Dienstag, 9. Juli 2024

Fußball weiß wie Schnee: Von wegen Vielfalt

Eine neue Studie das Bundesblogampelamtes (BBAA) zeigt, dass das Bild, das Deutschlands Gemeinsinnsender von der Euro 2024 zeigen, viel zu weiß und nur wenig divers ist.
 

Es sollte das Fußballturnier der Vielfalt werden, divers und bunt, dazu aber auch nachhaltig und mit viel Spaß für alle Völker der Welt. Deren Eigenheiten prägen die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland - hier sind die Holländer, die in ihren Holzschuhen von einer Straßenseite zu anderen tanzen und sich schwarz anmalen. Dort sind die Albaner, die ihren Krieg gegen Serbien auf den Rängen fortführen. Und da die Deutschtürken, deren in deutschen Kindergärten erlernter "Wolfsgruß" nun jedermann und überall bekannt ist als Äquivalent zu Hitlergruß und dem Gruß der Jungen Pioniere in der DDR.

Drei Euro-Staaten im Halbfinale

Die Turnierpräsentation war ebenso gelungen. Vom deutschen Auftaktsieg gegen Schottland, der ein im Glauben an sein eigenes Können und Wollen wankendes, schwankendes Land mit dem versöhnte, was von der einst so ideologisch aufgeladenen "Mannschaft" der Katar-WM übriggeblieben war, bis zum Ausscheiden durch den feigen Verrat eines Nicht-EU-Engländers stimmte alles. Triumphe, Tränen, drei Euro-Staaten im Halbfinale. Vom einfachen Mann des Volkes, der etwa als simpler Koch bei McDonalds arbeitet, bis zur angestrengt für das Wohl der Welt wirkenden Ministerin freuten sich alle mit. Was für ein Sommermärchen! Wie wenig die Last auf einmal wiegt, die die ewige Sorge um Klimaschutz und Krieg uns ansonsten auferlegt.

Dass längst noch nicht alles Gold ist, was Deutschland den Völkern der Welt als sein freundliches Gesicht zeigt, bekommen zum Glück nur jene Fans mit, die dem Fußballrausch widerstehen und die Präsentation des zweitgrößten Sportereignisses des Jahres mit analytischen Augen betrachten. Herrnfried Hegenzecht vom Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin ist so ein Fan. Er fiebere mit, sagt der Dienstherr der vor sieben Jahren im Kampf gegen Hetze, Hass und Zweifel gegründeten Meinungsfreiheitsschutzabteilungen (MFSA), "doch ein Auge habe ich immer darauf, dass die Meinungsfreiheit in den Grenzen dessen gewahrt wird, was uns möglich ist".

Tiefe gesellschaftliche Eunden

Nicht immer sind es deutliche Verstöße, Wolfsgrüße oder Nazi-Tätowierungen ehemaliger Nationalspieler, deren Rücktritt einst eine "tiefe gesellschaftliche Wunde" riss, weil sie ihren Integrationsbambi mit ins Ausland nahmen. Herrnfried Hegenzecht geht es eher um die subtilen Signale, um all das, was fehlt, weil die Gesellschaft nach rechts gerückt sei und "unsere Politiker ihr Fähnchen einmal mehr in den Wind hängen", wie Deutschlands höchster Meinungsfreiheitssschutzaufseher formuliert, der im Herbst in sein letztes Dienstjahr eintreten wird. 

Es gebt keine Regenbogenbinden, selbst nicht bei den zahlreich auf den Tribünen anwesenden Politikern, kritisiert Hegenzecht, niemand wage sich überhaupt mit einer deutlichen Klimabotschaft hervor oder rufe zum zivilen Ungehorsam gegen eine Großveranstaltung, deren CO₂-Fußabdruck sogar größer ist als der von vier Uno-Klimakonferenzen. 

Generation Stoßbrigade

Selbst die Letzte Generation als Stoßbrigade der Großen Transformation habe zuletzt lieber ein Kunstwerk des von den Nazis als "entartet" eingestuften Bildhauers Gerhard Marcks mit Farbe beschmiert, um vor dem Hintergrund des von Israel geführten Krieges gegen die Menschen im Gaza-Streifen gegen dessen Einsatz für Juden zu protestieren, statt die Uefa, das deutsche Organisationsbüro und die Firmen anzugreifen, die das Spektakeln finanzieren.

