Dienstag, 22. Oktober 2024

Rechtsruck bei der Linken: Herr im Hause Links

Der große Mann und die kleine Frau, die bewundernd zu ihm aufschaut: Auch sinnbildlich ist die Linkspartei nach ihren Ausflügen ins Progressive nun wieder zurück im Traditionsmilieu aus Staatsverehrung und Sozialromantik.

Die SPD setzt auf Wirtschaft, die Grünen tun es und die CDU sowieso, wenn auch gewürzt mit Abschottungsfantasien und einer Sehnsucht danach, dass alle mehr arbeiten, länger und härter, um die Klimaziele zu erreichen. Die letzte Hoffnung vieler Menschen, die die Tretmühle der kapitalistischen Verwertungslogik am liebsten morgen schon verlassen würden, lag umso mehr bei der Linkspartei.  

Die einst als KPD gegründete und später als SED in Regierungsverantwortung für Millionen stehende Linke sollte der Hebel sein, mit dem sich der von Rechten gern als "Marktwirtschaft" verbrämte Konkurrenzimperialismus zähmen, einhegen und in eine menschenwürdige Ordnung verwandeln lässt, in der der Staat plant und die Industrieunternehmen liefern, was er bestellt. 

Hohe Verteilungskompetenz

Naheliegend, dass eine so offen soziale Partei mit hoher Verteilungskompetenz vom Establishment gefürchtet wird. Linke Politiker wurden vom Verfassungsschutz beobachtet, zumindest bis sie selbst Regierungsämter erobert hatten. Linke Politiker wurden bei der Vergabe wichtiger Posten im Bundestag links liegengelassen. Linkspolitiker wurden mit Vorwürfen überhäuft und immer wieder verbreiteten interessierte Kreise Verschwörungstheorien über den angeblich von Altgenossen beiseite geschafften "Schatz der Arbeiterklasse". 

Eine Kampagne, die wirkte. Obwohl sie sich binnen weniger Jahre häufiger umbenannte als jede andere deutsche Partei, rutschte die Linke unaufhaltsam ins Aus. Nicht einmal die Vereinigung mit der SPD-Abspaltung WASG, bereits die zweite Hochzeit der immer noch mit der 1918 gegründeten KPD rechtsidentischen linken Partei mit einer Gruppe von Sozialdemokraten, konnte den Niedergang aufhalten. Eine neue Generation von Funktionären, die überwiegend noch nie einem Wähler der eigenen Partei begegnet waren, sägte am absteigenden Ast

Konkurrenz mit den Grünen

Die Linke sah sich nun in Konkurrenz mit den Grünen, sie wetteiferte darum, die Bionadeviertel mit den Beamtenhaushalten zu erobern, in denen der eigene wirtschaftliche Erfolg moralische Bauchschmerzen verursacht, die nur durch Ablasskreuze auf Wahlzetteln geheilt werden können. Der kühne Plan aber verpuffte. Die Menge der angebotenen Linksparteien überforderte die meisten Wählerinnen und Wähler, die sich dann doch lieber für die westdeutschen Originale entschieden, als die ostdeutsche Kopie zu unterstützen.

Wächst die Gefahr, wächst allerdings das Rettende auch. Beim Parteitag der nach der Abspaltung des Wagenknecht-Flügels verbliebenen Reste der Mitgliedschaft ist ein spürbarer Ruck ist durch die Linke gegen - und es war ein Rechtsruck. Reihenweise räumte die Parteiführung traditionelle linke Positionen ab. Statt Israel, wie es üblich war, zum Schuldigen im Nahost-Konflikt zu erklären, werden jetzt salomonisch gerecht "alle Beteiligten" aufgefordert, "den Konflikt einzudämmen statt auszuweiten". 

Verdünnte Ressentiments

Niemand will sich etwas vorwerfen lassen. Antisemitische Ressentiments finden sich stark verdünnt wieder: Israel wird eine völkerrechtswidrige Kriegsführung vorgeworfen, der Hamas nur "menschenverachtender Terror". Gute alte linke Doppelstandards, die die SED früher veranlassten, schiffeweise Waffen an die PLO zu liefern und die bis die Einordnung bestimmen. Der Iran kommt im Kompromissbeschluss, den die neue Parteiführung bei der traditionell palästinafreundlichen Arbeitsgruppe Antisemiten und den verbliebenen Antideutschen durchdrückte, nicht vor. Dafür betont das Papier das Recht auf palästinensische Selbstverteidigung und schafft es, Israel eine genozidale Absicht zu unterstellen, während die palästinensischen Terroristen als rechtschaffene Verteidiger ihrer nationalen Interessen auftreten.

Wichtiger aber für die Außenwirkung sind ganz andere Themen, das ist sowohl der aus Sachsen stammenden neuen Parteichefin Ines Schwerdtner als auch ihrem schleswig-holsteinischen Vorstandskollegen Jan von Aken klar. Der Zeitgeist hat sich gewandelt. Viele langjährige Linkswähler schwärmen wieder von Leistung, man träumt selbst in den linken Stammgebieten im Osten häufiger von Vermögensbildung als von Seenotrettung. Das Klima ist zur Fußnote geworden, seine Erwähnung, das hatte die SPD in ihren ersten Wahlkampfüberlegungen bereits berücksichtigt, schreckt nur noch ab. "Wir haben den Schuss gehört", hatten die Kandidaten für den Parteivorsitz ihrem Anhang vorab versichert.

