Mittwoch, 18. September 2024

Briefkastenplage: Rückbaupflicht für fossile Infrastruktur

Im vergangenen Jahr hat das Bundeswirtschaftsministerium den Fokus auf die Dekarbonisierung privater Heizsysteme gelegt, anschließend ging es daran, mit der Abschaltung der 500.000 Kilometer langen Gasnetze zu beginnen, um die Umstellung auf Wärmepumpen und Fernwärme in den nächsten zehn bis 15 Jahren unumkehrbar zu machen. Der später unter dubiosen Umständen aus dem Amt gemobbte Staatssekretär Patrick Graichen hatte dabei wertvolle Vorarbeit geleistet. Nach seinem Abschied kam zumindest kurzzeitig die Sorge auf, die geplanten Rückbaupflichten und ein Abschluss der Ausstiegsarbeiten - bei gutem Wetter - bis 2045 könnten ins Wackeln geraten.

Ausstieg aus der Post-Infrastruktur

Stattdessen rückt aber nun die nächste Infrastrukturfrage in den Vordergrund: Ein aktuelles Dokument aus dem Ministerium von Wirtschaftsminister Robert Habeck nimmt sich der nächsten offenen Baustelle an. Und rührt damit an ein Tabu: Es geht um Briefkästen, jene Postempfangsboxen, die rund 20 Millionen deutsche Privathaushalte und Millionen Firmen in dieser oder jener Form betreiben, um Briefe empfangen zu können.

 Der grüne Vordenker Herbert Haase aber, seines Zeichens Chef des in Sachsen angesiedelten Climate Watch Institutes (CWI), regte schon früh an, nicht zu lange mit dem Beginn der Planungen für einen kompletten Rückbau auch dieses Teils der fossilen Infrastruktur zu beginnen. 

"Zwei, drei Kilogramm wiegt jeder der rund 30 Millionen Briefkästen, die heute noch in deutschen Hausfluren oder an Hausfassaden hängen", beschreibt der Klimawirtschaftler in einem 23-seitigen sogenannten Grünpapier, das der Bundespolitik Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten im Bereich Rückbaupflichten und Weiterbetriebszwang bei Briefkästen aufzeigen will. Dabei handele es sich um einen Schatz von etwa 60.000 bis 100.000 Tonnen zumeist bestem Stahl, den ein rohstoffarmes Land wie Deutschland nicht ungeborgen lassen könne. 

Eine neue Transformation

"Heute steht schon fest, dass am Ende der laufenden Transformation von der traditionellen Briefzustellung hin zu Whatsapp, E-Mail und Sprachnachrichten über Messengerdienste aller Voraussicht nach in deutlich geringerem Umfang als heute Briefkästen benötigt werden". Um einen Rückbau führe kein Weg herum, sagt Haase.

Für die im CWI-Ideenpapier entwickelten Pläne sprechen Tatsachen. Wie die Bahn wird auch die Post immer schneller teurer und dazu immer langsamer, die Zahl der Briefsendungen sinkt, die Mehrzahl der Haushalte muss sich dank der Grundversorgung mit Informationen durch ARD und ZDF auch kein Zeitungsabo mehr leisten. Dass die Post immer später komme, gelte zwar derzeit noch als Fehler, merkt Herbert Haase an. 

Künftig aber könnte daraus ein besonderes Feature werden: Zuletzt beschloss die Bundesregierung bereits drastisch weniger Zustelltage. Die nach ihren drei Gründungsvätern Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn letztes Jahr in "DHL" umbenannte Deutsche Post AG reagierte prompt mit einer Einstellung der Nachtflüge zur Briefzustellung. 

Fast 100 Prozent der Zeit ungenutzt

"Inzwischen ist es so, dass Briefkästen 99,87 Prozent der Zeit ungenutzt herumhängen", haben die Forscher*innen ermittelt. Das seien 3,7 Prozent mehr als Autos im Durchschnitt nicht genutzt würden und auch deutlich mehr als Badewannen in deutschen Haushalte nur anwesend seien, ohne benötigt zu werden. "Wir verstehen unser Papier als einen Impuls, der den Startschuss zum Um- und Rückbau der Postzustelllandschaft setzen will." 

Noch sei ein konkreter Gesetzentwurf nicht in Sicht. "Aber wir müssen uns heute schon fragen, wie sich der notwendige Umstieg so gestalten lässt, dass die Transformationskosten für alle Beteiligten minimiert werden."

Millionen Kästen werden abzubauen sein, zehntausende Tonnen Briefkastenschrott müssen gesammelt und klimaneutral eingeschmolzen werden. Nach der Vorstellung der CWI-Forschenden "ist der Erfolg dieses Kraftaktes in hohem Maße abhängig von einem planmäßigen Vorgehen, das auf der Basis von Abbauplänen erfolgen sollte, die die Kommunen jetzt schon erarbeiten müssen."

Rückbau ist unumgänglich

Ein Rückbau der gesamten deutschen Zustellungsinfrastruktur sei zweifellos unumgänglich, "um die Verlockung dauerhaft zu beseitigen, dass doch noch Briefe und Karten versendet werden, die auf anderem Wege viel klimasparender befördert werden können." Wie bei den Gasnetzen, die deren Besitzer gern umgewidmet hätten, um sie nicht als Totalverlust abschreiben zu müssen, sei es "Träumerei", zu glauben, dass der Brief eine Renaissance erleben werde. "Bleiben die Briefkästen hängen, wäre das nur eine Einladung, sie für ausstiegsfeindliche Zwecke zu nutzen."

Natürlich werde der "Tod des Briefes nicht an einem Tag stattfinden", sagt Herbert Haase. Doch gerade weil der Rückgang der Zahl der Sendungen nicht über Nacht geschehe, sei es wichtig, den schrittweisen Wandel mit geeigneten Regelungen zum Rückbau der Infrastruktur zu begleiten und zu unterstützen. "Nur so kann die Umstellung in den kommenden Jahren so reibungslos wie möglich verlaufen." Dazu gehöre auch, den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken und ihnen transparent klarzumachen, wo der Weg hinführe. 

Niemand wird alleingelassen

"Niemand soll mit seinem Briefkasten alleingelassen werden, die  unumgänglichen Kosten für den Abbau, die entsorgende Nachnutzung und auch die für die häufig notwendige Sanierung der ehemaligen Hängeflächen müssen gerecht verteilt werden." Das Hauptziel ihres Papiers sei es deshalb, sowohl Hausbesitzende als auch Regierende und Mietende rechtzeitig über die Abschaltung des Postnetzes zu informieren, wie es über Jahrhunderte gern und oft genutzt wurde. 

"Klappt alles, wie wir das vorgeschlagen haben, ist eine vollständig klimaneutrale Informationsversorgung bis 2035 machbar, ohne dass wir dann noch diese kleinen Hängeschränke brauchen, die immer noch funktionieren wie im Zeitalter der Postkutsche."


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Rückbau des grünen Unfugs wird lang und teuer werden.

Anonym hat gesagt…

Vielleicht kann der Rückbau der Pager im Libanon als Anregung dienen. Einfach 'ne Lunte an den alten Kram, so wie dort und wie bei den KKW Kühltürmen. Sehe da Parallelen.

Anonym hat gesagt…

Der Rückbau des grünen Unfugs ...

Wird nicht stattfinden, weil nicht vorgesehen.

Anonym hat gesagt…

Man kann rotgrün abwählen

Anonym hat gesagt…

Man kann rotgrün abwählen

DER war gut. Konnte dennoch nicht so richtig lachen.