Montag, 1. Juli 2024

Großer Bruder VAR: Die Totengräber des Fußballs

Der Bunker der Totengräber des Fußballs. Wie bei der EU geht es auch bei der Uefa um Machtableitung und Verantwortungsverdünnung.

Noch ist nicht immer alles unter Kontrolle, noch bleibt überall Verbesserungsbedarf. Nicht zuletzt wegen des zunehmenden Klimawandels, der aktuell nicht als Höllen- oder Hitzesommer, sondern als Starkregenflut daherkommt, müssen Aufsichtspflichten, Erwärmungsziele und Kohlendioxidlimits überarbeitet und angepasst werden. Mehr Druck ist bisweilen vonnöten. Mehr Betreuung und mehr Fürsorge für die Schutzbefohlenen, die allein kaum mehr in der Lage scheinen, sich am Leben zu erhalten.  

Im Auto fiept es enervierend, wenn zu schnell gefahren wird. Der feste Flaschendeckel zerkratzt die Oberlippe. Das Cookiebanner, das wieder, wieder und wieder aufploppt, zeigt, wie sehr sich die europäischen Institutionen um jeden Einzelnen sorgen. Der einfache Mensch als Empfänger all dieser Güte ist für Gängelung, Bevormundung und der Erlösung von der Last eigener Entscheidungen dankbar. Wie und was zu tun ist, sagt ihm eine Institution,. die kein Gesicht hat, keinen Namen, keine Telefonnumer und keinen Bedarf, sich zur Wahl zu stellen oder für Fehler geradezustehen. Genau dadurch macht sie nie welche. 

Allumfassendes Angebot

Die EU müht sich seit Jahrzehnten, immer mehr und intensiver in den letzten Jahren ein allumfassendes Angebot für ein betreutes Leben zu machen. Eigenverantwortung wird gezielt auf den unteren Ebenen abgebaut, an ihre Stelle tritt vom Privathaushalt bis hoch zu den Regierungen der Mitgliedsstaaten das Prinzip der bindenden Vorgabe: Die Kommission, von niemandem demokratisch gewählt, erlässt Richtlinien und Verordnungen, die vom EU-Parlament, der größten teildemokratisch gewählten Volksvertretung der Menschheitsgeschichte, als "Formsache" (DPA) durchgewunken werden. Dann sind sie da, und die nationalen Regierungen müssen "umsetzen" (Der Spiegel). 

Jede Frage danach, ob Innovationen wie der festgeschweißte Flaschendeckel, der Tempo-Piepalarm im Auto oder der mit Milliarden geförderte Aufbau von Filialen ausländischer Konzerne der Weisheit letzter Schluss sind, verbietet sich. Es ist das Gesetz! Es steht so geschrieben! Es muss so sein. Der unsichtbare Große Bruder in Brüssel hat es so gewollt. Und weil er das größte Friedensprojekt der Weltgeschichte ist, abgesehen von den Kriegen, die zwischendurch geführt werden mussten, sichert er bereits seit soundsovielen Jahren Wohlstand und Glück, ist Hinterfragen als Vorform von Zweifel verdächtig.

Verlagerte Verantwortung

Das Prinzip dahinter ist das einer Verantwortung, die so lange von der Ausführungsebene verlagert wird, bis niemand mehr verantwortlich ist. Baut der Bürgermeister ein verrückt teures Prestigeobjekt an eine vollkommen marode Straße, trifft er auf ehrliches Verständnis, wenn er erklärt, dass es zwar für einen neuen Glaspalast ohne wirklichen Zweck Fördergeld gibt, nicht aber für die Reparatur von Schlaglöchern. 

Gesteht ein Ministerpräsident, dass er auch gern anders würde, wegen der europäischen Regeln aber nicht kann, ist ihm Beileid sicher. Ebenso dem Bundeskanzler der größten europäischen Volkswirtschaft, der die Tätigkeit der EU und ihrer 32.000 Kontrollbeamten finanziert. Und nun schon seit Monaten bang wartet, ob die Allmächtigen ihm wohl die Erlaubnis geben werden, sein eigenes Geld in die Förderung einer - von US-Konzernen betriebenen - eigenen Chipproduktion zu stecken.

Der Fußball hat von dieser Machtableitung und Verantwortungsverdünnung gelernt. Bei der Fußball-Europameisterschaft führt der Kontinentalverband Uefa in diesen Tagen beispielhaft vor, wie sich Entscheidungen so weit anonymisieren lassen, dass jedes Verdikt am Ende wie ein Gotteswort aus dem Himmel kommt. Schiedsrichter, ehemals die Spruchberechtigten auf jedem Fußballplatz, tragen nur eine Pfeife spazieren wie deutsche Ministerpräsidenten ihre Amtswürde. Ob aber ein Tor ein Tor ist oder ein Elfmeter ein Elfmeter, das entscheiden dunkle Mächte ohne Namen, versteckt hunderte Kilometer entfernt in ein paar Baucontainern in Sachsen. 

Virtuelle Killer

Hier fummeln Techniker an Computersimulationen, die das einst so einfache Spiel der 22 Männern mit dem einen Ball in virtuelles Spektakel verwandeln. Kein Leben ist mehr darin, kein Jubel mehr unschuldig. Jeden Moment kann aus dem Bunker der "Video Assistent Referees" ein Kommando zurück kommen. Das Foul war dann kein oder kein Foul war doch eins oder der Ball drin oder der Zeh im Abseits. 

