Sonntag, 14. Juli 2024

Erbsünde: Der Staat als Robin Hood

Mit einem Grunderbe von 200.000 Euro könnte die ungleiche Vermögensverteilung binnen von nur 25 Jahren vollständig beseitigt werden.


Es sind 400 Milliarden Euro, an die kein Herankommen ist. Beinahe die Hälfte dessen, was Vater Staat im Jahr an Mitteln ausgibt, die er zu einem großen Teil gar nicht hat, könnte er sich zusätzlich beschaffen, wenn er nur den anstrengungslosen Wohlstand derer streng besteuern könnte, die von ihren Vorfahren erben. Reiche Mittelständler, Millionäre und - bedingt durch den Wertverfall der Währung - sogar immer Milliardäre reichen Jahr für Jahr eben diese 400 Milliarden Euro in ihren Familienverbänden weiter.

Mehr Gerechtigkeitsförderung

Das verstärkt die Vermögensungleichheit in Deutschland, die ohnehin groß ist. Er lässt die Deutschen aber auch im Vergleich zu den vielen europäischen Nachbarn arm aussehen. Kaum sonst irgendwo auf dem Kontinent haben Haushalte im Durchschnitt so wenig auf der hohen Kante. Selbst in Malta, Irland und Zypern verfügen die Menschen über dreimal so hohe Rücklagen, obwohl die Staatsquote dort so niedrig ist, dass die jeweiligen Regierungen kaum Möglichkeiten haben, gerechtigkeitsfördernde Maßnahmen in einem Maß durchzuführen, wie sie Deutschland seit Jahrzehnten erfolgreich realisiert.

Die SPD steht für Gerechtigkeit.

"An Geld mangelt es nicht", sagt Herbert Haase, der am Climate Watch Institut (CWI) im sächsischen Grimma Methodenforschung zur Egalitätsdurchsetzung betreibt. Bei der Untersuchung der Geldflüsse ist das Team des Gerechtigkeitsforschers der Ursache auf die Spur gekommen: "Erbschaften spielen dabei eine entscheidende Rolle", ist der studierte Moralist sicher, der die aktuelle Praxis des Umgangs vom sterbefallbedingten Vermögensübertagungen eine "Todsünde" nennt.

Alle elf Minuten würden in Deutschland derzeit acht Millionen vererbt oder verschenkt, ohne dass der Staat, der mit seinen Dienstleistungen erst für eine problemlose Durchführung dieser Transaktionen sorgt, einen angemessenen Anteil erhält. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte schon vor Jahren auf das Problem hingewiesen: "Da hängt was schief in Deutschland, wir wollen das geraderücken", kündigte sie Veränderungen an, sobald die SPD Regierungsverantwortung habe. 

Für Haase eine Unabdingbarkeit. Zwar fehlen genaue Zahlen, weil es keinen amtlichen Statistiken über von Erben quasi legal hinterzogene Steuern gibt. Doch allein im Jahr 2022 registrierten die Finanzverwaltungen in Deutschland Vermögensübertragungen durch Erbschaften und Schenkungen in Höhe von 101,4 Milliarden Euro. Dazu kommt ein noch dreimal größerer Teil, der gar nicht erfasst wird, weil frühere Gesetzgeber argumentierten, es handele sich bereits versteuerte Vermögen, die nicht nur wegen der Weitergabe an Erben noch einmal besteuert werden könnten.

Höhere Steuern dienen allen

"Warum denn aber nicht?", fragt Haase. Der Wissenschaftler verweist auf die traditionelle Rechtspraxis, nach der auch bereits versteuerte Waren beim Weiterverkauf erneut versteuert würden. "Dass ein Großteil aller Erbschaften steuerfrei bleibt, dient nur einzelnen, nicht dem Gemeinwesen", urteilt er. Mit Blick auf die dauerklammen öffentlichen Kassen seit dem Verfassungsgerichtsurteil zur Schuldenbremse könne sich der Staat eine solche Großzügigkeit nicht länger leisten. "Es ist doch geradezu pervers, dass die teils hohen Freibeträge für die Hinterbliebenen und die Verschonung von Betriebsvermögen als selbstverständlich angesehen werden, obwohl das Geld woanders dringender gebraucht würde." 

