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Der junge deutsche Maler Kümram ist ein großer Bewunderer des Demokraten Joe Biden. Er hat ihn mit weichem Strich und klarere Botschaft gezeichnet. Abb: Kümram, schwarze Kreise auf Gipskarton |
Es sind nur noch wenige, die dem großen alten Mann im Weißen Haus trotzig die Stange halten. Es gebe auch Umfragen, die Biden nur noch ganz knapp hinter seinem Konkurrenten Donald Trump sähen. Und "die Lücke zwischen den beiden wird kleiner", pfeift das teilstaatliche Nachrichtenportal T-Online im dunklen Wald der Enttäuschung über Bidens desaströsen Auftritt im ersten Fernsehduell, das dem Amtsinhaber nach Lesart der Werbeseite womöglich geholfen hat. Biden holt auf! "Die Lücke von zwei Prozent ist der geringste Abstand zwischen den beiden seit Oktober 2023."
Der Glaube bröckelt
Doch nicht überall ist der Glaube noch so fest. Dort, wo in den vergangenen vier Jahren ausgemacht war, dass Joe Biden das Beste ist, was Amerika und der Welt noch einmal passieren könnte, werden Zweifel nicht mehr hinter verschlossenen Türen verhandelt und nach außen mit Faktenchecks widerlegt. Stattdessen arbeiten sich die deutschen Medien am Präsidenten ab: Er wolle "nicht wahrhaben", dass seine Zeit vorüber sei, heißt es in der "Zeit", die noch vor einigen Monaten Grund zum Scherzen sah, wenn es um Bidens Gesundheitszustand ging.
In Deutschland wurde der damals noch generell als "Alter" bezeichnet. Peinliche Verwechslungen (Die Zeit), Gestotter, eingefrorene Bewegungsabläufe und durchgeistigte Aussagen galten allenfalls als typische Begleiterscheinungen der Auftritte eines "älteren Mannes" (Zeit) ohne großen Belang. Alle Hoffnungen hatten sich doch über Monate auf den 81-jährigen Ex-Senator aus dem kleinen Wilmersdorf konzentriert. Auch beim früheren Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gibt es daran kaum noch Zweifel. "Zurück in die Zukunft" gehe es mit Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris, titelt das Hamburger Blatt.
Dass Biden fit genug für eine zweite Amtszeit sei und auch im Jahr 2028 zweifellos noch in der Lage, die Geschicke der Atommacht USA zu lenken und zu leiten, stand außer Zweifel. Videos, in denen der 81-Jährige verwirrt wirkt, waren manipuliert und "sinnentstellt". Der mit mehr als 50 Jahren politischer Führungserfahrung ins Amt gekommene Mann aus dem auch bei deutschen Landesbanken lange Zeit äußerst gefragten Steuerparadies Delaware kann mit Blick auf das Medienecho von heute feststellen, dass er in der ersten Amtszeit den wichtigsten Kampf gewonnen hat: Die Federn der Welt, die Schreibmaschinengewehrstellungen in den Großraumbüros, die Danachrichtenagenturen und Heere von Kommentatoren sind ihm nicht nur gewogen, sie haben einen neuen Lieblingsstar für sich gefunden. Biden ist der erwartete Erlöser, er wird richten, was zu richten ist, heilen, versöhnen und retten.
Seit Obama hatte Deutschland keinen anderen Präsidenten so überschäumend freundlich im Amt begrüßt. "Aus vollem Herzen Glück und Erfolg" wünsche Angela Merkel Biden und seiner künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris. Nicht einmal von der Einhaltung von "Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung" (Merkel an Trump) macht die scheidende Kanzlerin das abhängig wie sie es noch bei Vorgänger Donald Trump getan hatte. "Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit mit Präsident Biden", kündigte Merkel diesmal vorbehaltlos an.
