Dienstag, 16. Juli 2024

Flachkräftemangel: Weltherrschaft der Greise

Nicht nur ältere, sondern ausschließlich alte Leute bestimmen heute über die Geschicke der Welt.


In den USA müssen zwei Greise noch mal ran, in Russland steht ein rüstiger, aber womöglich todkranker Despot vor seiner nächsten Amtszeit. In der Türkei, in Thüringen, aber auch in Polen und Brüssel ist es das Gleiche: Es fehlt an Nachwuchs überall, an allen Fronten müssen Männer und Frauen im Rentneralter immer wieder ran. Etliche Ministerpräsidenten in Deutschland sind über das derzeit noch geltende Ruhestandsalter längst hinaus, auch die Chefin der Europäischen Zentralbank ist eigentlich bereits Rentnerin, der Nato-Chef steht kurz davor und der Uno-Chef sowieso.

Weltherrschaft der Greise

Überall, wo Menschen Tätigkeiten ausfüllen, die sie dank ihrer verantwortlichen Stellung immer wieder auf die Fernsehschirme bringen, fehlt es an Nachwuchs. Die Situation ist offenkundig noch schlimmer als in der Wirtschaft, in der Bildung und im Sozialbereich. Dort fehlen Fachkräfte, in der Politik hingegen herrscht ein gravierender Flachkräftemangel: Frauen und Männer, die der Großteil der Bevölkerung nur als zweidimensionale Fernsehfiguren kennt, sind durchschnittlich ein Vierteljahrhundert älter als die Bürgerinnen und Bürger vor den Fernsehschirmen. Bundeskanzler Olaf Scholz gilt mit 65 Jahren schon als einer der jüngeren unter den Verantwortlichen, ist mit 54 ein echter Nachwuchskader und FDP-Chef Christian Lindner mit 45 quasi noch grün hinter den Ohren.

Die Zeiten, als Mittfünfziger die Weltpolitik prägten, sind vorbei. Unvorstellbar erscheint es heute, dass es eine Ära gab, in der ein Mittfünfziger wie Gerhard Schröder Kanzler wurde, ein kaum 40-Jähriger wie Emmanuel Macron französischer und ein Enddreißiger wie Barack Obama US-Präsident. Der Flachkräftemangel, wie Politologen das Phänomen der enorm alternden Eliten nennen, droht zur zentralen Wachstumsbremse zu werden: Führungsfiguren, die mehr als zwei Drittel ihres Lebens hinter sich haben, bestimmen zunehmend über eine Zukunft, die zu erleben ihnen selbst nicht mehr vergönnt sein wird. "Ihre Entscheidungen", erklärt der Altersforscher Ben K. Thaler, "haben damit Einfluss auf alle, nicht aber auf sie selbst."

In weiten Teilen gleich die Situation heute der in den überreifen Gesellschaften des sogenannten sozialistischen Lagers in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. "Wer kennt nicht den Witz, dass die Tagungen des sowjetischen Zentralkomitees der KPdSU mit dem Hereintragen der ZK-Mitglieder begann." Und wem fielen angesichts dieses Witzes heute nicht aktuelle Parallelen ein.

Alle sind alt, uralt

Bei einem eintägigen Flachkräfte-Kongresses in Danzig haben Parteien, Verbände, Institutionen und Akteure aus der Zivilgesellschaft das Problem jetzt diskutiert. Zur Sprache sei dabei auch gekommen, sagt Ben K. Thaler, dass sich das Problem aus dem politischen Bereich inzwischen bis in die Gesellschaft gefressen habe. "Auch der Chef der Deutschen Umwelthilfe, einer recht bedeutsamen Non-governmental organization, ist bereits im Rentenalter, der Vorsitzende des BUND und die Vorsitzende des DGB stehen kurz davor." Es handele sich allerdings keineswegs um ein rein deutsches Problem. "Doch obwohl zumindest Parteien wie die SPD und die Grünen eine ausgezeichnete Nachwuchsarbeit haben, lässt der unter normalen Umständen bereits überfällige Generationswechsel bisher auch hier auf sich warten."

Anderswo sieht es noch übler aus. In den USA, in Russland, in der Türkei und in Ungarn halten ältere Männer schon seit vielen Jahren das Zepter in der Hand. Auch die EU sei mit dem Wechsel von Jean-Claude Juncker (70) zu Ursula von der Leyen (65) "nicht gerade in einen Jungbrunnen gefallen", schmunzelt der studierte Geriatriker bitter. Thaler verweist darauf, dass es in Deutschland 46 Millionen zum Teil gut ausgebildete Erwerbstätige gebe und damit so viele wie noch nie. 

Gesellschaft hat ein Riesenreservoir

"Auch wenn bis 2035  sieben Millionen Arbeits- und Fachkräfte zu ersetzen sind, bleibt ein Riesenreservoir, aus dem wir schöpfen könnten." Bewusst zähle er auch die 1,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne berufliche Erstausbildung bei dieser Rechnung mit. "Mancher meint zwar, dass die wohl nicht infrage kämen, aber es gibt genügend Beispiele, dass wir nicht auf sie verzichten müssen." 

Gerade mit Blick auf die nähere und fernere Zukunft sei es umso wichtiger, jungen Menschen die Chance für einen Aufstieg in politische Führungspositionen nicht zu verbauen. "Uns fehlen die Hände und Köpfe", hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor Monaten schon beklagt und gefordert,  "mögliche Hürden zu beseitigen". Je länger die Gesellschaft sich die globale Herrschaft der Rentner aufzwingen lasse, umso härter werde der Bruch, der dann eines Tages weltweit von unerfahrenen, in Führungspositionen weitgehend ungeübten Politikern aufgefangen werden müsse.

"Daher plädiert die Wissenschaft schon lange für eine harte Altersgrenze in der Politik", sagt Ben K. Thaler, "denn in den kommunistischen Staaten hat sich ja gezeigt, wohin es führt, wenn die Plätze oben nicht geräumt werden, so dass von unten nichts nachkommen kann."


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Was ist denn das nun wieder für Sektenscheiß?!?!