Es würde keine Armen treffen, ist Haase sich sicher. In einer Studie aus dem Jahr 2017 schätzen Fachleute, dass Menschen aus dem untersten Einkommensfünftel im Mittel ohnehin nur 12.000 Euro vererben. Im mittleren Einkommensfünftel seien es auch nur 52.300 Euro, bei den Superreichen dagegen im Durchschnitt fast 250.000 Euro. Arme müssten dadurch über 20 Generationen erben, um nach 500 Jahren zu dem Geld zu kommen, das Superreiche in die Wiege gelegt bekommen. Selbst das mittlere Drittel benötige noch fünf Generationen, ehe der ersten Nachfolgegeneration das Startkapital zur Verfügung stehe, das unter den besonders Wohlhabenden jeweils nach 25 oder höchstens 40 Jahren weitergegeben werde. 

Aus dem Teufelskreis

Um den Teufelskreis zu brechen, gebe es viele Möglichkeiten, "das geht vom Grunderbe über eine staatliche Daueralimentierung für junge Arme bis hin zum Helikoptergeld". Voraussetzung sei aber immer, dass der Staat sich endlich an die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung heranwage, die wie schon in der DDR  über mehr als zwei Drittel des gesamten Privatvermögens verfügen.

"Würden wir die Erbschaften nur entschlossen mit dem ganz normalen persönlichen Steuersatz der Empfänger belegen, wären Mehreinnahmen von 150 bis 200 Milliarden Euro im Jahr möglich." Beim reichsten Prozent der Bevölkerung, das sagenhafte 35 Prozent des Privatvermögens in Besitz hat, könnte ein zusätzlicher Solidaritätszuschlag zum Tragen kommen. "Und bei den die reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung, das auf einem Fünftel aller Vermögen sitzt, schlagen wir einen Gerechtigkeitsbonus vor, mit dem die Betreffenden sich am Ausbau gerechter Verhältnisse beteiligen können." Ein kräftiges Zulangen treffe hier nur wenige, so dass große Proteste nicht zu erwarten seien.

200.000 Euro Grunderbe

Und das Geld wäre gut angelegt, glaubt der Forscher, der dem Sparkurs der Ampelkoalition Ende vergangenen Jahres mit einer Handreichung zum Ausbau der Steuerbasis den theoretischen Unterbau geliefert hatte. Das schon mehrfach vorgeschlagene Grunderbe etwa, ein staatliches Startkapital an jungen Menschen, das jeweils 18. Geburtstag überwiesen werden soll, müsse nicht auf den bisher debattierten Betrag von 20.000 Euro gedeckelt werden. "Das ist ja heutzutage kein Vermögen mehr", wirbt Herbert Haase für eine "wirklich mutige" Lösung. 

Bei zirka 750.000 Personen pro Geburtsjahrgang seien auf der Basis einer konsequenten Abschöpfung von sogenannten Übererbschaften Überweisungen von um die 200.000 bis 250.000 Euro möglich. "Ein solches Geschenkt des Staates an junge Bürger würde nicht nur deren Vertrauen in die politischen Parteien stärken und eine hohe Dankbarkeit generieren, sondern auch die Vermögensungleichheit binnen von nur wenigen Jahrzehnten vollständig beseitigen. "Gehen wir von der wissenschaftlichen Generationendefinition aus, wären alle Familien nach 25 Jahren mindestens einmal in den Genuss des Grunderbes gekommen, so dass alle Bürgerinnen und Bürger gleichmäßig am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben."


6 Kommentare:

Arminius hat gesagt…

Aus eine Karikatur, die Mitte des 19(!)-ten Jahrhunders erschien:
Bürger:
Nehmen wir mal an, wir teilen mein Vermögen, ich spare weiter und Du verpraßt Deinen Teil. Was machen wir dann?
Communist:
Dann teilen wir wieder!

