Sonntag, 7. Juli 2024

EU-Hoffnungsträger Mélenchon: Wer solche Freunde hat

Zeigt den Feinden Frankreichs den Rüdiger-Finger: Jean-Luc Mélenchon. Abb: Kümram, Fingerfarben auf Pappe

Wenigstens ist Jean-Luc Mélenchon kein Rechter oder ein Spross einer "trüben Familiendynastie"! Ein EU-Gegner ja, jemand, der die europäischen Verträge vollständig neu verhandeln, den Stabilitäts- und Wachstumspakt abschaffen und ein Referendum zum Fraxit Frankreichs aus der EU durchführen will. Auch mit der Nato, das soll so nicht weitergehen. Und die Umsetzung des Hades-Plans, der Deutschland perspektivisch zu unumschränkten Herrschaftsmacht in Europa machen soll, die will der 72-jährige "Deutschland-Hasser" (Euronews) auch stoppen. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ er jedenfalls wissen, dass ihr guter Rat nicht gefragt ist: "Maul zu, Frau Merkel! Frankreich ist frei".

Führer einer Neuen Volksfront

Ein nationalistischer Spalter, ein brutaler Populist und Anhänger von Voodoo-Wirtschaftstheorien, wie sie in Deutschland der bekannte Inflationsfan Marcel Fratzscher vertritt. So einer solle Frankreich und soll damit auch Europa retten? Er muss, denn überall in der EU sind dem demokratischen Block zuerst die eigenen Mehrheiten und dann die seriösen Verbündeten abhandengekommen. 

Und gemessen an der Alternative, sind Mélenchons ideologische Eigenheiten Petitessen, unwesentliche Details wie der Umstand, dass jedermann den studierten Philosophen einen "verurteilten Verbrecher" (Stern) nennen könnte, seit er von einem Gericht wegen Rébellion gegen die Staatsgewalt, Provokation und der Einschüchterung von Amtspersonen zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe sowie einer Geldstrafe von 8.000 Euro verurteilt wurde. 

Tut niemand, denn seit Emmanuel Macrons Fehlentscheidung, dem Volk nach der verlorenen EU-Wahl die Chance zu geben, ihn als ihren Präsidenten zu stärken, muss zusammenstehen, was auf der richtigen seite der Brandmauer übrig ist: Macrons Liberale, dazu Mélenchons "Neue Volksfront", ein Name, der einer deutsche Partei vermutlich noch an ihrem Gründungstag einen Eintrag im Verfassungsschutzregister verschaffen würde.

Reihen fest geschlossen

Im Kampf gegen den Verlust des zweitgrößten und dank seiner Atomraketen mächtigsten EU-Landes schließen sich die Reihen gegen rechts. Der Mann, der einst als "Anti-Macron" höchste Besorgnis auslöste, dass er es ernst meinen könne mit der Lösung der Westbindung Frankreichs, leuchtet im drohenden Schatten des Erfolges von Marine Le Pen wie eine Lichtgestalt: Wie in Deutschland Sahra Wagenknecht mit ihrer Privatpartei neben der "in Teilen als gesichert rechtsextrem" (BWHF) AfD wirkt der radikale Sozialist mit seinen Plänen von der Umverteilung nicht existierenden Billionen, einer Senkung des Rentenalters auf 60 Jahre und einer Beschäftigungsgarantie für Langzeitarbeitslose als kleineres Übel. 

Ein bisschen Nationalismus, ein bisschen Antisemitismus, die Verbreitung wilder Verschwörungstheorien wie der vom "oligarchischen System", das überall auf der Welt versuche "demokratische Wahlen zu manipulieren und kleine Macrons als Präsidenten zu installieren", kränkeln die deutsche Liebe zu Mélenchon nicht an. Dass der neue Verbündete der Freunde Europas behauptet, das "oligarchische System" schrecke zum Machterhalt nicht einmal davor zurück, islamistische Terroristen zu instrumentalisieren, würde zweifelsfrei zu einem Aufschrei der gesamten politisch-medialen Klasse führen, wäre der Absender Marine Le Pen, Giorgia Meloni, Geert Wilders oder Alice Weidel. Den Visionär aus Paris, der nach seinem Einzug in den Élysée-Palast umgehend 200.000 neue Beamtenstellen schaffen will, macht es hingegen nicht unsympathischer.

Es geht um alles

Es geht um mehr, denn es geht wieder einmal um alles. Damit "die Franzosen" (Die Zeit) der Familie Le Pen und deren Partei am kommenden Sonntag erneut den Aufstieg an die Macht "verstellen" können, müssen nun alle mit allen zusammenarbeiten, die nicht zu denen gehören, die nicht dazugehören, sondern das "desillusionierte Land" (NZZ) nur spalten wollen. Lars Klingbeil, der Chefideologe der SPD, hat in einem Lehrfilm bereits versucht, die Volksfront-Idee auf Deutschland zu übertragen. Wenn es im Spätsommer in Thüringen, Brandenburg und Sachsen ins Endspiel um den Osten geht. Alles, was nicht rechts ist, muss dann zusammenstehen, um zusammen zu regieren. Mit dem einen einzigen Ziel, dass es die anderen nicht tun.

