Montag, 2. September 2024

So sehen Sieger aus: Mit zwei blauen Augen

Wieder ist jetzt: Zumindest in Sachsen kann es sicher Weiterso gehen.

Sachsen knapp gerettet, Thüringen verloren, das Glas aber allemal halbvoll. Carsten Linnemann von der CDU, einer der strahlenden Sieger dieser neuerlichen Schicksalswahl, bringt es auf einen Punkt. Die Leute hätten SPD, Grüne und FDP wegen der Ampel in Berlin so abgestraft. Das Bündnis Wagenknecht aber deswegen nicht gewählt, weil sie sich von der Landespolitik Antworten auf die Fragen der Gegenwart erwarte, die der Wahlverein der früheren PDS-Politikerin nicht gegeben habe.

Schwierige Botschaften

Die Botschaft aus den beiden Ostländern ist schwierig zu verstehen. Galt früher als ausgemacht, dass eine möglichst hohe Wahlbeteiligung gegen die Nazifaschisten hilft, hat ausgerechnet das hohe Engagement der Rechten, Rechtsextremisten und Konservativen zum Gegenteil geführt. Die CDU hält sich, die AfD gewinnt, der abgespaltete Rechtsableger der Linkspartei überflügelt ihre Mutter, die in Sachsen aus dem Parlament ausscheidet und in Thüringen mehr als die Hälfte ihrer Wählerinnen und Wähler verliert.

Für Bodo Ramelow, den einzigen linken Ministerpräsidenten, ist ein Grund zur Freude, dass am "Festtag der Demokratie" so viele mitgemacht hätten. Er selbst, sagt der Mann aus Osterholz-Scharmbeck, habe gar nicht abgewählt werden können, weil er ja schon vier Jahre keine Mehrheit gehabt habe. Einer, der wie Ramelow vier Jahre lang ohne die versprochenen Neuwahlen durchgeschlängelt hat, ist auch mit den 12,5 Prozent, die von seinen mehr als 30 übriggeblieben sind, noch ein Pfeiler der Demokratie. Ebenso wie die FDP, in Berlin Regierung, in Dresden und Erfurt unter ferner liefen. Nur die Gnade der Redaktionen des Gemeinsinnfunks sorgt dafür, dass die traurigen Überbleibsel des Liberalismus nicht schon am Wahlabend unter "Sonstige" verschwinden.

Zufriedene Sozialdemokraten

Kevin Kühnert ist im Grunde auch zufrieden. Es seien zwar keine guten Ergebnisse, aber das sei schon immer so gewesen. Angesichts der Umfragewerte vorher sei das Ergebnis in beiden Ostländern nicht schön, aber ermutigend. Immerhin sei die SPD nirgendwo aus den Parlamenten geflogen, für die älteste deutsche Partei ein schöner Erfolg, der die SPD neben der CDU zur zweiten Wahlgewinnerin macht. 

Die ehemalige Arbeiterpartei, die in Thüringen und Sachsen bei den addierten Prozentzahlen noch hinter der Linkspartei liegt, geht selbstbewusst mit ihren Wunden um. Nur der Kanzler, empfiehlt Kühnert, der schon den erfolgreichen Europa-Wahlkampf der SPD organisiert hatte, müsse nun mal eine "andere Körperhaltung" zeigen. Schuld an allem ist die CDU, mit der die SPD nach der Erinnerung Kühnerts niemals koaliert hat, schon gar nicht zwölf Jahre lang. Im Unterschied zur Union, sagt der 35-Jährige, sei schon einiges geschafft.

Lars Klingbeil, neben Saskia Esken einer der Totengräber der einstigen Arbeiterpartei, hat den Spruch vom letzten Mal im Beutel mitgebracht. Kämpfen. Besser erklären. Mund abputzen. Weitermachen. Eines Tages werden die Betreuten verstehen, wie gut alles gemeint war. Mit der geistig-moralischen Wende bei Asylrechtsverschärfung, Remigration und klarer Kante gegen "kriminelle Ausländer" (NPD) ist der Ton gesetzt, den die deutsche Sozialdemokratie bis zur Bundestagswahl blasen wird.

