Freitag, 9. August 2024

Veteranen vergällen: Strafabschlag statt Wohlstandsversprechen

fleißige Menschen, die mit 16 in ihre Erwerbsbiografie gestartet sind, könnten dann auf mehr als 50 Arbeitsjahre zurückschauen, ehe sie mit 67 das Recht hätten, einen Rentenantrag zu stellen.
Eine nach dem Vorbild der vor dem Renteneintritt stehenden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken modellierte KI-Frau bei der Berechnung ihrer sinkenden Rentenansprüche.

Es fehlt mittlerweile nicht mehr nur an Fachkräften, um ein zünftiges Wirtschaftswunder zu bewirken, sondern auch an offenen Stellen, die sie besetzen könnten. Gleichzeit liegen zu viele Alte und Vulnerable den letzten paar Beitragszahlern auf der Tasche und die, die gut noch ein paar Jahre auf dem Bau, in der Fabrik oder einer öligen Werkstatt arbeiten könnten, nutzen die von der deutschen Sozialdemokratie geschaffene Möglichkeit aus, sich schon nach 45 abgeleisteten Arbeitsjahren in den Ruhestand zu verabschieden.

Reform der Reform

Da muss die Bundesregierung noch einmal ran, hat der Wirtschaftsweise Martin Werding jetzt errechnet. Die Bürgerinnen und Bürger werden gebraucht, irgendwer müsse all die Fördermitteltöpfe füllen, die Rettungspakete absichern und die notwendigen Zusatzausgaben finanzieren, die die wachsende Zahl an Kontrollbehördenbeamten verschlingt. Da die Ampel in ihrem im Frühjahr geschnürten "Rentenpaket" (BWHF) Haltelinien für Renten- und Beitragshöhe festgezurrt hat, bleibt für die Verhinderung massenhafter ungewollt früher Eintritte in den Ruhestand nur eine Strategie der Vergällung.

Werding, von Beruf Ökonom, hat eine Lösung für das Problem gefunden, dass die Beiträge nicht erhöht und die Renten nicht abgesenkt werden können, zugleich aber keine Möglichkeit besteht, das Versprechen der Rente mit 63 - neben Bürgergeld und Mindestlohn als eine der zentralen Wohlstandzusagen der SPD - zu brechen. 

Der Ausweg, sagt der Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, liege bei höheren Strafen für die, die schon nach 45 oder 47 Arbeitsjahren genug vom Job haben und die erste Chance nutzen, sich aus dem Arbeitsleben zu verabschieden, auch wenn sie das bis ans Lebensende 3,6 Prozent Abschlag von der Rente kostet.

Aufgekündigte Solidarität

Aufgekündigte Solidarität mit einem Land, dessen Wirtschaft ein Klagelied auf dem letzten Loch pfeift, während die Verantwortlichen ein beschwingten Walzer zu hören vorgeben. Würde man, so schlägt Martin Werding vor, den Treulosen, die vorzeitig in Rente gehen wollen, einfach die Abschläge erhöhen, stünde die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der eine oder andere sich noch einmal überlegen werde, ob er die großzügig gewährte "Freiheit, ab 63 Jahren mit Abschlägen in Rente zu gehen" wirklich nutzen wolle. 

Mit der habe er im Grunde kein Problem, gelten aber solle sie nur für die, die es sich leisten können. Der Strafabschlag als Erziehungsmittel: "Abschläge von 3,6 Prozent pro Jahr sind dafür zu niedrig. Stattdessen müssten es 5 bis 6 Prozent sein", schlägt Werding einen Weg vor, die angestrebte Vergällung allzu Anspruchsberechtigter verfassungsrechtlich sicher zu machen. 

Rücksicht auf Gebrechliche

Rücksicht auf Gebrechliche in Belastungsberufen würde selbstverständlich genommen. Dem Sachverständigen schwebt eine obligatorische Gesundheitsprüfung vor, bei der Weizen vom Spreu getrennt würde. Wer noch irgendwie irgendetwas arbeiten könne, der solle das auch müssen. 

