Seraphina Senkel litt wie eine Hündin. Der Lockdown damals, der so viele Infektionsketten unterbrach, dass die größte Pandemie seit dem Mittelalter schon zwölf Monate später nirgendwo mehr ein Thema war, fesselte die freischaffende Freizeit-Coachin in den heimischen vier Wänden.
"Ich habe zwar einen kleinen Balkon", erinnert sie sich, "und dort habe ich auch immer versucht, mein Yoga zu machen." Funktioniert aber habe das nie so richtig, "weil mein Kopf sich einfach hinausgesehnt hat, in die Freiheit einer offenen Welt ohne Türen, Fenster und Decken, die einem auf den Kopf fallen.
Endlose Wochen
Zwei endlos lange Wochen hielt es Senkel damals daheim aus. "Am Ende bin ich beinahe die Wände hochgegangen." Schließlich wagt sie das Unmögliche: Morgens halb vier, es ist ein noch kühler Frühlingsmorgen im zweiten Lockdown im zweiten Pandemiejahr, steigt Seraphina Senkel durch ein Kellerfenster auf der Rückseite ihres Wohnblocks am Rande des thüringischen Städtchens Gera hinaus ins Freie.
Dort gelingt es ihr, mit ein paar raschen Schritten in ein naheliegendes Gebüsch zu entkommen, ehe mögliche Aufpasser auf sie aufmerksam werden. Senkel erzählt das heute selbstbewusst, ohne Reue. Sie wissen, dass Verstöße gegen die sogenannten Pandemieregeln zwar nicht verjährt seien, aber nur noch die Täter verfolgt würden, die damals auf frischer Tat ertappt wurden. "Ich fühle mich da jetzt wieder sicher."
Zu diesem neuen Lebensgefühl entscheidend beigetragen hat ausgerechnet jeder Tag, als die sportliche Verwaltungsangestellte den Bewachern vom Seuchenschutzkommando unbemerkt entkam. "Ich spürte einerseits eine Sehnsucht nach Natur in mir, bemerkte aber andererseits, dass ich den Kopf schon frei bekam, als ich unter dem Blätterdach eines nahen Wäldchens ankam."
Zehen tief im Laub
Aufatmend spaziert Senkel mehrere Stunden über Wege, die aufgrund der besonderen pandemischen Lage globaler Natur schon wochenlang niemand mehr betreten hat. "Ich habe meine Schuhe ausgezogen und meine Zehen tief in das feuchte Laub gegraben", erzählt sie. Das sei eine Befreiung gewesen. "Wieder spüren, dabei zur Ruhe finden", beschreibt sie ihre Gründe, gern in den Wald zu gehen und dort die Zeit zu vergessen.
Für Seraphina Senkel, die sich heute nach einem alten deutschen Traum des Autos Friedrich Schnack poetisch die "Waldgeliebte" nennt, ist das Tiefe, Dunkle, Wilde, das gerade viele Frauen fürchten, ein Resonanzraum und ein lebendiges Wesen, "das ich liebe und das mich bedingungslos zurückliebt". Sie empfinde Bäume, Büsche, Pilze, Nadeln und Wurzelgeflecht heute als Partner, die ihr hülfen, sich selbst zu verorten und im betörend duftenden Waldboden zu erden. "Für mich ist das das stärkste Aphrodisiakum", gesteht Senkel mit einem schüchternen Seitenblick, denn "aus der entstehenden Verbundenheit, mit der die Natur in mich eindringt, ziehe ich eine tiefe Befriedigung im ursprünglichen Wortsinn".
Rettung vor Depressionen
Eine Erfahrung, die Seraphina Senkel vor Trübsinn, Mutlosigkeit und womöglich sogar vor klinischen Depressionen gerettet hat. Immer wieder hat sie die Nähe ihres neuen Freundes Wald gesucht, immer wieder hat sie "Energieschübe" empfangen, die sie als "orgiastisch" beschreibt. Um diese Erfahrung mit anderen Menschen zu teilen, die wegen ihrer Fixierung auf ein von der Gesellschaft lange als "normal" verstandenes traditionelles
Geschlechtsleben mit ausschließlichem Humanbezug höchst unglücklich sind, begann sie zuerst im Freundes- und Bekanntenkreis Coachings in Waldliebe anzubieten.
