Mittwoch, 24. Juli 2024

Solarparks: Die Regenmacher

Sind Solarparks nur ausreichend groß, liefern sie nicht nur Energie, sondern auch Regen.

Er liegt im Süden von Leipzig, ein verlässlicher Lieferant von sauberem Strom, bestehend aus mehr als einer Million Solarmodulen. Der Solarpark Witznitz schafft unter idealen Bedingungen mehr als ein Drittel der Leistung des nahen Braunkohlenkraftwerks Lippendorf, könnte die Energielieferungen des fossilen Monsters also, wäre er dreimal so groß, zumindest an schönen Tagen ersetzen. So geht Energiewende, so beschwört sie aber auch Befürchtungen herauf. Könnte die fünf Quadratkilometer große Anlage Auswirkungen auf die Umwelt haben? Oder eine noch größere? Und wenn, dann welche?

Ängste zerstreuen

Der MDR hat es übernommen, die Ängste zu zerstreuen. Noch sei nicht abschließend geklärt, ob Temperatur der Umgebungstemperatur durch Zehntausende von Solarmodulen ändern? Die schwarzen Platten zur Energieernte können im Sommer bis zu 70 Grad Celsius heiß werden, in Klimasommern mit ausgedehnten Heißzeiten auch um die 80 Grad. Wie wirkt sich dieser Temperaturunterschied von 45 Grad gegenüber der normalen Umgebungstemperatur auf das Micro- und Macroklima aus? Der bisher mit Abstand größte Solarpark Deutschlands hat diese Frage beantwortet.

Die Anlage, von einer Versicherungsgesellschaft für mehr als 100 Millionen Euro errichtet dem Gelände eines früheren Braunkohletagebaus, bleibt für die Umwelt weitgehend folgenlos. Für Tiere, die hier früher lebten, wurde gesorgt, Igel, Hasen oder Füchse können weiterhin frei durch das Gelände streifen. Bei Regen dürfen sich sogar Rehe und andere größere Tiere unter den schrägstehenden Panelen unterstellen. 

Platz für das Braunkehlchen

Für Vögel wie den Kiebitz oder das Braunkehlchen konnte nichts getan werden, aber ihnen bleibt in der weitgehend entvölkerten Umgebung beim früheren Chemiestädtchen Böhlen genug Platz, um auszuweichen. Steinschmätzer und Schwarzkehlchen dagegen gefällt es nach Angaben von Wissenschaftlern zwischen den PV-Modulen, die so zum neuen Lebensraum bedrohter Arten werden.

Eine überaus glückliche Fügung, aber nach MDR-Angaben längst nicht die einzige. Zwar könne die Temperatur unter den Solarplatten "nachts um bis zu fünf Grad höher" ausfallen als üblicherweise, doch dafür sei es am Tag durch deren Schattenwirkung "um bis zu fünf Grad" kälter, die Luft direkt über den Solarflächen dagegen nur ein Grad erwärmen - wobei dieser Wert wegen der brandneuen Technologie "bisher noch nicht erfasst" (MDR) worden sei. Bisher ist dadurch "nicht abschließend geklärt, ob und wie durch große Solarparks die Böden unter den Modulen und in umliegenden Gebieten erwärmt werden". 

Solar macht Regen

Zumindest nicht in Sachsen. Anderswo sind Forscher bereits ein gutes Stück weiter: So hat die Studie "Scaling artificial heat islands to enhance precipitation in the United Arab Emirates" von Forschern der Universität Hohenheim vor einiger Zeit bereits ergeben, dass sich Böhlen, Neukieritzsch und Rötha in den kommenden Jahren vermutlich trotz anhaltender Dürre überall sonst auf mehr Regen freuen dürfen. Neben den "geringen Auswirkungen auf die Temperatur, die bekannt sind" und Gutachtern zufolge "keine Beeinträchtigung" für nichts darstellen, entstehen durch die Absorbtion des "Großteil des Sonnenlichts" und die daraus folgende Erwärmung der Luft über den Modulen sogenannte "künstliche Wärmeinseln" in der Landschaft. 

Von denen steigt in der Folge warme Luft auf, die die Bildung von Wolken begünstigt. Kommen dann feuchte Winde hinzu, wird Regen ausgelöst. Zwar schätzen die Forscher aus Hohenheim, dass für richtigen künstlichen Regen eine Solaranlage von 20 Quadratkilometern benötigt werde. Erst dann sei "regionales Klima-Engeneering" als "Mittel zur Lösung regionaler Umweltprobleme wie Wasserknappheit und hohe Temperaturen" alltagstauglich. 