Das Fußballspiel stirb auf dem Seziertisch der Analyse per KI und GPS-Vermessung. Niemand ist mehr für nichts verantwortlich, weil alle ernsthaften Entscheidungen von gesichtslosen Instanzen in Brüssel Leipzig getroffen werden:  "Mehr als zehn" (Tagesspiegel) Bildschirme, Zugriff auf 40 Kameras und eine "halbautomatische Abseitstechnik". Fertig ist die Beerdigung des Fußballspiels, wie es die Welt bisher kannte.

Tod auf dem Seziertisch

Das Vorbild der Entführung der EU durch eine von keiner Wahl legitimierte Bürokratie schimmert bei jedem Rückspulbefehl aus dem nur "etwa 36 Quadratmeter großen Raum mit Fichtenholzwänden" (Tagesspiegel) durch, in dem drei namenlose Schiedsrichter unterstützt von "zahlreichen" Technikern Tore verhindern, Spiele entscheiden und Karrieren von Trainern beenden.

Wer genau vom sogenannten "Football Tech Hub" auf dem Messegelände in Leipzig welche Entscheidungen trifft, ist genauso unbekannt wie die Umstände, unter denen das "ordentliche Gesetzgebungsverfahren" der EU in der Praxis dafür sorgt, dass harte Auflagen für die Einhegung der Landwirtschaft genauso wichtig, gut und richtig sind wie deren Aufweichung und Abschwächung. 

Das Wunder der Anonymisierung sorgt dafür, dass keine Zweifel mehr möglich sind, weil sie ohnehin keinen Adressaten haben. Wie die 460 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU jede noch so wirre EU-Vorschrift und jede noch so übergriffige Einmischung in ihre privaten Angelegenheiten hinnehmen, so akzeptieren Fußballfans die Ansagen aus dem VAR-Gericht. Was niemand in echt gesehen hat, wird als Computeranimation Wirklichkeit. Der millimetergenaue Laserscan ersetzt das unmittelbare Erleben. Die Vermessung von Videoaufnahmen entscheidet über Torjubel, Tränen und Turnierende.



6 Kommentare:

Gerry hat gesagt…

Seelenlos und bizarr. Der Zauberlehrling lässt grüßen. Immer wieder hört man, dass dieser und jener nach 2014 das Thema abschaltete, da bin ich nicht der Einzige. Der Schwung, welcher 1954 Fahrt aufnahm, wird noch ne Weile anhalten, bis er sich tot gelaufen hat.

(Mit der Hacke im Abseits, alles klar und deswegen kein Tor. Dann Elfmeter wegen angeschossener Hand - der Dänenwikinger hat bestimmt auch die Schnauze voll vom Irrsinn)

ppq hat gesagt…

so ist das. ehe nicht jedes leben aus dem spiel entfernt worden ist, kann es nicht bis zum ende durchgeplant durchlaufen.

wie peinlich war es denn, den italienern 8 minuten zusätzlich geben zu müssen, damit nicht ein großer kunde raus ist. und den engländern sechs, mit sie dem turnier erhalten blieben

irgendwer hat gesagt…

Dazu 3 Schlagzeilen.

"FA-Boss David Triesman tritt zurück"
(Seine Ex-Partnetin hatte eine private Konversation mitgeschnitten, wonach schon ausgemacht sei, dass Spanien 2010 Fussballweltmeister werden würde.)

"WM 2010: Schiedsrichter - WM der Fehler"
(Christiano Ronaldo spuckte nach Spanien - Portugal sogar vor dem Unparteiischen aus... Pfui, Herr Ronaldo!)

"SPANIEN IST FUSSBALLWELTMEISTER 2010!!!"

Wobei ich natürlich nur gaaanz launig eine Korrelation aufzeige, die MEILENWEIT von einer Kausalität entfernt ist, so weit, dass die Behauptung einer Kausalität schon regelrecht absurd lächerlich wirkt.
Und alle Fifi und Ulfi Turniere auf mich trotzdem interessant wie Showwrestling wirken. Könnse mal sehen, wie dumm ich bin.

Die Anmerkung hat gesagt…

Das hieße, die Spannung der Fußballerei liegt demnächst nur in der Frage, was sich die UEFA diesmal hat einfallen lassen, damit die BRD das Spiel gegen Spanien nicht verliert, wenn sie da sie es eh nicht gewinnen können.

irgendwer hat gesagt…

Das hübsche an dieser Gedankenspielerei ist ja, dass es ja auf der einen Seite spannend wäre, wie sie es nun hinbiegen wollen - und dann zuguterletzt dann vielleicht doch das Stückchen Glück die Befehle aus dem Führungsbunker nihiliert.

Aber ein Spiel mit 11 roten Karten für eine ("National"-) Mannschaft wäre auch irgendwie ganz witzig. Wenn man Fussball nicht gar so ernst nimmt.

PS: Hat die Uefa eigentlich eine eigene Fahne, die man schwenken könnte? Denn die gewinnt doch im Grunde immer.

Die Anmerkung hat gesagt…

Videobeweis, Chip im Ball, KI

Wir brauchen die absolute Totalüberwachung des Fußballs

https://www.spiegel.de/sport/fussball-em-2024-wir-brauchen-die-absolute-totalueberwachung-a-df525c04-0657-452a-bfc3-341c4f6ac3af