Dienstag, 13. August 2024

Mit Links in den Untergang: Nationale Front

Mit nationalistischen Parolen und Appellen an ein krudes Heimatgefühl versucht die ehemals internationalistische Linkspartei, ihren Untergang abzubremsen.

Ein Gespenst geht um in den Büros der Partei, die früher die der Arbeiter und kleinen Angestellten war. Es ist das Gespenst der Vertreibung von den Futternäpfen der parlamentarischen Demokratie, die im Fall der früheren SED mehr als 30 Jahre lang die Großzügigkeit besaß, die vom Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems unbeindruckten Propagandisten eines neuen Menschenversuches zur Errichtung einer kommunistischen Kommandowirtschaft nicht nur zu dulden, sondern finanziell zu fördern. 

Die Stimme Ostdeutschlands

Millionen brachte die seit einigen Jahren als "Linkspartei" tätige frühere PDS direkt nach ihrer Ablösung als Staatpartei der DDR geschickt beiseite. Noch mehr Millionen überwies ihr Vater Staat in Anerkennung ihrer Verdienste als Kümmererpartei, Stimme Ostdeutschlands und dritte russlandfreundliche politische Kraft neben SPD und CDU. Die Linke genoß nach Jahren der Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen und der Verbannung hinter eine Brandmauer bald hohe gesellschaftliche Anerkennung als verlässliche Partei der Mitte.

Nach der zweiten Vereinigung mit anderen linken Kräften, diesmal auf freiwilliger Basis, schielte sie zeitweise nach Westen. Als eine der drei explizit linken Parteien des demokratischen Spektrums war ihr Alleinstellungsmerkmal das offene Bekenntnis zum Sozialismus, zu Staatswirtschaft und einem neuen Anlauf für ein gesellschaftlichen Großexperiment, bei dem wieder alle mitmachen müssten, das diesmal aber ganz sicher erfolgreich gelingen würde.

Gedränge am linken Rand

Der Ärger begann, als es am linken Rand eng wurde. Auch die SPD war dem Sozialismus nun wieder zugetan, die Grünen sahen ihn als einzige Möglichkeit, das Notwendige zu tun, ohne dass sich Menschen massenhaft nicht mitnehmen lassen würden. In der Partei setzten sich die Radikalen durch, schon allein, weil die Funktionäre aus der DDR nach und nach aus Altergründen Platz machen mussten. Die neue Nomenklarura aber hätte sich nicht einmal kümmern können, weil sie gar nicht wusste worum. Sie hat alle Hände voll zu tun, globale Probleme zu lösen. Sachsen, Thüringen und Mecklenburg stören da nur.

Es reichte ja immer noch für eine Portion Teilhabe, für ein paar Plätze in Parlamenten und öffentliche Aufmerksamkeit für die innerbetrieblichen Fehden zwischen den Traditionalisten und den Internationalisten, denen ein Land schon immer zu klein war. Je bedeutungsloser sie für ihre Wählerinnen und Wähler wurde, desto häufiger saßen ihre Vertreterinnen in Talkshows und Fernsehstudion. Die Brandmauer, die anfangs noch zwischen Ministerposten und PDS-Funktionären gestanden hatte, sie fiel in aller Stille. Die noch Zeit hatte alle Wunden geheilt, alle Verbrechen waren vergessen, man regierte nicht nur mit, sondern auch schon mal selbst. 

All die schönen Jahre

Diese schönen Jahre aber sind in Kürze vorbei. Martin Schirdewan und Janine Wissler, die beiden aktuell noch amtierenden Parteivorsitzenden, stehen schon seit der EU-Wahl unter Verdacht, sie hätten alles falsch gemacht., Sahra Wagenknecht hat die Wähler mitgenommen, die herbeigebetete Welle von Neueintritten in die nun porentief reine Linkspartei verebbte binnen Stunden. Der Kümmererpartei sind die Themen abhanden gekommen: Auch die SPD ist für einen Mindestlohn, von dem jeder leben kann, als würde er einen richtig guten Job haben. Die Grünen sind für offene Grenzen, die CDU ist für Ostdeutschland, die AfD gegen das ganze System.