Plattformen für Rücktrittsforderungen
Erst der einheitlich als "desaströser Auftritt bei dem TV-Duell gegen Trump" bezeichnete Unfall vom 27. Juni hat den spin geändert. Aus einer Welle der Solidarität wurde eine der Delegitimierung. Plötzlich scheint es allenthalben angebracht, den Präsidenten infragezustellen, ihm die Fähigkeit zur Amtsführung abzusprechen und denen eine Plattform zu bieten, die "offen fordern, er solle seine Kandidatur zurückziehen, vielleicht sogar zurücktreten" (ZDF). "Wie überredet man Opa, den Führerschein abzugeben?", fragt der "Spiegel", einer "Debatte um die Eignung von US-Präsident Joe Biden als Präsidentschaftskandidat" gibt die "Tagesschau" breiten Raum. Von "purem Egoismus" des derzeit noch als Kandidat gesetzten Demokraten spricht Jan Fleischhauer in der "Welt". Die "Taz" beteiligt sich bereits an der Suche nach Ersatz und n-tv streut Gerüchte über Besuche von Parkinson-Spezialisten beim Hausarzt des Präsdidenten.
Ein Sturm aufs Weiße Haus, bei dem nicht wildgewordene Verfassungsfeinde durch Washington marschieren, sondern die "Fähigkeiten Bidens als Anführer des Westens"in Zweifel gezogen werden. Auf einmal scheint "die ganze Welt sich einig zu sein: Joe Biden muss von einer erneuten Kandidatur um die US-Präsidentschaft absehen und Platz machen" (Taz). Auf einmal droht im schlimmsten Fall, dass Olaf Scholz den Job "übernehmen muss" (Spiegel), um während einer "zweiten Präsidentschaft des extrem rechten Lügners Donald Trump" zusammenzuhalten, was übrig ist von der Wertegemeinschaft. Und das kann ja nun wirklich niemand wollen.
Abschied vom Gewinner
Doch was denn sonst? Als wären Schleusen geöffnet worden, die es vor einem Monat noch nicht gab, sieht sich der mächtigste Mann der Welt einer geschlossenen Front von Kritikern gegenüber. ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen, der eben noch prognostiziert hatte, dass Biden die Wahlen im November gewinnt und das sogar "mit einem größeren Vorsprung gewinnen als im Jahr 2020, möchte die demokratischen Vorwahlen, die vor kurzem noch so wichtig waren, dass sie trotz fehlender Gegenkandidaten als "Rennen" bezeichnet wurden, nicht mehr gar so ernst nehmen. "Ich glaube,
dass man hinter den Kulissen jetzt ganz genau schaut, wie sich die
Umfragen entwickeln über die nächsten Tage und Wochen hinweg", sagt er. Im Notfall wird dann gehandelt werden.
Den alten Mann, der beim Weiterbau der Erdgasleitung Nord Stream dieselbe Position vertritt wie sein Vorgänger, vom Gegenteil zu überzeugen, scheint immerhin möglich. Ebenso glaubt die Bundeskanzlerin, dass sich der älteste jemals gewählte US-Präsident von Deutschlands demonstrativen Bemühungen zur symbolischen Erhöhung der Verteidigungsausgaben überzeugen lassen wird, nicht wie Trump immer wieder auf dem Zwei-Prozent-Versprechen herumzuhacken.
Biden ist in dem halben Jahrhundert seiner politischen Karriere nie als störrischer Verteidiger grundsätzlicher Positionen aufgefallen. Wie die deutsche Kanzlerin ändert der frühere Vize-Präsident der Obama-Administration lieber seine Prinzipien, als seinen Anspruch auf Herrschaft aufzugeben. Im Gemeinsinnfunk wurde daraus über Jahre daraus ein Mann, der "vernünftig, versöhnlich und volksnah" ist und das "erklärte Ziel" habe, "die heillos zerstrittenen Amerikaner wieder zu versöhnen". Biden war der neue Obama. Nur in älter.
Regelrechte Aussetzer
Die kleinen "regelrechten Aussetzer" (FR), die seine Feinde zuletzt genüsslich ausschlachteten, ließen sich durch Gesundbeten reparieren. Die marionettenhaften Auftritte des US-Präsidenten erregten schon so lange Aufsehen, dass es falsch gewesen wäre, sie jetzt doch an die große Glocke zu hängen. Nur die Gegner des Demokraten schürten die Unsicherheit, wer eigentlich Amerika regiert, indem sie Bilder von Stotterreden, verwechselten Namen und Bidens Erzählungen darüber, wie er eben noch mit Leuten zusammengesessen habe, die schon tot gewesen waren, als er ins Amt gewählt wurde, verbreiten. Das hatte schon alles seine Ordnung. Zu groß war die Furcht davor, dass der mächtigste Mann der Welt kaum mehr in der Lage sei, Entscheidungen zu treffen, als dass jemand mit einem gewissen Interesse an einem intakten transatlantischen Verhältnis darauf hätte herumreitenwollen.