Kein gutes Haar aber lässt Herrnfried Hegenzecht insbesondere am Gemeinsinnfunk, der Gebührengelder in geheimgehaltener Millionenhöhe für eine Unterlizenz der Ausstrahlungsrechte an die staatseigene Deutsche Telekom gezahlt hat, dafür jedoch "nicht liefert, was wir als Steuerzahler erwarten können", wie Hegenzecht schroff urteilt. 

Ein falsches Gesellschaftsbild

Denn, sagt er, "welche Gesellschaft soll das abbilden, was uns da gezeigt wird?" Es begänne mit den sogenannten "Mainzelmännchen", den ZDF-Maskottchen, die im Umfeld der Spiele ein Bild von einem Deutschland zeichneten, das es längst nicht mehr gibt. "Fünf weiße Männer werden da vorgeführt", klagt Hegenzecht, dessen BBAA in einer ersten Untersuchung über den Mangel an Vielfalt in der EM-Berichterstattung zu einem vernichtenden Urteil kommt: Bei den "Mainzelmännchen" sind 100 Prozent der abgebildeten Akteure männlich, weiß und cis-sportlich. 

Und auch in den Fernsehstudios, in denen die Spiele vor Anpfiff und nach Abpfiff zerredet werden, sieht es nicht anders aus:  Insgesamt 87 Diskutanten, Co-Moderatoren, Ansager und Experten zählten die Beamten des BBAA. Alle seien fernab der Öffentlichkeit ausgewählt worden und wegen fehlender gesetzlicher Vorschriften zur Diversität "nahezu sämtlichst Angehörige einer kleinen Kaste von miteinander bekannten, befreundeten und über gemeinsame Interessen verbandelten Personen", wie es in der neuen Studie "Average diversity in public explanation positions in radio" belegt. 

Überrepräsentierte Schiedsrichter

Große Gruppen der Gesellschaft würden dadurch ausgeschlossen. So seien beispielsweise frühere Fußballer und Frauenfußballspielerinnen, die weniger als ein Prozent der Bevölkerung ausmachten, 72-mal häufiger in TV-Expertenrunden vertreten als Eingewanderte und ihre Nachkommen, die mehr als 27 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Auch hätten frühere Schiedsrichter, die nur eine ganz, ganz kleine gesellschaftliche Randgruppe seien, durch ihre übermäßige Präsenz in den Fernsehstudios schon allein zahlenmäßig mehr Einfluss auf die Richtung der gesamtgesellschaftlichen Diskussion als zivilgesellschaftliche Fanorganisationen, Sportmediziner und Vereine, die sich für einen sauberen, gerechten Sport starkmachen.

Für Herrnfried Hegenzecht ist das eine prinzipielle Frage. "Die Debatte darüber, wer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auftritt und wer nicht, gehört in die Öffentlichkeit und nicht hinter die verschlossenen Türen der Redaktionen", sagt er. Gerechte Repräsentation scheitere in der Regel nicht am Willen der Zuständigen, sondern an einem blinden Fleck in deren Wahrnehmung, der durch kulturelle Erziehung und völkische Abstammung entstehe. "Es gibt ja keinen Mangel an Möglichkeiten, auch andere Stimmen zu Wort kommen zu lassen, sondern nur einen fehlenden politischen Willen, das so vorzuschreiben." 

Appell an unabhängige TV-Aufseher

Mit der Ernennung von Gerda Hasselfeldt, früher Bundesministerin, Vize-Präsidentin des Bundestages und CSU-Landesgruppenchefin in Berlin zur Vorsitzenden des seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes streng politisch unabhängigen ZDF-Fernsehrates knüpft Herrnfried Hegenzecht größte Hoffnungen. "Ich glaube, unser inständiger Appell, mehr Vielfalt zu ermöglichen, wird bei Frau Hasselfeld auf offene Ohren treffen." 

Die Straubingerin, die sich nach 45 Jahren professioneller Politikerfahrung mit 72 Jahren noch etwas Ansehen als Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes dazuverdient, werde die Ausarbeitungen aus der BBAA sicher aufmerksam lesen. "Ich bin sicher, dass wir entsprechende Änderungen an der Gesamtausrichtung dann schon bald sehen werden und dann viel buntere Botschaften über die Sender gehen."


1 Kommentar:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> mit einer deutlichen Klimabotschaft

Kam heute Manfred Haferburg um die Ecke.

>> Frauenfußballspielerinnen ... in TV-Expertenrunden vertreten

Sobald eine Frau am Mikro den Mund über Fußball aufmacht, habe ich die Fernbedienung schneller gedrückt, als die das erste Wort gekreissägt hat.