Höherer Wirkungsgrad als Glühbirnen

Als hilfreich erweist sich, dass der Wirkungsgrad von Solaranlagen typischerweise bei zehn bis 20 Prozent liegt, etwa doppelt bis vierfach so hoch wie bei einer früher handelsüblichen Glühbirne.  dadurch kann ein Großteil der einfallenden Strahlung direkt in Wärme umgewandelt werden. Dadurch  bestehe "Potenzial für eine Verbesserung der Niederschlagsmenge, wenn sie im großen räumlichen Maßstab umgesetzt wird", haben die Forscher bei ihren Untersuchungen in Saudi-Arabien festgestellt. 

Eine frohe Botschaft, die Sachsen bisher noch nicht erreicht hat. Hier herrscht bisher noch Datennotstand. "Zu den Aspekten Wärme und Strahlung fehlt noch Forschung. Die kommt aber, wenn mehr Solaranlagen gebaut werden", heißt es bei der sächsischen Landesstiftung Landschaft und Natur. Bisher stehe nur fest, dass die Blendwirkung der schwarzen Spiegelfelder "gering" ist, die Lautstärke der Wechselrichter und 200 Transformatoren "mindestens fünf Dezibel unter den Werten für Wohngebiete" liegen und die Versiegelung von Flächen kaum ins Gewicht falle.

Traktoren sind schlimmer

Ein Solarpark benötige keine Fundamente, die Halterungen der Module seien "in den Boden gerammt" worden. "Das ist mit einer normalen landwirtschaftlichen Flächennutzung vergleichbar", bestätigt Ulrike Würflein vom Umweltbundesamt. Tomas Brückmann von der Sächsischen Landesstiftung für Natur und Umwelt sieht sogar einen heilenden Effekt für verdichtete Böden: "Die großen Landwirtschafts-Maschinen auf Ackerflächen sind im Vergleich schwerer und verdichten den Boden mehr." Weil die aktuellen Standards für die Sanierung nach der Stilllegung des Tagesbaus noch nicht galten, wächst hier ohnehin kein Baum. Und die, die trotzdem wuchsen, wären irgendwann wohl verkümmern, weil - auch wegen der fehlenden Solaranlagen - nicht genug Wasser verfügbar war.  

Das wird sich nun ändern. Wie Andreas Berkner vom Regionalen Planungsverband Westsachsen dem MDR erklärte, seien die Auswirkungen des großen Solarparks auf den Wasserhaushalt zwar bisher "nicht komplett klar". Aber wenn man davon ausgehen, dass viel Wasser direkt auf den PV-Modulen verdunste und damit auf dem Boden nur wenig ankomme, sei das für den nahen Fluss Pleiße möglicherweise positiv, weil "weniger Eisensulfat aus den ehemaligen Tagebauböden ins Wasser gelange.


5 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Bisher kannte ich "feuchte Winde" immer nur als Begriff aus der Gerontologie. Aber schön, dass dieser Begriff jetzt ebenso Eingang in die Meteorologie und Klimatologie gefunden hat.

Anonym hat gesagt…

Wieder OT:
"RKI-Files-Bombe" - Lächerhaft. Noch nicht mal eine Knallerbse.

Immer mehr will es mich dünken, als ob die subjektiven Idealisten von Plato über Kant bis Carlos Castañeda recht hätten. Es gibt keine objektive Realität.
So, wie es gestörte Schnepfen gibt, die überzeugt sind, zu fett zu sein, obwohl ekelerregende wandelnde Skelette, gibt es Bematschte, die am "Bleiberecht für alle" nicht den geringsten Einspruch dulden, seit dreißig Jahren schon, und das ist nur EIN Beispiel.

Anonym hat gesagt…

Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?
Pol Gogäng

Anonym hat gesagt…

@ Gerry: Gerade aus einer Laune heraus nach Mark David Chapman gegurgelt. Eingeräumt, Anton Hopkins war besser, aber als Schauspieler eben, Chapman war echt. Bei der Fresse wird einem schon anders. So kann es einem gehen, wenn man sich des Schwachsinns, der einem in früher Jugend aufgenötigt wurde, nicht entledigt.

Anonym hat gesagt…

Nach dem europäischen Sommermonsun nun der sächsische Solarmonsun. Letzterer klingt auch besser.
Voraussetzung dafür ist natürlich eine größere (kühlere) Wasserfläche in der Nähe. Ob ein gefluteter Tagebau ausreicht, darf bezweifelt werden. Wenn natürlich der Anstieg des Meeresspiegels bis kurz vor den Solarpark stattfände, dann dürfen wir uns auf schönste Wechselwirkungen freuen.