann selbst als strafbare Delegitimierung notwendiger staatlicher Maßnahmen zum Schutze aller verfolgt werden.

Die Ideengeber aus Warin sind sich recht sicher, dass die Stimmungslage sich Deutschland sich schnell verbessern wird, sobald das Land mit einem dichten Netz aus Beleidigungsbeobachtungsstationen überzogen ist. "Wir müssen klare Kante gegen  jeden Schwachkopfverbrecher zeigen, dann werden diese Leute es nicht mehr wagen, ihre Beleidigungen unter der Hand weiterzuflüstern." 

Wirte, Arbeitskollegen, Sportfreunde und  Familienmitglieder könnten helfen, eine gesunde soziale Kontrolle zu etablieren. "Je mehr Leute dabei sind, desto schneller werden wird die überhandnehmende Verbreitung von Hetze, Hass und Zweifel wirksam unterbinden können."

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