Dienstag, 15. Oktober 2024

EU-Engpass: Das Salz der Erde

Glückliche Apotheker: Sie sind aufgefordert, dem Mangel an Kochsalzlösungen i´mit emsiger Handarbeit abzuhelfen.

Es war wie immer richtig gut gemeint. Nichts Besseres gibt als das, was sich noch mehr verbessern lässt! Als erste Adresse auf Erden für Vorschriften, die das Leben leichter machen, gilt seit Jahren die EU-Bürokratie, deren lange Schaffensgeschichte Höhepunkte der menschlichen Kulturentwicklungen im Dutzend zählt.  

Die Cookie-Richtlinie und das Gesundheitsprojekt "Hera", die fest an den Hals getackerten Flaschenverschlüsse und die KI-Richtlinie, der Digital Service Act und die Katar-Regeln, das programmierte Verbrenner-Aus und das Gewalt-Verbot, sie stehen für moderne europäische Schöpferkraft, die es mit jeder Nichtigkeit aufnimmt.

Arbeitsauftrag Medikamentenmangel

Auch den Medikamentenmangel haben sich die Kommission und das größte halbdemokratisch zusammengestellte Parlament in Straßburg längst als Arbeitsauftrag gesichert. Eine Legislaturperiode ist lang, jeder sucht nach Arbeit und Betätigungsnachweis. Mit dem - wie stets zu Ehren der fünf Millionen englischen Muttersprachler in der Gemeinschaft auf Englisch getauften "Good Manufacturing Practice"-Leitfaden der EU (GMP) gaben Parlamentarier und Kommissare den bis dahin nahezu regellos vor sich hinwurstelnden pharmazeutischen Unternehmen Nachhilfe. 

Zwar gab es kaum Vorfälle mit verseuchten, verschmutzten und gesundheitsbedrohenden Plasmen und Lösungen. Doch so gut die in Europa hergestellten und aus dem Ausland hierher gelieferten sterilen und aseptischen Produkte auch zu sein schienen -  seit dem Inkrafttreten des GMP am 25. August vergangenen Jahres sind sie nicht mehr gut genug. Die neuen Vorschriften nehmen die Hersteller strenger an die Hand, sie erfordern mehr Filter, mehr Nachweise, mehr Sterilität. 

Beeindruckende Ergebnisse

Die Ergebnisse sind beeindruckend. Nach Fiebersaft und Antibiotika, deren Fehlen deutsche Krankheitsfälle seit mehr als drei Jahren beklagen, sind nun auch simple Kochsalzlösungen Mangelware. Schon müssen Operationen verschoben werden, weil sogenannte Ringer-Lösungen fehlen, die als Infusionsflüssigkeit und zur Reinigung von Wunden benötigt werden. Eigentlich handelt es sich dabei nur um eine Mischung aus Natriumchlorid und Wasser, doch die EU hat es im Handumdrehen geschafft, den einfachen Blutersatz zur Bückware zu machen. 

Neue Vorschriften haben die alten Lieferanten, die zumeist im Ausland produzieren, erfolgreich aus dem Markt gedrängt. Aus Kostengründen hätten die Unternehmen darauf verzichtet, ihre Produktionsverfahren EU-gerecht umzustellen. Andere haben es getan, aber feststellen müssen, dass der höhere Aufwand die Kosten in die Höhe treiben. Eine "Kochsalz-Krise", wie es die "Welt" nennt, die zu Europas fehlenden Raketen, fehlenden Künstlichen Intelligenzen und fehlenden Internetkonzernen nun auch noch fehlenden Kochsalzkocher addiert. Nur zwei deutsche Firmen produzieren noch Salzwasser für medizinische Zwecke. Sie beliefern allerdings nur ihre Stammkunden.

Schnelle Ergebnisse

Selten hat eine EU-Richtlinie schneller greifbare Ergebnisse gebracht. Noch warten Patienten auf die segensreichen Folgen des im vergangenen Jahr verabschiedeten "Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes". Und schon zeigt die EU, wie es richtig geht: Es kann nicht nur immer alles teurer werden. Es kann auch einfach weg sein.

Ausländische Lieferanten, die bisher bemüht worden waren, die fehlenden inländischen Kapazitäten zu ersetzen, haben sich in Windeseile aus dem EU-Markt verabschiedet. Da sie sich weigerten, die verschärften Anforderungen zu erfüllen, stünden nicht mehr genügend Anbieter zur Verfügung, heißt es beim Bundesverband der Pharmazeutischen Unternehmen.  Kurzfristig sollen jetzt Apotheken einspringen und die Lösungen in Handarbeit herstellen. Manufakturwirtschaft, die das von der SPD ausgerufenen Motte "Made in Germany" aufnimmt und es umsetzt. 

Plattformarbeit plattmachen

Die EU ist mittlerweile schon weitergeeilt. Mit der Richtlinie zur digitalen Plattformarbeit will sie versuchen, als erster Gesetzgeber weltweit gegen das Geschäftsmodell von digitale Unternehmen wie Bolt, Deliveroo Lyft oder Uber vorzugehen. Wenn zwei von fünf "Kontroll- oder Lenkungsindikatoren" (EU-Kommission) darauf hindeuten, dass ein vermeintlich selbständiger Mitarbeiter arbeitnehmerähnlich beschäftigt wird, soll er künftig fest angestellt werden müssen, sofern er nicht nachweisen kann, dass es sich bei der Vertragsbeziehung nicht um ein Beschäftigungsverhältnis handelt.

Absehbar werden die Folgen einschneidend sein. Und in ihrer Ausprägung vermutlich ähnlich überraschend wie die der "Good Manufacturing Practice"-Richtlinie.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Man geht also drauf, aber nicht durch Salzwasser weil es nicht nach EU-Vorgaben produziert wurde. Ein Glück.

A propos aktuelle Entwicklungen in der Raketentechnik: Man stelle sich vor seinem inneren Auge vor, was in der deutschen sogenannten Öffentlichkeit los wäre, wenn jemand mit einem Projekt ankäme, bei dem eine hunderte Tonnen schwere Raketenstufe in Sichtweite der Leute von Mach 3 auf null abgebremst würde um zu landen.

Anonym hat gesagt…

Mit Verlaub, Herr Kubicki, Sie sind ein A ...
"Unsere historische Schuld ..." - Hasch mich, ich bin der Frühling ... Wir gründen ein' Idiotenklub und laden dazu ein. Ein jeder ist willkommen, nur recht blöde muss er sein ...