Ein Auto für Ewiggestrige, das sich seinerzeit noch gut verkaufte. |
Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht selber sorgen. Katharina Dröge, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, sprang gern ein: "Wir Grünen stehen an der Seite der vielen Arbeitnehmer*innen", versicherte die frühere Landesvorsitzende der Grünen Jugend, "die Automobilindustrie gehört zum Standort Deutschland. Wir wollen Jobs und Wertschöpfung hier in Deutschland halten". Dröge, die nach einem Volkswirtschaftsstudium drei Jahre als Referentin im Umweltministerium von Nordrhein-Westfalen arbeitete, ehe sie in den Bundestag einzog, will. Dagegen wird keine Wirklichkeit ankommen.
Überraschend für alle
Es kommt aber doch alles recht überraschend für alle. Erst die Dauerschleife mit Entlassungsankündigungen bei den Automobilzulieferern. Dann die Jammerlieder der Wärmepumpenlieferanten. Schließlich der Schlammassel bei Thyssen Krupp, der den früheren Arbeiterführer Sigmar Gabriel bewog, sich eilig vom Acker zu machen. Und nun die Krise bei Volkswagen, für den Wirtschaftsstandort Deutschland gleichbedeutend mit einem herausgezogenen Stecker. Zur Verdeutlichung. Die von Wahlkämpfern zuletzt gern bemühten supertollen Wachstumsraten der Wirtschaft im Osten verdanken sich einem einzigen Unternehmen. Es heißt Tesla und stellt Autos her.
Autos die, so hat die VW-Zentrale acht Wochen nach dem diesjährigen Dividendentermin festgestellt, niemand mehr haben will. Nicht die Volkswagen sind es, die Probleme machen. Sondern der europäische Automarkt, auf dem Mobilitätsvergäller und Verkehrswendeprediger zusammen mit der unwiderstehlichen Kraft der Inflation eine Situation geschaffen haben, die ohnegleichen ist.
Gebt es den Reichen
Früh forderte Habeck billige E-Autos. |
Die Klage geht nun dahin, dass Wolfsburg "die zündende Idee" fehle, der "VW-Konzern in einer tiefen Krise" stecke und ein drastisches Sparprogramm sowohl dringend nötig als auch nicht hinnehmbar sei. Schösse VW Werke, vielleicht sogar im Osten, wer soll denn dann noch demokratisch wählen? Wer würde noch an den Fachkräftemangel glauben, an dem die große Transformation immer wieder scheitert? Was macht das mit den Menschen, die mittlerweile nicht nur seit drei Jahren auf das versprochene Klimageld warten, sondern nun auch schon zwei auf den Wumms und das grüne Wirtschaftswunder, die sinkenden Strompreise und den Frieden, er einkehrt, wenn Russland "in Kürze" (Ursula von der Leyen, 17. April 2022) Bankrott anmelden muss?
Modellfeuerwerk für einen verschwundenen Markt
Jetzt werden Sie mal nicht polemisch! Der "Markt ist schlicht nicht mehr da", heißt es bei Volkswagen, wo der Vorstand sich entschlossen hat, auf Intel-Kurs zu gehen: Raussparen aus der akuten Bedrängnis auf Kosten der Angestellten. Zugleich aber "kräftig investieren", wie Markenchef Thomas Schäfer. Zur Zeit baut der Traditionskonzern mit Wurzeln in der Dunkelheit eine halbe Million Autos zu viel pro Jahr, sie werfen zu wenig ab und die wenigsten sind so elektrisch, wie das die EU-Vorschriften für die Zukunft verlangen. Nach dem geplanten Modellfeuerwerk wird der noch vor 15 Jahren wertvollste Konzern der Welt auferstehen und größer sein denn je.
Wenn sie ihn lassen. Doch danach sieht es nicht aus. Kaum waren die ersten Nachrichten vom Kahlschlag im Autoland bekanntgeworden, marschierten die Divisionen derer auf, die 500.000 unverkäufliche Autos im Jahr für ein Problem halten, die Herstellung von 500.000 Autos weniger aber für ein sehr viel größeres. Der Wirtschaftsminister steuerte mit der neuen Reichenprämie für Dienstwagen gegen, wirtschaftspolitisch eine Art Abschiebeflug nach Afghanistan. Doch er weiß auch: "Alle Beteiligten müssen ihrer Verantwortung für die Beschäftigten in den Standorten gerecht werden."
Habeck selbst hatte schon 2019 ein E-Auto für unter 20.000 Euro von VW am 2025 gefordert. Sonst, warnte er, werde der Konzern Schwierigkeiten bekommen. Seitdem sind alle Kosten um etwa 15 bis 75 Prozent gestiegen, VW hat aber immer noch keinen Mini-E für den kleinen Geldbeutel im Programm.
Lob für den Wohlstandsmotor
Dabei hat die Bundesregierung alles getan, was sie konnte. Sie etwas der EU-Vorgabe zugestimmt, dass ab 2035 nur noch sogenannte "CO2-neutrale Fahrzeuge" neu zugelassen werden dürfen. Das schaffe Sicherheit für den "Entwicklungspfad der Mobilität der Zukunft", so Habeck, denn durch das Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren sei es der Autoindustrie als "Eckpfeiler des Industriestandorts Deutschland" (®©BWHF via Habeck) erst ermöglicht worden, "enorme Transformationsanstrengungen" zu unternehmen. Er sei der Meinung, dass die deutschen Autobauer "in diesem Wettbewerb mithalten müssten", schließlich seien sie Arbeitgeber für zigtausende Beschäftigte, "Wohlstandsmotor" im Land und Innovationstreiber über Branchengrenzen hinweg.
Gute Worte, die Trost spenden und zeigen, dass die Bundesregierung in ihren Gedanken bei den Betroffenen und ihren Familien ist. Auch der Kanzler kondolierte: Olaf Scholz ist die Bedeutung von VW als einem der größten Unternehmen der Autoindustrie und einer Firma, die schon Genossen aus so mancher Patsche gerettet habe, klar. Ohne großes Drumherumreden sicherte Scholz zu, dass er die weitere "Entwicklung ganz genau verfolgen" werde. Es sei allerdings Sache des Unternehmens, die Probleme zu lösen, die die Politik heraufbeschworen habe. Da mische sich die Bundesregierung nicht ein.
Kein Stahlgipfel mit Scholz
Bei Thyssen Krupp, ein Ex-Giganten, der in den zurückliegenden fünf Jahren 70 Prozent seines Firmenwertes verloren hat und heute samt seiner 56.000 Mitarbeiter für den Gegenwert eines Viertels der Intel-Förderung zu haben wäre, hat sich das bewährt. Der Bundeskanzler hielt sich raus, in die Falle, zu einem "Stahlgipfel" zu erscheinen, ging er nicht. Es gab auch kein Rettungspaket wie bei der Meyer-Werft, die mit Steuergeld gerettet werden musste, um Deutschland unabhängiger bei der Versorgung mit Kreuzfahrtschiffen zu machen.
Sein Fachminister bekundete Mitleid und Sorge und forderte "die Beteiligten dazu auf, die Firma zu stabilisieren". Seitdem ist Thyssen Krupp unterwegs, den am 15. August erreichten tiefsten Kurs aller Zeiten zu unterbieten. Es fehlen noch drei Cent.
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"Der Verbraucher ist nicht verunsichert. Politik und Produkt sind schlecht"
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