Die Nachfrage für ihren ganzheitlichen und lösungsorientierten Ansatz war sofort groß. "Ich habe die ersten paar Gruppen mitgenommen und sie quasi ungeschützt in die faszinierende Welt des Waldes eingetaucht", schildert sie die entscheidenden Momente ihres Neustarts als Forest-Coachin. Schon eine Woche später habe sie ihren Job in einer öffentlichen Verwaltung gekündigt und beschlossen, dass der "Wald nun mein Zuhause sein wird".
Barfuss durch feuchtes Laub
Senkel ist anzusehen, wie gut ihr das getan hat. Ihr Coaching im Wald ist mit körperlicher Bewegung verbunden; das Barfussgehen in der Natur brachte ihr nicht nur neue Gedanken, sondern auch die Belebung von Muskelgruppen, die sie längst vergessen hatte. Die Konzentration auf das eigene Empfinden und sinnliches Erleben der Natur habe ihr einen Schub an Selbstbewusstsein gegeben, erzählt sie begeistert.
Heute lebe sie ungeregelter als in der hektischen Enge der Zivilisation, zurückgeworfen nur auf den Wald als Projektionsfläche, die unbewusste seelische Inhalte sichtbar und spürbar mache, aber keine Kommentare abgebe. "Im Spiegel der Natur sieht man ganz allein sich selbst und alle Antworten, die wir suchen, müssen wir uns im eigenen Kopf geben."
Der knorrige Lindenbaum, die stechende Mücke, der Schmetterling, der moosbewachsene Stein - sie alle sind Seraphina Senkels Liebhaber, auf ihrer Frequenz findet die 27-Jährige innere Resonanz mit der Natur. Sie spüre heute viel Unbewusstes, habe Zukunftsvisionen für die gesamte Menschheit und gewinne aus einer erwartungslosen Haltung eine Energie, die ihr guttue und dafür sorge, dass sie sich wohlfühle.
Persönlicher Kraftort
Am liebsten setze sie sich den Elementen inzwischen ohne festes Schuhwerk und wetterfeste Kleidung aus, nur ausgestattet mit ausreichend Zeit, um in sich und den Wald hineinzulauschen. "Ich stelle mich in diesen langen Momenten breit und stabil hin, halte die Augen geschlossen und stelle mir vor, dass meine Wurzeln tief in den Boden reichen". Bewusstes Atmen helfe ihr, sich vorzustellen, dass ihr Atem und der Wind zwischen den Bäumen eins seien, dass ihr Blut bis in die Wurzelspitzen fließe und sie eins werde mit der Vegetation. "Wenn sich ein Gefühl guter Erdung einstellt, ein Kribbeln wie von Strom, weiß ich, dass der Wald mich auch fühlt."
Seraphina Senkel öffnet dann die Augen und beginnt mit dem achtsames Sehen: Sie betrachtet ein einzelnes Blatt, lässt den Blick zum Blätterdach eines Baumes schweifen, nimmt die Grüntöne in sich auf und wirft Blicke auf den Boden, wo kleine Käfer versuchen, an ihr aufwärts zu krabbeln. "Ich öffne meine Sinne ganz und gehe eine Verbindung mit der Mitwelt ein, die für mich zur Quelle eines persönlichen Kraftstromes wird." Tiefer und stärker fühlen könne kein Mensch, ist die Waldgeliebte sicher. "Und das ist es, was ich meinen Coaching-Teilnehmern beizubringen versuche."
3 Kommentare:
Wunderbar, sie hat Recht!
https://n0by.blogspot.com/2024/10/schreck-im-haus-schock-in-israel-fahrt.html
Waldleben ist wunderbar....
@ n0by:
Unrecht Gut gedeihet nicht.
Was Ananas - Kurschatten bei Dschuhwotsch hat ofenkundig auch einen an der Klatsche. Der Artikel zu Hape Kerkeling lässt sich gut an. Dann kommt die Knallschote, die Natzis hätten einzig die Teutschen als Edel- und Herrenrasse angesehen, alle anderen als minderwertige Sklavenrassen. Also - eher nicht.
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