Dienstag, 13. August 2024

Mauerbau: Fiktion der Nichteinreise

Maueropfer am Kanzleramt in Berlin
Zum 63. wird nicht gratuliert: Vor allem der Westen vermisst die Mauer inzwischen schmerzlich.

Es ist diesmal ein Tag wie jeder andere, denn gefeiert wird nur rund. Ein Mauerbau vor 63 Jahren, das ist nicht einmal eine Steinmeier-Rede wert. Auf allen Kanälen Unterhaltungsprogramm. Kaum Opfer,  kaum Kampfgruppenkiller im Fernsehen. Im Land, das stolz darauf ist, seine Grenzen schon lange gar nicht mehr kontrollieren zu können, ist die Erinnerung an die Schrecken früherer Abschottung immer gegenwärtig. Nur nicht heute.  

Nicht einmal dort, wo ARD und ZDF die Grundversorgung mit Erinnerungen an Hitler, Honecker und die alten Ägypter sicherstellen, gibt es neue alte Mauergeschichten. Es tanzt der Taliban bei ZDF Info. Tagesschau24 stellt die "Designcity Kopenhagen" vor. Der frühere Ereignissender Phoenix präsentiert anlassangemessen das "Geheimnisvolle Mittelalter".

Ulbricht und die Russen

Die Mauer ist weg. Und die Schuldigen sind lange abgängig. Ulbricht und die Russen waren es natürlich. Wie Angela Merkels Satz vom "Schaffendas" ist das Problem im Vorwärtsschreiten durch Vergessen bewältigt worden. Als die DDR zeitweise Migranten aus Afrika aus Schönefeld nach Westberlin durchwinkte, war das drüben und in Bonn ein echter Aufreger. Keine Teddybären, kein Begrüßungsapplaus. Keine Erinnerung.

Aber so ist es ja heute schon wieder. Der bürgerliche Westen, er tut sich schwer mit den Folgen seiner eigenen magischen Anziehungskraft, so schwer sogar, dass die staatstragenden Parteien sich beim Programm der Menschenfeinde bedienen müssen, um an der Wahlurne nicht zu den Sonstiges durchgereicht zu werden. 

Abschieben, möglichst schnell. Hürden hoch. Hammelbeine lang. John F. Kennedy ließ man damals durchgehen, dass er Fake News verbreitete, als er behauptete "Ich bin ein Berliner". Wer heute einer werden will, muss sich hinten anstellen, weil die Behörden der Antragsflut nicht Herr werden. Und wer nicht die Wahrheit sagt, bekommt einen Brief von Thierry Breton, einem französischen Multimillionär, der als EU-Kommissar die Oberaufsicht über die Meinungsäußerungen auf dem europöäischen Schulhof hat.

Ansturm der Völker der Welt

Breton wird, daran lässt der bei der EU-Wahl eigentlich abgewählte französische Funktionär keine Zweifel aufkommen, eine neue Mauer bauen, diesmal für Meinungen, die er für schädlich hält. Europa, soweit es den institutionalisierten Gemeinschaftsbetrieb der 27 Mitgliedsstaaten betrifft, die die vertraglichen Grundlagen der gemeinsamen Beziehung genauso ernst nehmen wie SPD, Grüne und FDP die ihnen vom Wähler seit Jahren zugestellten Nachrichten, muss geschützt werden wie damals die DDR. Die Menschen kommen sonst auf dumme Gedanken. Was ihnen einer wie Breton eigentlich zu sagen hat? Wer hat dem immerhin auch schon 69-Jährigen die Macht gegeben, Millionen Erwachsener bevormunden zu dürfen?

Hinter der Meinungsmauer fehlt es an Leuten, die den Ansturm der "Völker der Welt" (Ernst Reuter) bewältigen könnten, die nicht mehr nur "auf diese Stadt" (Reuter) schauen, sondern aus Gründen, die jedem Berlin unerfindlich sind, hier leben will. Was war hier früher alles los, als Berlin noch keine Provinz war, sondern Austragungsort für Weltgeschichte! 

