Mittwoch, 9. Oktober 2024

Rezession: Konjunktur des R-Wortes

Ab sofort darf in Deutschland Rezession gesagt werden
Ab sofort ist es Medien gestattet, das bisher so gefürchtete Tabuwort "Rezession" zu verwenden.

Lange gelang es, das gefürchtete R-Wort zu vermeiden. Politiker sprachen angesichts einer desaströsen Wirtschaftsentwicklung nach dem Ende der Corona-Zeit lieber von "schwächelnder Erholung" und verschobener Hoffnung, Medien verlegten sich auf die tröstende Formulierung vom "langsamer als erwartet" verlaufenden Aufschwung, der aber je toller werden werde, je später er dann komme.

Vermiedener Fachbegriff

Nur, wenn es gar nicht anders ging, fiel der Fachbegriff, der in der Vergangenheit für so viel Furcht und Schrecken gesorgt hatte. Die "Rezession" war dann faktisch da. Offiziell aber erklärte das Statistische Bundesamt sie zu einer "technischen Rezession", die überhaupt nicht so schlimm sei und auch gar nicht von den Zuständen im Land verursacht. Schuld, so die Experten, seien China und der mangelnde Privatkonsum, der durch die Inflation ausgebremst werde und damit als "wichtige Konjunkturstütze" ausfalle.

Kein Grund zur Panik, so lange sich alle an die Vorgabe aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin hielten, die Konjunktur in Deutschland als "schwächelnd", den Rückgang der Wirtschaftsleistung als "Wachstumsknick" und eine die Krise als "Stagnation" zu bezeichnen. Grünes Wirtschaftswunder, Wumms und Doppelwumms, sie blieben in Sichtweite, wenn das R-Wort vermieden werde, hieß es, denn erst die Benennung des Bösen bringe es in die Welt. Verantwortungsvolle Politik habe auch die Verpflichtung, die zu betreuenden Personen vor grausamen Wahrheiten zu beschützen. 

Überraschende Niederlage

Im besten Fall gelingt so etwas, bis die Angelegenheit ausgestanden ist. Für viele Deutsche kam die Niederlage im Zweiten Weltkrieg überraschend, weil sie auf die Siegesmeldungen im Radio vertraut hatten. Viele DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürger erschraken Ende der 80er Jahre nicht minder, als sich herausstellte, dass die zehntgrößte Wirtschaftsnation der Welt überwiegend aus Rost, Illusionen und Durchhalteparolen bestanden hatte.

Bis zur offiziellen Einführung des R-Wortes brauchte das neue Deutschland denn auch viele Monate und eine entschlossene Freigabe der Verwendung durch den Bundesklimawirtschaftsminister. Der hatte lange am Versprechen festgehalten, das Allerschlimmste durch Gebete und Rechentricks vermeiden zu können. Die Bundesregierung korrigierte ihre Konjunkturprognosen zwar mehrfach nach unten. Blieb aber dabei, dass am Ende irgendwo ein Plus herauskommen werde - nicht so gewaltig wie 2022, als noch 1,8 Prozent ausgewiesen werden konnten. Aber irgendwas bei 0,4 oder 0,3.

Symbolisch wichtig

Symbolisch, aber wichtig, gerade für die Stimmung im Land. Die aufzuhellen hat der alte und neue starke Mann in der grünen Partei nun aber die Strategie gewechselt. Statt wie in den ersten 18 Monaten der Rezession unmittelnbar bevorstehende Besserung zu versprechen und von ein Licht am Horizont zu predigen, dass aus dem BMWK beinahe schon zu sehen sei, verlegt sich Robert Habeck auf eine sogenannte Dunkel-Taktik: Der Minister selbst beschwört eine "Fortsetzung der Rezession" (Die Zeit), deren Vorhandensein bisher so wacker geleugnet wurde. 

Der Rückgang der Wirtschaftsleistung, eben noch als vorübergehendes Gespenst abgetan, das die Ampel mit ihrem "Wachstumsförderungsgesetz" schnell verjagen werde, liegt auf einmal nicht mehr an China, nicht einmal mehr an den knauserigen Privathaushalten, die das fehlende Geld, das sie nach zwei Jahren Rekordinflation nicht haben, geizig zusammenhalten. Sondern an mangelnden Aufträgen für die Industrie, Produkten, die nicht mehr konkurrenzfähig sind, und einer Industrie, die schon vor einem Vierteljahrhundert den Anschluss an alle modernen Entwicklungen verpasst hat. 

Strategiewechsel in Berlin

Das R-Wort darf nun verwendet werden, je öfter, desto besser. Mit einem Minus von 0,2 Prozent kalkuliert die Bundesregierung für das laufende Jahr. Es ist bereits absehbar, dass das nicht das letzte Wort blieben wird, denn das Kalkül im politischen Berlin ist klar: So sehr schlechte Nachrichten vor den Landtagswahlen in den demokratisch prekären Ostgebieten vermieden werden sollte, so sehr bietet es sich an, im aktuellen tiefen Tal der Depression alles Üble auf den Tisch zu kippen. 

Mieser als es ist - nach den desaströsen Wahlergebnissen, den hektischen Versuchen einer Neuordnung der Parteispitzen und den verzweifelten Bemühungen, den eigenen Kurs so zu ändern, dass wieder ein bisschen Wind von hinten kommt - kann es nicht werden.

Wohl aber besser. Deutschlands Wirtschaft, noch vor einigen Wochen nur "wachstumsschwach" und "schwächelnd", schrumpft plötzlich "das zweite Jahr in Folge". In der Historie die sichere Gewähr dafür, dass alles bald besser werden wird. Die längste Phase eines wirtschaftlichen Einbruchs, die die Bundesreoublik jemals erlebte, dauerte zwar 40 Monate. Im Durchschnitt aber ist nach 26 Monaten ökonomischer Depression Land in Sicht. Rein rechnerisch startet der große Aufschwung also pünktlich mit dem Wahlkampf im kommenden Jahr.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Was heißt Rezension. Wir werden in voller Absicht zur Sau gemacht.

Schade, dass Jouwotsch beim vergeblichen Versuch des Eiertanzes zwischen Isaak in Ismael die Kommentarfunktion gekappt hat: Gern hätte ich Dennis Riehle zu seiner Urschlickerei gegenüber der "Jungen Werteunion" (Wer denkt sich nur einen solchen Scheix aus) ein paar ironische Bemerkungen zukommen lassen.