Sonntag, 11. August 2024

Doku Deutschland: Unintegrierbar

Zwei Kinder, glücklich verheiratet. Tobias B. hält sich selbst für unintegrierbar.

Im Grunde ist mir mein Problem selbst klar. Es hapert bei mir eigentlich an allem. Wissen Sie, ich bin vor 18 Jahren aus Sachsen hierher gezogen, weil man das damals so gemacht hat. Statt kleinem Dorf und kleiner Stadt einen Hauch von Welt inhalieren. Statt einmal im Jahr Karneval auf dem Dorfsaal und jedes Wochenende in der Disko um die wenigen Mädchen buhlen, in einer Metropole leben, in der das Leben tobt. Breite Straßen, Verkehr, hohe Häuser, höheres Gehalt! Alle aus meinem Dorf haben damals davon geträumt.

Sehnsucht nach der großen Stadt

Ich habe also nach dem Studium nicht gezögert. Ich war ja sowieso schon weg, ich muss dazu sagen, dass ich nach dem Bachelor in einer auch recht großen Stadt in Sachsen drüben im Westen studiert habe. Da war also kein Abschiedsschmerz mehr und das Heimweh kam auch nicht noch mal zurück. Dann also Berlin, habe ich mir gesagt, als ein Angebot kam, das auch noch finanziell interessant aussah.

Ein Fehler ist das sicher nicht gewesen. Wenn ich heute zurückschaue, war es sogar alles andere als das. Ich habe den Job noch mal gewechselt, der neue ist finanziell attraktiver und er bietet sogar für meine Branche sehr gute Gestaltungsmöglichkeiten, was das Privatleben betrifft. Ich habe meine heutige Frau hier kennengelernt, sie war nicht die Erste, in die ich mich verliebt habe, nein, nein, da waren davor schon einige. Man kam ja hier an mit einem Hunger... Selbst nach den Studienjahren, die auch nicht ohne waren.

In den stillen Stunden des Zweifels

Aber Sandra war dann einfach die Richtige! Wir haben heute zwei Kinder, hübsche, kluge Kinder, wir verdienen zusammen so gut, dass wir uns nicht einmal Gedanken um die steigenden Mieten machen müssen, obwohl der Gedanke daran nicht schön ist. Aber in den stillen Stunden, wenn man bei all dem Trubel, der Einladungen, den Treffen mit Bekannten, den Kulturevents und so mal Zeit hat, dann spüre ich bei mir doch schon ein wenig Schuldbewusst sein. Ich sage es mal so: Von seinem Lebensgefühl her, bin ich hier bis heute nicht richtig angekommen! 

Natürlich, man passt sich an, man tut, was die anderen tun. Letztes Jahr sind wir beide Vegetarier geworden, zumindest eine Zeit lang. Wenn ich zur Arbeit fahre, dann auch oft mit Öffis und den obligatorischen Kaffeebecher aus dem Schnellrestaurant an der Haltestelle, den habe ich dann auch in der Hand, Ehrensache. Aber würde mich jemand fragen, wie mein Inneres aussieht, müsste ich offen zugestehen, dass da eine Entfremdung eine gewisse Rolle spielt. Ist ja so: Ich lebe jetzt seit 18 Jahren in Berlin und spreche immer noch kein Arabisch, nicht einmal Ukrainisch! Freilich kann ich paar Worte verstehen und auch im richtigen Zusammenhang wiederholen. Oft kommt man auch mit Englisch gut zurande, in der Kneipe oder im Restaurant. Aber bin ich damit wirklich zufrieden?

Arabisch für Anfänger

Nein, bin ich nicht. Ich habe vor zwei oder drei Jahren natürlich mal versucht, einen Kurs zu belegen, Volkshochschule, Arabisch für Anfänger, immer mittwochs 18 bis 20 Uhr, Raum 16A, Papier und Stift mitbringen. Es ist nicht so, dass ich mich nicht gemüht habe. Mir ist doch klar, dass es mit der Integration so nicht klappen kann, wenn man sie hinstellt und sagt, sollen die doch. Das ist der bequeme Weg, aber der führt uns doch nicht wirklich zusammen. Sandra sagte damals, Du spinnst doch, wir haben die beiden Kiddies hier, die würden auch gern mal mehr mit Dir spielen. Aber mich hat das gewurmt, dass ich oft außen vor war.

Allerdings musste ich dann eben feststellen, dass ich da verloren bin. Keine Chance, nicht im Arabischen und nicht mal beim Ukrainisch! Ich dachte, ich bekomme es hin, weil als Kind eigentlich immer ganz leicht gelernt habe. Mir ist alles zugeflogen, üben und so, das kannte ich nicht. Vielleicht hat das eine falsche Einstellung bei mir ausgeprägt, wo man ja nun als älterer Mensch Neues auch nicht mehr so einfach aufnimmt. Jedenfalls ging das ganz schön schief. 

Heute sehe ich mich als unintegrierbar an, offen gestanden. Ich packe es einfach nicht. Ich fühle mich oft fremd, wo ich das gar nicht will. Ich vermisse die Freunde von früher, diese Nähe, die manche Enge nennen, die aber aus meiner heutigen Sicht auch sowas wie Freiheit war. Nicht frage, und doch alles verstehen. Nicht gucken, und doch alles wissen.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich kann noch die Tageszeiten zum Gruß entbieten, danke, ick liebe dir (er zu sie), Gott sei gepriesen, so Gott will, und: Du Sohn einer feilen Buhldirne (Ya ibn Sharmutah).
Schreiben konnte ich mal al-koól, aber wieder vergessen.
Werde mich jedoch vermehrt auf Russisch werfen.

Anonym hat gesagt…

Ich "vergas": Malik = Dor Geenich.