Provokante Ausschreitungen

Am 13. August 1986 beispielsweise kam es an der Mauer einer denkwürdigen Begegnung zwischen Ost-Offizieren und West-Abgesandten. Nach "provokanten Ausschreitungen ehemaliger DDR-Bürger gegenüber Ostberliner Grenzsoldaten" lud die DDR-Seite die West-Polizei zur Entgegennahme einer Protestnote an den Mauerstreifen. Ein Offizier, der mit heutigen Augen betrachtet aussieht, als hätte ihn der kurz nach Beginn des Krieges um die Ukraine verstorbene Dieter Wedel im Doku-Drama "Stacheldraht und Peitsche - Blut in Bernau" besetzt, liest empört, aber flüssig, eine dringende Mahnung vor, dass es so nicht weitergehen kann.

Sein Westberliner Kollege, den ein gnädiges Schicksal in diese und nicht in die andere Uniform gesteckt hatte, lauschte aufmerksam und liest dann vor: "Ich weise Sie darauf hin, dass dieses Treffen rein technischer Natur war." 

Fiktion der Nichteinreise

Wer denkt da nicht an das geplante Messerverbot, an die Fiktion der Nichteinreise, auf die EU ihre neue, knallharten Mauertaktik gegen die "irreguläre" (DPA) Migration gründet. Kurz vor wichtigen Wahlen leiden alle Demokraten an allen Fronten höchste Qualen. Der Aufstand der Anständigen vom kalten Januar ist verpufft, die, die damals zu den Waffen riefen, müssen sich heute für zweifelhafte Methoden  voller handwerklicher Mängel vorführen lassen. 

Vor allem der Westen vermisst die Mauer, diesen Duschvorhang, der viel Elend vor dem mitfühlenden Blick verborgen hat. Auf einmal hat man all diese Leute unter sich, die so tun, als könnten sie tun und lassen, was sie wollen. Frank Castorf, so berühmt als Theaterregisseur, dass er beinahe immer schon in den Westen reisen durfte, hat die AfD als "Rache der Ostdeutschen" für die Verletzungen der letzten dreieinhalb Jahrzehnte beschrieben, in denen sie aus den "Redaktionen, Theater, Museen, Hochschulen, Gerichten" rausgehalten worden seien. Jetzt noch schnell die AfD-Wähler ausgrenzen und die  Institutionen vor ihnen schützen. "Dann sind wir in der DDR plus", sagt Castorf.

Westdeutsche Sehnsüchte

Eine andere Fiktion der Nichteinreise, untermalt mit dem alten Grenzer-Shanty "Leise erklingt ein Lied im Grenzgebiet" nach der Melodie von "I want to go home". Die Ostdeutschen, sie sind die Art illegaler Migranten, die neuerdings der "irregulären" Einreise bezichtigt werden, weil das weniger kriminell, aber dennoch verwerflich klingt.

Sie haben ihre eigene Messerkultur mitgebracht, ungefragt. Sie hängen Traditionen an, die aus der Zeit der Stammesverbände herrühren. Sie sind undankbar, uneinsichtig und drauf und dran "das Erfolgsmodell der Bundesrepublik zu zerstören", wie der auf "Neue Rechte und AfD, Russische Einflussnahme, Klerikaler Missbrauch, Korruption" spezialisierte Correctiv-Senior-Reporter Marcus Bensmann herausgefunden hat, der schon "seit 2014 von Correctiv aus finstere Machenschaften aufdeckt"

Dann geht doch rüber

Nein, solche wollen wir hier nicht. Solche sollen bitte dorthin gehen, wo sie hergekommen sind. Dann geht doch rüber! Wir müssen endlich in großem Stil abschieben, Pass hin, Pass her. Groß ist die Sehnsucht nach schlechten alten Zeit, als die Besserbürger noch unter sich waren und ein gelegentliches Westpaket ausreichte, um moralisch in der 1. Bundesliga mitzuspielen. Jetzt, wo die Fremden aus dem nahen Osten Verständnis verlangen, als stünde es ihnen zu wie Rente, Bürgergeld und Transferleistungen, würden nur wenige das so sagen, aber viele denken es. Wenn Joe Biden, unser Mann in Washington, eine Mauer bauen kann, warum dann wir nicht auch?


2 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

https://www.youtube.com/watch?v=bm5_wGLpYNk

https://die-anmerkung.blogspot.com/2024/04/danisch-der-unwissende.html

ppq hat gesagt…

und ich habe es nicht mehr gefunden