Der Augenschein, er log und trog. Biden war zuweilen müde. Er fiel grundlos mit dem Fahrrad um. Nichts passiert! Immer wieder gelang es irgendwem auch, Joe Biden fit zu machen für knackige Reden, schwungvolle Ausstiege aus der Air Force One und den einen oder anderen geriatrischen Witz. Die anderen Staatenlenker, die in direktem Kontakt mit ihm standen, zumindest soweit sie ihm bei verschiedenen Gipfeltreffen begegneten, schwiegen eisern. Die drohende Silhouette der Alternative disziplinierte jeden, der in Versuchung hätte kommen können, sein Entsetzen öffentlich zu machen.
Im Dienst der Demokratie
Die Bilder waren das eine. Ihre Erklärung etwas anderes. Die ganze Welt zeigte, dass sie bereit ist, ihren eigenen Augen nicht trauen, wenn es sich als bequemer erweist. Als Biden bei einem Empfang in Weißen Haus inmitten seiner fröhlich klatschenden Gäste stand wie ein Roboter, dem unverhofft der Saft ausgegangen ist, schlug das in deutschen Medien in Deutschland keine Wellen. Für Präsidenten gibt es keine Klatschpflicht, auch Schunkeln und Wippen muss ein US-Präsident nicht, sondern im Herbst gegen Trump gewinnen.
Im Sinne der Demokratie und zur Vermeidung größerer Schäden. Hätten die Demokraten jemanden, der es besser machen könnte als der zuweilen desorientierte Joe Biden, den mittlerweile nur noch seine Familie darin bestärkt, weiterzumachen, wäre das längst passiert. Doch wie Europa, das aufgrund des allgemeinen Fachkräftemangels über Jahre keinen Nachfolger für den vom Norweger Jens Stoltenberg besetzten Nato-Vorsitz fand und derzeit kurz davor steht, die in ihrer ersten Amtszeit an der EU-Spitze gescheiterte Ursula von der Leyen mangels Alternative noch einmal zu inthronisieren, leiden auch die USA unter dem sogenannten Tschernenko-Syndrom: Die müssen, können nicht. Die wollten, sollen nicht. Und andere sind nicht verfügbar.
Einsicht Stand Mitte Juni
Biden, heute acht Jahre älter als Konstantin Tschernenko am Tag seines Einzuges ins Büro des Generalsekretärs der KPdSU, müsste wohl selbst sagen, wer es machen soll. Doch aufgrund eines gewissen Altersstarrsinns fehlt es ihm an der Einsicht in die Notwendigkeit. Statt sich auf die Rufe aus seiner Partei, vor allem aber auf die Forderungen aus Deutschland zu hören, und den Weg freizumachen, tückscht er, er "spielt nicht mit offenen Karten", lenkt ab und tot so, als wäre er heute noch so fit wie vor vier Monaten. Dass er gehen muss, will er nicht wahrhaben. Der Gedanke, dass er nicht noch einmal vier Jahre durchhalten wird, ist ihm heute noch so fern wie er deutschen Medien vor drei Wochen war.
6 Kommentare:
This version of Biden is the best Biden ever.
"Des Kaisers neue Kleider". Mal wieder ist ein Märchen wahr geworden.
das wird noch besser
Dem Kind, das laut sagt, dass der Kaiser "gar nichts an hat" (also NICHT wie der Feigling Harald Juhnke eine rüschenbesetzte Unterhose), würde und wird sehr schnell und wirksam das Maul gestopft werden!
Unter dem Beifall des mündigen Bürgers.
TAZ kühl recherchierend über Kamala Harris.
Ihr ständiges Lachen geht vielen auf die Nerven.
https://taz.de/Moeglicher-Ersatz-fuer-Joe-Biden/!6019202/
Wer hat eigentlich das Märchen in die Welt gesetzt, TAZ wäre links oder sozialistisch oder sowas? Alle TAZ-Kandidaten sind Marionetten des Monopolkapitals, wie man früher gesagt hätte.
Wer hat eigentlich das Märchen in die Welt gesetzt ...
... die so genannte Große Sozialistische Oktoberrevolution wäre OHNE die Mitwirkung (((interessierter))) Großbankiers gelaufen?
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