Dienstag, 30. Juli 2024

Satirealarm: Gefälschte Kandidatin der Herzen

Eigentlich kennzeichnungspflichtig: Das von Elon Musk verbreitete höhnische Filmchen über die deutsche Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris.


Deniz Yücel hat es getan, damals, als Satire noch nicht kennzeichnungspflichtig war. Das war von Anfang an lange her, vor Jahren immer schon, denn die Formulierung vom "baldigen Abgang der Deutschen" als "Völkersterben von seiner schönsten Seite" hatte nicht nur den Schreibfehler bei "etwas besseres als Deutschland findet sich allemal" eingebaut, sondern auch den augenzwinkernden Hitlerverweis, dass "in der Mitte Europas bald ein Raum ohne Volk" entstehe.  

Unangebrachte Aufregung

Aufregung war nicht angebracht. Angriffe kleingeistiger Hass. Wer "den ganzen Text" (Correctiv) las, erkannte zweifelsfrei, dass nichts ernstgemeint war. Yücel wollte nur spielen, ein Spaß auf Kosten des Untergangspredigers Thilo Sarrazin. Nach Yücels Definition, locker angelehnt an Kurt Tucholsky und dessen These, dass Satire "alles" dürfe, wird jenes alles nur begrenzt von einer Regel: "Satire richtet sich nicht gegen Einzelne, sondern gegen Institutionen, nicht gegen die Schwachen, sondern gegen die Mächtigen".

Dass René Pfister beim renommierten Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" höhnische Witze auf den Ullstein-Verlag reißt, ist da nur folgerichtig. Wer ein "Spiegel"-Abo hat und "den ganzen Text" lesen kann, wird nicht zweifeln, dass Pfister seinen Aufruf zum konsequenten Canceln nicht nur der Bücher des womöglich kommenden US-Vizepräsidenten, sondern auch derer von Bosbach, Gysi und Bahr keineswegs ernst gemeint hatte. Der kurzzeitige Träger des Nannen-Preises kennt sich aus mit Krisen-PR. Und er weiß, dass eine durchaus ernstgemeinte Forderung ungeheuerlichen Inhalts sich problemlos nur formulieren lässt, wenn Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit bis zu jener äußersten Grenze bemüht werden, die die Satirerichtlinie zieht.

Goldrichtig und grundfalsch

Der Gott der Medien aber ist selbst ein Spaßvogel. Nur 48 Stunden nach Pfisters als "Kolumne" markiertem Applaus für die "goldrichtige" Entscheidung, den J.D. Vance Bestseller "Hillbilly Elegy" aus dem Ullstein-Programm zu werfen, schlägt der "Spiegel" Satirealarm. Elon Musk verbreite ein "Fake-Video von Kamala Harris auf X", das "wie ein Wahlwerbespot wirkt", aber "Kamala Harris lächerlich macht". 

Zu hören sei "eine Stimme", die nicht nur wie ihre, sondern sogar wie "ihre eigene klingt". Der Clip nutze "zum Teil die gleichen Bilder wie ein offizieller Wahlkampfspot von Harris". Und dazu sage Harris Sätze wie: "Ich, bin eure demokratische Präsidentschaftskandidatin, weil Joe Biden in der Debatte endlich seine Senilität offengelegt hat" und sie sei allein deshalb gekürt worden, weil sie eine Frau und der ultimative People of Color sei. So dass jeder, der sie kritisiere, sowohl Rassist als auch Sexist sei.

Alles wie echt

Von ihrem scheidenden Chef Joe Biden, so die gefälschte Harris, habe sie Regel Nummer eins gelernt: Verbirg deine komplette Inkompetenz und auch, dass es vor allem wichtig sei, die Wichtigkeit des Unwichtigen zu entdecken. Am Ende fragt die mögliche Kandidatin ihre Zuschauer schnippisch: Denkst du, das Land ist in den letzten vier Jahren vor die Hunde gegangen? Du hast noch gar nichts gehen. Dann lacht es mit diesem inneren Leuchten, das Kamala Harris so viele deutsche Sympathien eingetragen hat.

