"Eher gemäßigt": Ismail Hanija plante die Morde vom 7. Oktober, erfährt jetzt aber viel Zuwendung. |
Es war der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck, seinerzeit Chef einer mächtigen Volkspartei, der als erster die Idee hatte, bei all dem Irrsinn, der sich überall ausbreitete, müsse man die eigenen Ansprüche herunterregeln. Dass der voluminöse Pfälzer sich aufmachen wollte, um nach "gemäßigten Taliban" zu suchen, wurde von den ersten Adressen im Land als "naiv" und "falsch" gebrandmarkt.
Islamisten ohne Heiligen Krieg
Von Grün über Rot bis ganz nach rechts, dorthin, wo damals noch die Union stand, wollte niemand einen Unterschied machen zwischen "dogmatischen Extremisten wie den Taliban-Anführer Mullah Omar oder den Taliban-Militärchef Mullah Dadullah" und ihren weltoffenen, einer Vielfaltspolitik westlichen Zuschnitts nicht gänzlich abgeneigten innerorganisatorischen Konkurrenten, die "nicht den Heiligen Krieg auf ihre Fahnen geschrieben haben".
Man hätte sie suchen können, vermutlich ohne sie zu finden. Stattdessen aber fing sich Beck eine Klatsche ein. Der Mann, der die innerparteiliche Demokratieführung in der ältesten deutschen Partei als "zentrales Problem der SPD" bezeichnete und seine Partei schon damals "in Ritualen" erstarrt sah, wurde wenig später in einer Palastrevolution in der Willy-Brandt-Hütte vom Hof gejagt. Becks Klage, die Parteiführung ordne das Fußvolk in drei Kreise und treffen mit denen Vorabsprachen, wurde bestätigt: Die Seeheimer, die Netzwerker und die Linken verkündeten den Rücktritt Becks, noch ehe er selbst ihn verkünden konnte.
Gemäßigte Antisemiten
Seine "moderaten Taliban" fand die Deutsche Welle erst mehr als ein Jahrzehnt später, schon aber werden auch anderswo gemäßigte Antisemiten, milde Mörder und gar nicht so sehr nach einem nächsten Holocaust lechzende Islamisten entdeckt. Die Süddeutsche Zeitung verdrückt angesichts des plötzlichen Ablebens des Hamas-Präsidenten Ismail Hanija beinahe schon eine Träne. Für einen Hamas-Führer habe Hanija "als eher gemäßigt" gegolten und im Grunde hätte der teure Tote "auch eine Zweistaatenlösung akzeptiert", hätte er sie nicht zugleich "mit Morden und Anschlägen torpediert".
Der "politische Anführer" (Tagesschau), "Hamas-Politbüro-Chef" (Deutsche Welle) oder auch einfach "62-Jährige" (Tagesschau), seit Jahren mit internationalem Haftbefehl gesucht, aber bei den Blutprinzen in Deutschlands Energiepartneremirat Katar gut aufgehoben, war nicht der Schlimmste von allen, sondern der "Chefunterhändler" (n-tv), ohne den die seit neun Monaten ergebnislosen Gespräche über eine Waffenruhe im Gazastreifen nun "beendet sein" dürften, wie n-tv bedauert.
Terrorfürst im Anzug
Ohne den "Auslandschef" (ProSieben) der nach jahrelangem Zögern im November vergangenen Jahres verbotenen Terrorvereinigung "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" fehlt nun der "zentrale Ansprechpartner bei den indirekten Verhandlungen mit den USA, Ägypten, Katar und Israel". So dass es sich Israel selbst zuzuschreiben hat, wenn "die Bemühungen um eine Vereinbarung zur Freilassung der israelischen Geiseln sowie zu einer Waffenruhe im Gazastreifen erheblich erschwert" (Tagesschau) werden, weil der Terrorfürst im Anzug ab sofort an allen Ecken und Enden fehlen wird.
Viel länger hat es auch diesmal nicht gedauert, die Frage nach der Schuld zu beantworten. Nach dem alten Drehrumbum-Prinzip ist es in deutschen Medien letztlich der Jude, der mordet, während der moderate Mörder sich nur verteidigt. Ginge es nach hiesigen Vorlieben und Aversionen, sind die Verletzungen der Täter höher zu gewichten als das Leid seiner Opfer. Der Angegriffene ist Schuld an seiner Gegenwehr, der Ermordete hätte sich besser überlegen müssen, ob er nicht lieber die andere Wange hinhält, als zurückzuschlagen.
Das Gesicht der Terror-Diplomatie
Der "Führer" (SZ) der Terrororganisation Hamas gehörte zu den Planern des 7. Oktober, er wies den Angriff letztlich an und dass er die Folgen danach bedauerte, ist nicht überliefert. Aber "das Gesicht der internationalen Diplomatie der Hamas" (DW) habe eben "zugleich als verhandlungsbereiter Pragmatiker" gegolten und "in seiner Jugend sogar eine Weile in Israel gelebt".
Dass die Hamas und der Iran Israel vorwerfen, den "Hamas-Funktionär" (Tagesspiegel) getötet zu haben, wirft in Deutschland zuallererst die Frage auf, ob das überhaupt erlaubt war. War Hanija nicht Zivilist? Hielt er sich nicht im Iran auf, der nach seinen Angriffen auf Israel die Gegenschläge der einzigen Demokratie im Nahen Osten unbeantwortet gelassen hatte, vielleicht abgesehen vom Raketenbombardement auf das Land, mit dem die Hisbollah beauftragt worden war?
Millionen Hilfsgelder
In den Schreibmaschinengewehrstellungen der Leitmedien hatte die Hamas Israel am 7. Oktober des vergangenen Jahres "kalt erwischt", und eine gewisse klammheimliche Freude war hier und da nicht zu übersehen. Aber auch wenn die anfangs mit Hilfe des "Gesundheitsministeriums" im Gaza-Streifen akribisch geführte Statistik der Opfer, für die Israel verantwortlich ist, seit Monaten nicht mehr fortgeführt wird, macht es sich besser, nur in Jerusalem zur "Mäßigung" aufzurufen und "vor einem endlosen Krieg" zu warnen. Den Terroristen aber Millionen an humanitärer Hilfe zuzuschieben. Und ihre prinzipielle und kompromisslose Ablehnung der mystischen Zwei-Staaten-Lösung mit keinem Wort zu erwähnen.
2 Kommentare:
Ich fand, die Sprengung des gemäßigten Massenmörders mit einem Marschflugkörper war eine gemäßigte Aktion. Passt schon.
Wenn zwei psychopathische, verbrecherische Halbbrüder, der eine mehr primitiv und sadistisch, der andere mehr bösartig schlau, die mir nichts Gutes wollen, sich untereinander nicht grün sind, muss ich ja wohl nicht Partei ergreifen.
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