Samstag, 5. Oktober 2024

Autokrieg mit China: Schuss ins Knie

China schwächelt und nun drhen ihm auch noch Strafzölle
Das schwächelnde China, das zuletzt nur noch mit schmalen 4,7 Prozent wuchs - Deutschland kam auf ein Minus von 0,1 Prozent - muss nun im Autosteuerstreit nachgeben, denn Deutschland braucht "günstige E-Autos" (SZ).

Uneinig, gespalten, zerstritten und unfähig, mit einer Stimme zu sprechen. Bei der Entscheidung der EU über den noch von der alten Kommission geplanten und vorbereiteten Handelskrieg mit China zeigte Europa einmal mehr, wie die unterschiedlichen Partikularinteressen der Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die größte Staatenfamilie der Welt das Bild statt klarer und entschlossener Signale das Bild einer desperaten Verwandtschaft um den Globus sendet.  

Und ausgerechnet Deutschland spielte dabei die unrühmliche Rolle des Partners, der nur wegen seiner großen, wichtigen und trotz aller Rückschläge noch immer bedeutsamen überwiegend fossilen Autoindustrie einer Entscheidung für deutliche Handelshemmnisse im Wege stand. Obwohl die Grünen  für neue Handelsschranken waren, sprach Bundeskanzler Olaf Scholz eines seiner symbolischen Machtworte - und stellte Deutschland damit ins europäische Abseits.

Gemeinsam mit Ungarn

Am Ende zum Glück vergebens. Zwar hatte der Bundeskanzler diesmal nicht nur vorher angekündigt, sich gegen die Einführung neuer Strafzölle für zu billige chinesische Elektroautos zu stemmen, sondern dann tatsächlich auch gemeinsam mit dem notorisch quengeligen Ungarn und drei weiteren Mitgliedsstaaten gegen die Strafzölle auf die für die Elektrifizierung der Mobilität in der EU so dringend notwendigen billigen Öko-Fahrzeuge gestimmt. Weil aber zehn Staaten - mit dem konservativ regierten Frankreich und dem neofaschistisch beherrschten Italien an der Spitze - dafür votierten und zwölf sich enthielten, kann die EU-Kommission wie geplant mit der Umsetzung ihres Planes zur Auslösung eines "neuen Handelskrieges" (Christian Lindner) mit China fortfahren. 

Ursula von der Leyen, die zuletzt mit dem "Chips Act" die Voraussetzungen geschaffen hatte, moderne Industrieansiedlungen in der von den meisten technischen Innovationen abgehängten Gemeinschaft mit Milliardensummen aus den Steuerkassen zu subventionieren, wetzt damit die Scharte aus, die das weitgehende Scheitern des großen Corona-Wiederaufbauplanes dem Ansehen der EU zugefügt hätte, wäre über die mähliche Verteilung der 800 Milliarden aus dem "befristeten Aufbauinstrument" ebenso weitschweifig berichtet worden wie vor vier Jahren über die Erfindung des EU-Aufbaupakets Next Generation EU. Bisher sind kaum 150 Milliarden vergeben, im Unterschied zu chinesischen Staatsgaben an Unternehmen aber gilt kein einziger Cent als unzulässige Beihilfe.

Mehrheit ohne Mehrheit

Auch ohne Mehrheit für die umstrittenen Strafzölle für E-Autos aus China erlaubt es die fehlende Mehrheit gegen die geplanten Zollaufschläge von bis zu 35 Prozent der Kommission, die neue Abgabe zu erheben, um einen unfairen Wettbewerb zwischen staatlich geförderten chinesischen Großkonzern, den mit Fördermilliarden gepäppelten deutschen Platzhirschen und ihren mit Steuermilliarden gefütterten europäischen Konkurrenten zu verhindern.

Im Bundeskanzleramt war der Ausgang der Abstimmung lange vorab bekannt, denn monatelang hatten zumindest Teile der Bundesregierung versucht, die Kommission mit Drohungen, Ultimaten und der Ankündigung von hinhaltendem Widerstand von der Idee zusätzlicher Handelshemmnisse für günstige Elektroautos aus China abzubringen. 

Mangel an anderen Ideen

In Ermangelung anderer Ideen zur Erhöhung der nach einer Untersuchung des früheren EU-Kommissars und EZB-Präsidenten Mario Draghi seit Jahren zurückgehenden Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen hielt Ursula von der Leyen dennoch an ihrem Kurs auf eine Abschottungsstrategie fest. Draghis Klage, dass in Europa die Produktivität "schwach, sehr schwach" ausfalle, so dass sich in den letzten Jahren "zwischen der EU und den USA eine große Lücke im Bruttoinlandsprodukt aufgetan" habe. 

Dadurch sei, so Draghi, das "verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in den USA seit 2000 fast doppelt so schnell gestiegen" wie in der EU - eine Entwicklung, die nach einer Antwort in Form von umfassenderen Regulierungen und strengeren Vorschriften verlangt, mit denen die Vorbildrolle der Gemeinschaft weltweit gestärkt wird.

Den Preis für bisherige Bemühungen hatten die europäischen Haushalte Draghi zufolge "in Form eines entgangenen Lebensstandards gezahlt", künftig aber sollen nach dem Willen der SPD-Führung Nachteile durch die Verteuerung chinesischer Billig-Stromer durch staatliche Zuschüsse für den Kauf von günstigen Elektroautos unabhängig vom Herstellungsort ausgeglichen werden. Vorbild sind der Bonus écologique und die Prime à la conversion, die das bis weit über die von den Maastricht-Verträgen vorgegebene Grenze im Schuldensumpf steckende Frankreich sich leistet.

Peking muss jetzt nachgeben

Spätestens Anfang November sollen die Strafzölle erhoben werden, wenn das wirtschaftliche "schwächelnde" (Tagesschau) China nicht noch nachgibt. Die EU-Kommission wäre bereit, Peking entgegenzukommen und damit auch den deutschen Autobauern mit ihren Fabriken im "Reich der Mitte" (Sächsische Zeitung) Erleichterung zu verschaffen. 

Gibt das kommunistische Regime nicht nach, wird für in China gebaute Elektroautos deutscher Konzerne wie BMW und Volkswagen zusätzlich zum bisherigen Zollsatz von zehn Prozent ein Aufschlag in Höhe von 20,7 Prozent fällig. Geld, das den heimischen Standort stärken soll, auch gegen den Widerstand der Bundesregierung, die sich "auf Druck der deutschen Autoindustrie gegen die Zölle" (Deutsche Welle) unbelehrbar zeigte und gegen den Beschluss stimmte. 

Statt zu akzeptieren, dass muss, was muss, richtete Deutschlands Minderheitenvotum großen Schaden am Außenbild der EU an. Jetzt zittert China, und der Kreml reibt sich zweifellos die Hände angesichts der Zerstrittenheit der seiner Gegner.


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