Jeder, der das Video bis zu diesem bitteren Ende gesehen hat, wird zweifellos überzeugt sein, dass Kamala Harris selbst dort spricht und lacht und ihre Wahlchancen zunichtemacht. Nicht jeder ist so gewieft im Umgang mit doppeldeutigen Botschaften wie die Redaktion des "Spiegel", der sich schon im Kampf um den Schutz der deutschen Außenministerin für eine strengere Auslegung der Satirefreiheit starkgemacht hatte. Nicht jeder kann anhand vager Vermutungen wie der, dass keine Präsidentschaftskandidatin den amtierenden US-Präsidenten "senil" nennen würde, darauf schließen, dass es sich hier wohl nicht um einen echten Wahlwerbespot handeln wird.

Sorgen über Sorgen

Dass Musk zwar auf den ursprünglichen Post verlinkt, der mit dem Hinweis "Ad Parody" versehen ist, selbst aber nicht noch einmal auf den satirischen Charakter hinweist, erfüllt die Hamburger Redaktion mit Sorge. 130 Millionen Mal wurde der Clips auf dem Account des X-Eigentümers angezeigt. Der "Spiegel" - verstärkt vom ZDF, n-tv, Karl Lauterbach und andereren besorgten Bürgern, wird noch viel und engagiert warnen müssen, um Schaden von der Kandidatur abzuwenden.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) wurde ihre Stimme täuschend echt nachgeahmt. Eigentümer Musk setzt sich damit offenbar über die Richtlinien seiner eigenen Plattform hinweg.

Ja offenbar, wer kennt sie schon genau, diese Richtlinien, liest doch kein Schwein, man klickt auf 'zustimmen' und legt los und die Meldung muss raus, keine Zeit, ewig zu recherchieren.
Der Musk muss sich nun offenbar selber den Account sperren.

Die Anmerkung hat gesagt…

Noch eine Satire vom Tage

STRAFANZEIGEN WEGEN HASSREDE
Es gibt kein Recht auf Beleidigung
Stand: 16:32 Uhr | Lesedauer: 2 Minuten
Von Philipp Vetter Wirtschaftskorrespondent

Robert Habeck hat Hunderte Anzeigen wegen Hassnachrichten erstattet. Ob man das für angemessen hält oder nicht – dass es so viele Anlässe gibt, beweist wie bestimmte Akteure die Grenzen des Sagbaren verschieben wollen. Dem muss man mit aller Härte entgegentreten.
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Jetzt kommt die Satire. Das ist der hier.

Mit Polt: Doch, gibt es.

ppq hat gesagt…

das bild ist offenbar von einer KI erstellt. das ist verboten! wie viele strafverfahren wurden aus den habeckanzeigen? wie viele anklagen? prozesse? verurteilungen? kommt das noch?

Anonym hat gesagt…

Das ist der hier

Eine widerwärtige Schmalzbacke, die geradezu danach schreit, mit der langen Lakritzstange kalt umgeformt zu werden.

Anonym hat gesagt…

Nur weil jemand aussieht, wie er aussieht, darf er trotzdem noch schreiben, was der Finanzier verlangt. (Politische Ausgewogenheit usw.)

Abgesehen davon:
Nach der Nazizeit kam der Wunsch alle Nazis aufzuhängen, einem Völkermord gleich, war also nicht umsetzbar. Von wem auch.
Nach der DDR: dito

Aber nach der Zeit der 11%-Partei, wenn sie nur noch von Unverbesserlichen 2 bis 3 % der Stimmen einfährt..? Da bekommt ein "Wir werden dich [...]" durchaus das Gewicht der Bedrohung mit einem Verbrechen.

In Anbetracht dessen, dass die sog. Ewigkeitsklausel den Art. 102 GG noch nicht einmal erwähnt, wäre sicherlich auch ein
"Du wirst deiner gerechten Strafe nicht entgehen."
nicht nur wegen der beleidigenden Vertraulichkeitsform heute mit harter Strafe bedroht.