Ausgespartes Klimathema

Auf ihrem Parteitag hat die Linke das leidige Thema deshalb ausgespart. "Eine Linke auf der Höhe der Zeit muss Antworten auf die Sorgen der Menschen finden und auf der Höhe der 199 gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse sein" heißt es im Antrag des Bundesvorstandes, der eine ganze Liste von Handlungsfeldern nennt, in denen die Drei-Prozent-Partei "zeigen" werde, "wie mehr soziale Sicherheit, gerechte Verteilung, mehr Teilhabe und gleichwertige Lebensverhältnisse gewährleistet werden können". 

Linke Forderungen und Reformkonzepte werde es deshalb zu "Rente, Gesundheitsversorgung und Pflegeversicherung; zu Tarifbindung, Mitbestimmung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf; zum Anspruch auf gute soziale Infrastruktur im Verkehr, Kita und Schule, Pflege und Gesundheit, bezahlbares Wohnen und Energie, Fachkräftemangel, Job- und Einkommensgarantien in der Transformation vorstellen und zur Sicherung von Lebensstandards und beruflicher Weiterentwicklung geben. 

Mehrheit der Menschen

Nicht zum Klima, der Menschheitsfrage überhaupt. Die ist der Linken nur noch eine pflichtschuldige Fußnote wert: "Wir legen Konzepte für gerechte Übergänge aus der fossilen Gesellschaft vor, die Leben der Mehrheit der Menschen besser statt schwerer machen", heißt es da.

Immer, wie es passt. Während eine ganze Generation grüner Nachwuchsfunktionäre die Ideologie des fundamentalen "Trotz alledem" entdeckt, bitter enttäuscht vom Flirt ihrer Partei mit Wachstum und Wohlstand, spricht sich der linke Parteitag gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus - wohl der Preis dafür, dass die früheren Parteiführer sich bereitfanden, mit der "Aktion Silberlocke" eine Rettungsmission für die linke Bundestagsfraktion zu starten. 

Herr im Hause Links

Auch sinnbildlich zeigen Aufnahmen vom Parteitag die neue Linke als ihr altes Selbst: Jan van Aken, der Westdeutsche, der vor 18 beitrat, lange im Bundestag saß und seit seinem Rückzug für die parteieigene Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet, steht da wie ein Fels hinter dem Rednerpult, die rechte Hand zu einer klaren An- oder Ansage an den politischen Gegner erhoben. Ines Schwerdtner ist daneben zu sehen, winzig klein und bewundernd aufschauend zum neuen Herrn im Hause Links.

Ein Bild, das die modernen Linken in den Hochburgen der Fluchthelfer, Lastenradromantiker und Degrowth-Träumer mit Entsetzen sehen werden. Doch bei den traditionsbewussten Linkswählern in den abgehängten Haushalten im Osten wird die regressive Darstellung wohl punkten.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Naa. Zu weiß, zu deutsch. Bei denen sieht's ja aus wie im Reichstag in den Grenzen von Palästina ääh 1937.

Anonym hat gesagt…

Wie einer mal sagte, leicht abgewandelt: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Aaschlöcher.

Anonym hat gesagt…

Marie-Belen 22. Oktober 2024 at 14:19

Höcke ist der Lackmustest.

Nachdem ich diesen Text gelesen hatte, war mir Reichelt nicht mehr ganz geheuer!
.
„Vorsicht, Reichelt! Ex-„Bild“-Chef billigt Bombardierung Dresdens (35.000 Tote)!

Dieser Tage formulierte Julian Reichelt einen skandalösen Text zum Nahost-Konflikt, der sich selbst kommentiert. Der Ex-„Bild“-Chef billigte den Bombenterror, den die Alliierten im Zweiten Weltkrieg über Deutschland brachten – implizit hieß er damit auch die verbrecherische Flächenbombardierung Dresdens durch die Briten gut. In den Bombenächten des Februar 1945 starben im „Elb-Florenz“ 35.000 Menschen. Der Bombenteppich, den die britischen Lancaster-Bomber über die Stadt legten, hatte aus Sicht von Militärhistorikern keinerlei militärischen Nutzen – es war reiner Terror gegen die deutsche Zivilbevölkerung wenige Wochen vor Kriegsende!

Reichelt schrieb: „Briten und Amerikaner hielten es für geboten und moralisch vertretbar, den Willen der deutschen Zivilbevölkerung durch Flächenbombardements von Städten zu brechen. Sie nahmen den Tod hunderttausender Zivilisten nicht nur in Kauf, sie verursachten ihn ganz bewusst, weil sie der (richtigen) Überzeugung waren, dass es ein befreites und friedliches Europa nur geben könne, wenn Deutschland in jeder Hinsicht gebrochen wäre. Israel steht vor der Aufgabe, vor der auch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg standen: Wie kann es gelingen, den Feind ein für allemal zu vernichten?““
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Wie wird einem denn da? Die offizielle Opferzahl war vor gar nicht so lange her auf 25000 heruntergelogen worden - was soll jetzt der Scheiß mit 35000 ???

Anonym hat gesagt…

Sie speien uns mit Anlauf ins Gesicht und höhnen noch: Was schwitzt du denn so?

Anonym hat gesagt…

Hab den Scheiß mal gegoogelt. Wusste nicht, dass Harris auf dem Goring's Burntwood cemetery begraben wurde. Die Engländer und ihr Humor.

P.S. Die Israelis werfen Bombenteppiche über Gasa ab oder was? Oder hat Reichelt sie dazu ermuntert?
...hielten es für geboten und moralisch vertretbar ja was denn sonst, sonst hätten sie sich ja nach 45 gleich neben die Nazis hängen lassen können.

Anonym hat gesagt…

> hängen lassen können <
Gewiss doch, zu Nürnberg ward gekräncket das Unrecht und gestärcket das Recht.