Gänzlich abschlagsfreie frühere Renten für Personen, die gesund sind und normal bis überdurchschnittlich verdienen, passten "angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels überhaupt nicht in die Landschaft", urteilt das Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Das Land braucht fleißige Hände, die anpacken können, ob sie wollen oder nicht. Werding stellt sich dabei an die Seite der FDP, die schon länger dafür wirbt, Versicherte, die 45 oder mehr Jahre gearbeitet haben, dadurch zu bestrafen, dass nicht mehr eine Kombination aus Anzahl der abgeleisteten Arbeitsjahre und Lebensalter für die Rentenberechtigung Voraussetzung ist, sondern allein noch das Alter. 

Wirklich fleißige Menschen, die mit 16 in ihre Erwerbsbiografie gestartet sind, könnten dann auf mehr als 50 Arbeitsjahre zurückschauen, ehe sie mit 67 das Recht hätten, einen Rentenantrag zu stellen. 

An allen Ecken und Enden

Nicht nur für die wankende Wirtschaft wäre es ein Segen, sondern auch für den Bundeshaushalt, den die Wohlstandsversprechen der SPD teuer zu stehen kommen. 40 Milliarden Euro im Jahr kostet die Rente mit 63 derzeit. Noch weitaus höher ist der Schaden, den der von den vorzeitig abgängigen Fachkräften  angerichtet wird, weil sie an allen Ecken und Enden fehlen. 

Martin Werding ist hier mit dem Bundesbankchef Joachim Nagel einig, der eine Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung fordert. Das Interesse an der vorgezogenen Altersrente ist bei denen groß, die davon profitieren. Aber auch Staat, Wirtschaft und Gesellschaft haben Interessen, die in diesem Fall schwerer wiegen.

Dass sich nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung allein im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Menschen mit und ohne Abschläge vorzeitig hatten verrenten lassen. Um Nachahmer abzuschrecken, soll der vorzeitige Ausstieg deutlich verteuert werden. Die Logik ist unbestechlich: In einer alternden Gesellschaft können Wohlstand und soziale Errungenschaften wie die auskömmliche und sichere Rente nur erhalten werden, wenn alle mitarbeiten, so lange es irgend geht.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gab es da nicht so einen Plan, Fachkräfte ins Land zu lassen, die das mit der Arbeit und der Rente übernehmen? Was ist denn daraus geworden?

irgendwer hat gesagt…

Die Rente war schon als Schneeballsystem gestartet, von Adenauers Bonmot "Kinder bekommt man immer" nur notdürftig kaschiert.

Seit dem Pillenknick war aber spätestens sonnenklar und berechenbar, wann in etwa das System zerbricht (Spoiler: demnächst, was ca. 2030 meint. Hört einer die Nachtigall trapsen?).

Die Energiewende hat, in Ermangelung mehrwöchiger landesweiter Blackouts im Winter, versagt. Corona hat, wegen der querulatorischen Resilienz der Vulnerablen, versagt.

Nun wird es wohl Putin richten müssen bzw. ein Wehrpflichtsystem, welches, nach bewährtem russischem Vorbild, den Boomern einen bevorzugten Platz in der ersten Reihe als Kanonen- und TOR-Werfer-Futter beschert. Denn warum das Leben von jungen Menschen vergeuden, die es noch vor sich hätten? (Einmal von schnelleingebürgerten Wehrfähigen abgesehen. Diese Konsequenz teilt denen auch keiner mit, könnte ich wetten.)

ppq hat gesagt…

mit ausreichendem zuwachs an produktivität kein problem. ohne eine bombe

Anonym hat gesagt…

Gab es da nicht so einen Plan, Fachkräfte ins Land zu lassen, die das mit der Arbeit und der Rente übernehmen?

Das mit "ins Land lassen" klappt doch ganz gut. Das mit Arbeit und Rente wird auch noch. Ich glaube dran

Anonym hat gesagt…

Das mit Arbeit und Rente wird auch noch. Ich glaube dran

Ganz sicher nicht. Es soll ironisch gemeint sein, aber nichts für ungut, es erheitert mich nicht.

ppq hat gesagt…

ironie ist auch nie lustig