Der rechte Platz war leer

Da immer noch einen draufzusetzen, fällt den Parteistrategen spürbar schwer. Zuletzt trommelte die linke Wahlkampagne für kostenlosen Nahverkehr statt wie früher für "Reichtum für alle". Kaum vorstellbar, dass das Menschen lockt, bei denen der Bus nur einmal in der Woche hält.

Während Wagenknecht ohne Programm zweistellig abfischt, taumelt die 1919 gegründete ehemalige  KPD dem Abgrund der "Sonstigen" in den Wahlumfragen entgegen. Statt Volkspartei zu sein, ist die umbenannte SED jetzt unleugbar eine Sekte: Carola Rackete, die Spitzenkandidatin zur EU-Wahl, darf als Gesicht dieses Niedergangs gelten. So viel Fortschritt, so viel Progressivität, so viel Offenheit und Klimakampf. Es hat viele alte Wähler*innen der Linkspartei einfach überfordert.

Schlüsse aus der Misere

Susanne Schaper, "zusammen mit Stefan Hartmann Spitzenkandidatin für die sächsische Linke" (Schaper), hat ihre Schlüsse aus der Misere gezogen. Statt mit haltlosen Versprechen, rotem Stern und roter Fahne in den Wahlkampf zu ziehen, hat sie sich für eine identitäre Kampagne entschieden. "Ostdeutsch, sächsisch, links" lässt sie plakatieren - eine Coverversion des nationalistischen Sounds, mit dem SPD-Hoffnungsträger Martin Schult vor zehn Jahren versuchte, auf den letzten Metern des Europawahlkampfes bei denen zu punkten, die das ewige Gebet von Klima, Europa und globaler Gerechtigkeit nicht mehr hören können.

Schaper, 1994 in die PDS eingestreten, nutzt eine Trabi als unique selling point, sie hat zwei große Klimahunde mit ins Bild stellen lassen, um ihre Zugeneigtheit zu einer traditionellen Lebensweise auszustellen, die Haustiere, Fernreisen und Grillvergnügen nicht aus verantwortungsethischen Gründen ablehnt.  Ihre Partei liegt in den Umfragen bei nur noch vier Prozent, minus sieben im Vergleichzum letzten Mal, als die Chemnitzerin über die Landesliste ins Parlament einzog. Das wird diesmal nicht knapp, sondern ins Auge gehen. 

Prominenter wird es nicht

Sachsen hat nicht mal einen Bodo Ramelow, der die Partei als "Bündnis Bodo Ramelow" in die Abstimmung führen könnte. Landesvorsitzende im Freistaat ist Schaper selbst, zusammen mit Hartmann. Ihre Stellvertreter heißen Anja Eichhorn und Markus Pohle. Prominenter wird es nicht im Land von Karl Liebknecht, Walter Ulbricht und Clara Zetkin. Unter den "weiteren Mitgliedern des Landesvorstands" haben nur zwei eine konkrete Aufgabe. Eine Susanne Scheidereiter ist "Sprecherin für Gleichstellung und feministische Politik" und ein Frederic Beck "Jugendpolitischer Sprecher".

Die Prioritäten sind klar, die Aussichten in Lohmen, Stolpen und Frauenstein entsprechend. Feministische Politik, dazu offene Grenzen und eine Prise vormundschaftlicher Kommunismus, abgeschmeckt mit einer Prise Sozialneid, der sich gegen "überreiche Menschen" (Schaper) richtet - wen das nicht überzeugt, der wählt sie vielleicht für die Forderung, die Waffen niederzulegen und Putin einfach mal machen zu lassen.

Nur noch drei Wochen

Es geht zu Ende, und alle wissen es, selbst Susanne Schaper. Die Feinde von früher sind weg, gegen die Feinde von heute aber will niemand mehr an der Seite der Linkspartei kämpfen. Der Zusammenschluss mit der Lafontaine-Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit" war ein Nagel zu Sarg, denn danach übernahmen auch beim SED-Nachfolger die Wessis. Der Ausstieg von Wagenknecht, die den Schimmel am Braten roch, besiegelte dann das Schicksal der Reste aus SED-Romantikern und woken Weltrevolutionären.  

Nur noch drei Wochen gilt es durchzuhalten. Dann war es dann endlich.