So sehen Sieger aus

So sehen Sieger aus. Omid Nouripour, von der grünen Bundesspitze entsandt, den Vorwurf zu widerlegen, seine Partei habe verloren, nur weil es in Erfurt nicht mehr ins Parlament gereicht hat, glänzt vor Eifer, als er geduldig und in allen Sendern klarstellt, dass die Wirtschaft unter Robert Habeck angezogen habe, die Verschärfung der Migrationspolitik schon lange grüne DNA sei und im Übrigen kein Grund zu Panik bestehe. Eines Tages werde auch der verstockte Ostwähler ein Einsehen zeigen und verstehen, wer es wirklich gut mit ihm meine.

Es kann weiter so gehen, weil nur die FDP wirklich verloren hat. Auch für die kleinste Ampelpartei aber ist die Niederlage nur ein "vorübergehende Rückschlag", wie Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagt. Das Signal ist unübersehbar. Jetzt dranbleiben, dann wird das wieder. 

Links, wo das Funktionärsherz schlägt

Eine Strategie, die auch Katina Schubert, die scheidende Bundesgeschäftsführerin der Linken, nach dem "gesellschaftlichen Donnerwetter" ausruft. Die Folgen der demokratischen Entscheidung der Thüringer seien  "eine schlimme Herausforderung für die Demokratie". Irregeleiteten und verhetzten Menschen sei die Migrationspolitik als größtes Problem eingeredet worden, obwohl es keins sei. Die Linke müsse nun Kurs halten, bis es wieder anderherum gehe. Auch um den Preis des eigenen Untergangs werde ihre Partei daran festhalten. Im besten Fall ändere sich der gesellschaftliche Wind schon, ehe der letzte Genosse von der Fahne gegangen sei.

Wieder ist jetzt und "die CDU ist wieder da", knüpft Carsten Linnemann als wahrer und größter Wahlsieger unter all den anderen bewusst an ein Plakat an, das in Thüringen Unentschlossene von der Wahl der AfD abhalten sollte. Linnemann sieht seine Partei "viermal so stark wie die Ampelparteien", die in Thüringen zusammen 11,5 Prozent und in Sachsen ganze 13,5 eingefahren haben, während die CDU auf 31,7 und 23,9 kommt.

Die AfD fährt 31,4 Prozent in Sachsen und 33,2 in Thüringen ein und sei damit "dreimal so stark wie die Ampelparteien", wie ihr parlamentarischer Geschäftsführer Bernd Baumann errechnet hat. Nach Linnemann-Arithmetik hinter der Union. Den Zahlen nach davor. Es ist schwer zu verstehen. Aber am Ende auch egal.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Demokratie ist, wenn die Grünlinken regieren. Alles andere ist Nazi.

Anonym hat gesagt…

Funfact:
Wenn die Regierungsbildung nicht funktionieren mag, bleibt Ramelow weiter Ministerpräsident. Da Minister nicht zwingend Abgeordnete sein müssen (wie ich meine), können dem Ramelowkabinett sogar grüne Minister angehören.
Moral von der Geschicht - ohne absolute Mehrheit geht es nicht.

Anonym hat gesagt…

Oder um einen Herrn Manstein zu zitieren: "Verlorene Siege".

Die Anmerkung hat gesagt…

So gewinnt man Wahlen.
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Der Wahlleiter will das Ergebnis zur Sitzverteilung im sächsischen Landtag überprüfen. Mehrere Parteien und Experten von wahlrecht.de gehen davon aus, dass sich der Landeswahlleiter bei der neuen Sitzverteilung im Landtag verrechnet haben könnte, berichtet die "Leipziger Volkszeitung". Demnach sei ein falsches Sitzverteilungsverfahren angewendet worden.
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100479380/landtagswahlen-i-moeglicherweise-verrechnet-wahlleiter-prueft-in-sachsen-ergebnis.html
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Der eine Sitz weniger für die AfD wird dann der CDUSPD zugeschlagen.

Anonym hat gesagt…

Schon die kruden Verschwörungstheoretiker Disraeli und Rathenau haben ja, lächerlicherweise, behauptet, die Welt würde von ganz anderen regiert, als man so meinen tut ...
Scherz beiseite. Es wäre immerhin interessant gewesen, was da so abgegangen wäre, wenn die "AfD" eine stramme Zweidrittel- Mehrheit bekommen hätte. Einmarsch von Blauhelmen, mit malaiischen Menschenfressern als Mannschaften, Polen und Niederländern als Unteroffiziere ... die Offiziere überlasse ich eurem Vorstellungsvermögen ...