Bis zuletzt forderte die Linke den Weiterbau, alle anderen Fans von Nord-Stream 2 hatten sich da schon als langjährige Kritiker des "Prestigeprojekts des Kreml" (Baerbock) zu erkennen gegeben. |
Erst war es ganz sicher der Russe, danach ganz lange niemand mehr. Als die Erdgas-Pipelines Nord Stream I und Nord Stream II im September vor zwei Jahren unversehens explodierten, herrschte selbst in Deutschland, dem Staat, der den unterseeischen Rohren seine Energieversorgung anvertraut hatte, nur einige Stunden lang helle Aufregung. Kluge Kenner der globalen Szene verwiesen auf Mahnungen, die es vorher nicht ohne Grund gegeben habe.
Keine Rücksicht auf Terroristen
Ein Krug, der trotzdem weiter zum Wasser gehe, breche dann eben. Der Bundeskanzler selbst, Chef aller Chefsachen, meldete sich zu Wort und ließ erkennen, dass Europas größte Wirtschaftsmacht diesen Anschlag auf einen Teil der kritischen Infrastruktur nicht ungesühnt lassen werde. "Da kann keiner auf Rücksicht hoffen", drohte Scholz in einer sommerlichen Audienz, die er ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern gewährt.
Unerbittlich jagte die Generalbundesanwaltschaft die sogenannten "Verursacher der Nord-Stream-Explosionen" (ZDF) seitdem, selbst noch, als Schweden, Dänemark und Polen die Ermittlungen rund um das krachende Ende eines Projektes eingestellt hatten, das nach neuerer Lesart als "einer der großen Irrtümer der Ära Angela Merkel" (T-Online) bezeichnet werden soll, obgleich es auf einer Idee der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer gründete.
Alles voller langjähriger Gegner
Erst als die Rohrleitung fertig war, wollte sie niemand mehr haben. Nicht einmal derjenige, der sie abgeschaltet hatte, wollte irgendwer sein. Dass die europäischen Versorger Uniper und die BASF-Tochter Wintershall Dea,die österreichische OMV, Frankreichs Engie Energy und der niederländisch-britische Multi Shell einst nicht ohne grünes Licht ihrer Regierungen in das Milliardengeschäft eingestiegen waren, hatte mit nichts zu tun, im Grunde genommen war es nie geschehen.
Die damalige Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock lieferte eine zeitgemäße Neuinterpretation der Pipeline als "Prestigeobjekt des Kremls" (Baerbock). Ihr Parteikollege Robert Habeck nutzte seine ersten Tage im Amt, um die von der Vorgängerregierung ausgestellte Bescheinigung einzukassieren, dass Nord Stream 2 "die Widerstandsfähigkeit des europäischen Gasversorgungssystems erhöhe". Was nicht passt, wurde passend gemacht, um das "fatale Projekt" (Baerbock) als "Wette gegen die europäischen Klimaziele" zu enttarnen, das es Europa unmöglich machen werde, seine Klimaziele zu erreichen.Grüne setzen ganz auf Gas
Eine wagemutige Ansage aus einer Partei, deren Energiestrategie im Ersatz von Kernkraft- und Braunkohlekraftwerken durch Gasturbinen besteht. Doch ab dem 26. September 2022 erübrigten sich gehässige Nachfragen: Unbekannte sprengten die Pipelines. Die Warnungen der Freunde in Übersee hatten sich bewahrheitet. Mehr musste niemand wissen, genauer wollte es sich auch niemand sagen lassen, schon gar nicht von einem amerikanischen Enthüllungsreporter. Die "Tagesschau" zeigte später zwar Fotos der Täter. Doch den Frauen und Männern, die im Verdacht der "verfassungsfeindlichen Sabotage (§ 88 des Strafgesetzbuches) und anderer Straftaten im Zusammenhang mit der Beschädigung der Nord Stream Gaspipelines in der Ostsee" stehen, kamen die Ermittler nicht näher.
Bis jetzt. Nun endlich, 640 Tage nach dem "schwerwiegenden Angriff auf die kritische maritime Infrastruktur" (NDR) sind die ersten Tatverdächtigen ermittelt, die ersten Strafen sogar schon ausgesprochen. Bereits im Februar hatten die Strafverfolgungsbehörden ihre Ermittlungen vom Sprengstoffattentat zur Vernichtung der Erdgasleitungen auf die Vorgänge rund um deren Bau ausgedehnt, weil der Verdacht im Raum steht, dass bereits die Errichtung von Nord Stream II "deutsche Sicherheitsinteressen verletzt" (Generalbundesanwalt) haben könnte. Die Bundesnetzagentur flankiert dieses Vorgehen gegen Verantwortliche der von der SPD geführten Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern jetzt mit einem harten Schlag gegen den Fernleitungsnetzbetreiber Gascade, "weil dieser fehlerhafte Werte zu Nord Stream 2 veröffentlicht hatte".
Bissiger zahnloser Tiger
Der Rechtsstaat, wegen seiner sichtlichen Ratlosigkeit angesichts der Probleme, die ein mögliches Ergreifen der Attentäter mit sich bringen könnte, von seinen Feinden lauthals verhöhnt, zeigt mit dem strengen Ahnden der infolge von IT-Problemen gemeldeten falschen Werte zu den Gasflüssen im August 2021, dass er nicht der zahnlose Tiger ist, für den ihn so mancher hält.
Nein, wo es passt, packt er zu. "Da kann keiner auf Rücksicht hoffen", wie Olaf Scholz prophezeit hatte. Die Gascade Gastransport GmbH, eine Tochtergesellschaft der Wiga Transport Beteiligungs-GmbH, die wiederum ein Gemeinschaftsunternehmen des eben nach Großbritannien verkauften letzten deutschen Öl- und Gasförderers Wintershall Dea und der bundeseigenen Berliner Firma Securing Energy for Europe ist, muss nun zahlen.
75.000 Euro.
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