Anonym hat gesagt…

OT ist das nicht toll, dass der Secret Service den Attentäter schon im Visier hatte und nur noch abdrücken musste, NACHDEM dieser geschossen hatte

P.S. Jetzt werden die deutschen Pressedeppen endlich Secret Service nicht mehr mit 'Geheimdienst' übersetzen. Ein Weile wenigstens.

Die Anmerkung hat gesagt…

>> OT ist das nicht toll, dass der Secret Service den Attentäter schon im Visier hatte

Die hatten damit nichts zu tun. Das war die Lokalpolizei oder Staatspolizei, die da seelenruhig wartete, bis der Job done war, um dann ihren zu erledigen.

Der Personenschutz ist nur für den Nahbereich zuständig.

Anonym hat gesagt…

>Die hatten damit nichts zu tun. Das war die Lokalpolizei oder Staatspolizei,

Gut, vielen Dank.
Darauf einen Focus mit harten Fakten:

AR-15: Attentäter wollte Trump mit der Lieblingswaffe der Amis töten
https://www.youtube.com/watch?v=pzdN3r1YJQ8&t

Mit Kommentaren und Dislikes kriegen sie den Arsch versohlt.

Anonym hat gesagt…

Mit Dittsche: Man weiß es nicht. Und es ist eine nicht ausrottbare Unart der pseudokritischen Spießerlein, sofort über jedes hingehaltene Stöckchen so hoch zu hupfen, wie es nur geht: Ich glaube wirklich jeden Mist, solange es nicht Mähns-triehm ist.
Aus der Kalten ist anzunehmen, ohne gleich sein linkes Ei darauf verwetten zu wollen: Ein einfältiges junges "idealistisches" Aaschloch, wie Gavrilo Princip, das man hat machen lassen. Aber, Näheres bei Dittsche.

Sich zu erzürnen, nützt so wenig wie unangebrachtes Mitleid (Will sagen, sobald es möglich ist, nicht zimperlich sein !*): Jeder Hexenrichter (Schöffe, Stadtknecht, Henker) vor so vierhundert Jahren, Jeder Rotzjüngling der Rothen Khmer 1975 - 1979, oder das erbärmliche Würstchen Fefe, war bzw. ist überzeugt davon, der gesamten Menschheit Gutes zu tun.

*Sind da noch Fragen zu?

Anonym hat gesagt…

Dieses "Grunderbe" ist doch nur ein großbourgeoiser Trick, um den Kapitalismus zu retten und die längst überkommenen Verhältnisse zu perpetuieren.

Zum einen würde eine Kapitalflucht ins Ausland einsetzen, zum anderen bestünde die Gefahr, dass es 18-Jährige gibt, die ihr Grunderbe nicht für Porsche und Party verkonsumieren oder es durch Rücküberweisungen dorthin transferieren, woher es wirklich stammt,. sondern es nutzen, um der Regierung zu schaden. Etwa, indem sie die Falschen finanzieren, denen der Geldhahn an sich abgedreht gehört.

Nein. So geht das nicht.
Eigentum muss dorthin, wo es sinnvoll cerwaltet und verantwortungsbewusst eingesetzt wird.

Daher alles Eigentum dem Volke und die Verwaltung in die treuen und sorgfältigen Hände der Regierung. (Man sagt immer so leichtfertig "der Staat", dabei ist der Staat die Regierung und die Regierung sind die Parteien. Das GG ist in dieser Hinsicht sehr sorgfältig.)

Die Produktionsmittel, die bei sach- und ortsgerechter Besteuerung ohnehin keine privaten Käufer mehr finden, werden dann zum Wohle aller eingesetzt. Alles gehört dann allen und nicht bloß 200.000 €. Wie billig soll man sich abspeisen lassen?

Und ganz wie in Venezuela und Kuba wird es dann Wohlstand und Lebensfreude für ALLE geben.

DAS wäre schön! Mehr Venezuela wagen!