Es ist die letzte Linie der Verteidigung einer "Brandmauer", die eines Tages nicht überrannt werden wird, weil sie bis dahin von selbst ermüdet eingestürzt sein wird. Das Rezept, Anderswählende auszugrenzen, sie in der öffentlichen Diskussion stummzuschalten und ihnen überall mit empörtem Gebrüll zu begegnen, funktioniert, so lange eine sehr große Mehrheit zuschaut, wie eine größere, etablierte Minderheit eine kleinere, machtgierige von den Fleischtöpfen der Verantwortung fernzuhalten versucht. Doch die Geschichte der Grünen zeigt, dass es nur Zeit braucht, bis die taktischen Vorteile, die ein neuer Mitspieler den alteingesessenen bringt, das ideologische Unbehagen überwiegt. 

Immer buntere Koalitionen

Die Koalitionen werden vorher schon bunter, jeder kann mit jedem, so lange dieser eine Bestimmte damit ferngehalten werden kann. In  Frankreich macht Emmanuel Macron gemeinsame Sache mit  einem Illusionskünstler, der seine Wählern einen Mindestlohn von 1.700 Euro in Aussicht stellt, und denen, die trotzdem noch arbeiten wollen, eine Wochenarbeitszeit von nur noch höchstens Stunden. Finanziert aus höheren Steuereinnahmen bei den Reichen: Die sollen in Mélenchons neugegründeter 6. Republik 90 Prozent ihrer Einkünfte an den Staat abtreten, in dem dann neue Wohlfahrtsausschüsse unter dem Namen "Versammlung der Volksintervention und für Langzeitfragen" über die Verteilung bestimmen.

Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr. Mélenchon ist Fan von Fidel Castro, Hugo Chávez und Nicolás Maduro, er schwärmt für die totalitären Systeme der letzten versprengten Kommunisten und wirft Israel vor, sich viel zu entschlossen gegen die Angriffe der Hamas-Terroristen zu verteidigen. Wie die Linke in Deutschland macht Jean-Luc Mélenchon die von Feinden umgebene und seit Jahren täglich mit Raketen beschossene einzige Demokratie im Nahen Osten für den Unmut verantwortlich, den ihr wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erfolg bei den failed states ringsum erregt. Wer für Solidarität mit Israel demonstriere, unterstütze "das Massaker in Gaza ohne Wenn und Aber", hat Mélenchon nach einem auch in Deutschland überaus beliebten Erklärmuster gesagt. Und stattdessen "gegen den Krieg in Gaza" demonstriert.

Hohe Dosen Populismus

Unverkennbar zeigt hier die Wagenknecht-Linke Gesicht. Gegen den Krieg geht immer, für den Frieden sind alle gern. Gewürzt mit hohen Dosen fürsorgender und betreuender Sozialpolitik, den Feindbildern Unternehmer, Manager und Reicher und gezuckert mit Versprechen grüner Umweltpolitik, nationaler Entscheidungen und einem Reichtum für alle, der aus Umverteilung und Neuverschuldung kommt, spricht Mélenchons linker Populismus dieselbe Sprache, die auch Sahra Wagenknecht benutzt. Der ist in Thüringen, Sachsen und Brandenburg demnächst auch dieselbe Funktion zugedacht: Mehrheitsbeschaffer für die abgewählten Parteien der demokratischen Mitte im Tausch gegen einen Zipfel der Macht.

Mit höchster Aufmerksamkeit werden die Strategen aller deutschen Parteien zuschauen, wie Macrons Rettungsplan des Schulterschlusses aller mit allen zur Mehrheitsbeschaffung gegen den Rassemblement National an den Wahlurnen funktioniert. Sind Wähler bereit, wirklich nur noch zu wählen, damit jemand nicht gewählt wird? Lassen sie sich vom Versprechen einfangen, alles werde gut, wenn sich nur alle um die Neue Volksfront versammeln?

Merkel solle sich besser um die Armen in ihrem eigenen Land und die ruiniöse Infrastruktur Deutschlands kümmern.[44]


1 Kommentar:

irgendwer hat gesagt…

"Mehrheitsbeschaffer für die abgewählten Parteien der demokratischen Mitte im Tausch gegen einen Zipfel der Macht."

Da könnte bei einer neuen Partei recht schnell die Fdpisierung einsetzen. Zumal einige zwar BSW wählen, aber eine "Kommunistische Plattform Deutschlands" meinen.
Aber sich evtl. bei dem Gedanken halbtotkichern, dass die CDU den Steigbügel hält, um dann vom hohen Ross herab Prügel zu beziehen... Oh.. das klingt ja recht doppeldeutig. Dann kann ich es ja so stehen lassen.

Andererseits wirkt das gerade im Osten verbreitet gewesene "Rabattmodel" "BSW", bei welchem teilnehmende Anbieter Waren und Dienstleistungen weit über Marktpreis an teilnehmende Kunden verkauften, Kunden, die für die Teilnahme am System auch noch eine regelmäßige, erhebliche Gebühr bezahlten, auch nicht als abschreckendes Menetekel.