Montag, 12. August 2024

Olympische Trauerspiele: Team Depression

Deutschlands "Team D" hat in Paris so schlecht abgeschnitten wie noch nie.
Sie sind rein rechnerisch 36.000 Euro wert, die Goldmedaillen, die die Sieger bei den Olympischen Spielen in Paris umgehängt bekommen. Die silbernen Trostpreise für die jeweiligen Zweiten sogar nicht einmal 500 Euro. Aber ihr Einkaufspreis für den deutschen Steuerzahler liegt deutlich höher: Neun Millionen Euro hat sich Deutschland jede der 33 Medaillen kosten lassen, die die deutsche Mannschaft in Paris erringen konnte.  

Teurer Spaß

Geld, das den Analysen der beiden Olympiasender ARD und ZDF zufolge gut angelegt gewesen ist. Niemals holten deutsche Sportlerinnen und Sportler weniger Edelmetall als bei den Spielen im Nachbarland. Aber niemals wurden so wenige Siege so begeistert gefeiert.

1992 waren es noch 33 Goldene gewesen, dazu 21 Silbermedaillen und 28 Bronzene, insgesamt also 84. Seitdem gebt es stabil abwärts. Aus 84 Medaillen wurden in Atlanta 65, 56 in Sydney, dann 49 in Athen, 41 in Peking. London täuschte mit 44 ein Ende der Talsohle an, doch schon in Rio ging es mit 42 wieder runter. Tokio warf noch 36 ab. Paris nur noch 33.  

Das größte Team D

Vor 32 Jahren starteten in Barcelona noch 463 deutsche Sportlern in 237 Wettbewerben in 26 Sportarten. Nach Paris reiste das nach offiziellen Angaben "größte Team D jemals!" 429 Athlet*innen und 44 Ersatzleuten: Den 211 Frauen und 218 Männern (ohne Ersatzleute) gelang es, noch knapp 40 Prozent der Erfolge zu feiern, die damals zu Platz 3 im Medaillenspiegel reichten. Das ist nicht nur das schlechteste Abschneiden seit der Wiedervereinigung. Sondern auch schlechter als bei allen anderen Sommerspielen seit 1952.

Heute steht die einstige Sportnation nur noch auf Platz 10 und "Team D" für Team Depression. Nicht nur China und Südkorea, seinerzeit auf Platz vier und sieben geführt, sondern auch Frankreich, Australien, Italien, Japan und die Niederlande und, 1992 noch auf den Plätzen 9, 10, 12, 17 und 20 gelistet, liegen nun vor Deutschland, dem Staat, der lange ganz vorn stand im ewigen Medaillenspiegel.

Goldener Plan

Seit dem "Goldenen Plan Ost" für die Entwicklung des Breitensports von 1992 und dem Kanzler Helmut Kohl 1994 einberufenen "Runden Tisch des Sports" zwei Jahre später ist nichts besser geworden, alles aber teurer. Die offiziell als "Sportförderung" bezeichnete Summe der direkten Förderung aus der Kasse des Bundes ist nach einer Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages seit 1992 um ein Drittel gestiegen. Die Medaillenausbeute um mehr als die Hälfte eingebrochen.

Das Vorhaben des bis 2018 amtierenden Innen-und Sportminister Thomas de Maizière, "Deutschland im Sommersport bis zu den Olympischen Spielen in London 2012 wieder an die Weltspitze heranzuführen", ist zwölf Jahre später in unerreichbare Fernen gerückt. Auch die große Einigung von Bund Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) auf eine Reform, um den Spitzensport mit Hilfe eines Potenzialanalyse-System (PotAS) wieder erfolgreicher zu machen und Fördermittel nach dem Vorbild der DDR nur noch dorthin zu verteilen, wo "anhand einer objektiven und transparenten Entscheidungsgrundlage die größten Erfolgspotenziale" bestehen und die Millionen sich Ende in Edelmetall auszahlen, verpuffte. 

Rettende Reiter

Trotz aller Genugtuung darüber, dass es dank einiger Überraschungen zumindest nicht so schlimm  gekommen ist, wie alle befürchtet haben, setzt sich die "Linie einer kontinuierlich geringeren Medaillenanzahl" (Eckpunktepapier zur Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung) kontinuierlich fort. Und niemand weiß, warum, denn besser sind sowohl Länder wie China und Frankreich, die den Staat als "zentralen Akteur für die Gestaltung und Finanzierung des Elitensports" begreifen. Als auch die USA, Großbritannien und die Niederlande, für die Spitzensport zuallererst eine Aufgabe der Sportakteure selbst ist.

Wären da nicht die deutschen Pferde mit ihren Reitern, die vier Medaillen beisteuerten, fiele die Bilanz noch ernüchternder aus. Die Politik ist nun "unzufrieden", frühere Olympiasieger üben Kritik, Vertreter verschiedener Parteien fordern nach dem "enttäuschenden Abschneiden" (Hasepost) einmal mehr "tiefgreifende Analysen und Veränderungen in der Spitzensportförderung". Sport ist einmal mehr  Medaillenspiegel einer Gesellschaft, die den Peak ihrer Leistungsbereitschaft glücklich hinter sich gelassen hat. 

Mit neuen Konzepten und - wenn es der Haushalt hergibt - mit neuen Millionen, vor allem aber mit einem Sportfördergesetz, das seit zweieinhalb Jahren engagiert entworfen wird und nach dem vernehmlichen Pariser Aufprall auf dem Boden der leistungssportlichen Tatsachen vielleicht noch beschlossen werden wird, ehe das erste Klimageld ausgezahlt wird, nimmt Sportdeutschland Anlauf auf Olympia 2028 in Los Angeles. Mit der Abschaffung der Wettkämpfe bei den Bundesjugendspielen ist der erste Schritt schon gegangen.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Eigentlich war es schon, als das IOC Winter- und Sommerspiele trennte, also eine Olympiade plötzlich nicht mehr 4 Jahre lang war, dass mir die Illusionen über diesen Zirkus abhanden kamen.