Freitag, 5. Juli 2024

Die letzten Tage von Berlin: Klingbeils größte Rolle

Kommt die Armee Wenck? Steht das Volk auf und bricht der Sturm los, der die Feinde der offenen, bunten Gesellschaft hinwegfegt? Was wird aus der demokratischen Mitte, wenn die Ränder immer näher rücken und ganze Bundesländer drohen, in ihrer Entwicklung um hundert Jahre zurückzufallen?

Lars Klingbeil hatte mit Bedacht zum großen Schwarzen gegriffen, ehe er sich vor die Kamera setzte, um über das chinesische Spionageportal TikTok Kontakt zur deutschen Wohnbevölkerung aufzunehmen. Die Lage ist ernst, die Stimmung trübe. Klingbeil trägt schwarzes T-Shirt, schwarzes Jackett, und er hat schwarze Visionen mitgebracht. "Liebe Leute, die Lage ist ernst – und nicht erst seit gestern, sondern zunehmend und schon lange", kauderwelscht der halbe SPD-Parteivorsitzende in seiner aufrüttelnden Alarmmeldung aus der Parteizentrale.

Schwarzer Fleck vor weißer Wand

Klingbeil sitzt vor einer weißen Wand, ein schwarzer Fleck mit dunklen Augenschatten, der seine Unterarme auf einen polierten Schreibtisch stützt. Das Haar ist auf wirr frisiert, Kontakt zur Außenwelt besteht nicht mehr. Alles hier ist Imagination, reiner Überlebensinstinkt. Was soll man noch sagen nach zweieinhalb Jahren an der Spitze einer Koalition, die unbeliebter ist als jede vor ihr? Welche Argumente wären denn noch im Schrank, das eigene Tun und Lassen, die gutgemeinte Politik und die so desaströs missratene Umsetzung zu verteidigen?

Klingbeil, einem der führendsten Vertreter der Generation Parteiarbeiter, die aus der einstigen Arbeiterpartei SPD eine politische Formation zur Selbstversorgung gemacht haben, ist nichts eingefallen. Nach Jahren, in denen seine Partei im festen Schulterschluss mit allen anderen und untergehakt mit den Vertretern der seriösen Medien alles getan hat, um der radikalen politischen Konkurrenz die Menschen in Scharen in die Arme zu treiben, ist dem 46 Jahre alten früheren Chef der Jusos auch diesmal wieder nur dieselbe Schallplatte in die Hände gefallen: Die Rechten fühlen sich stärker, sie versuchen "mehr Raum in unserer Gesellschaft einzunehmen", sie sind "keine Bürgerlichen, keine Konservativen, keine Spinner", was Lars Klingbeil ihnen womöglich noch durchgehen lassen könnte. Sondern "knallharte Rechtsextreme, Nazis, Menschen, die ein anderes Land wollen".

Gegen die, die das Gegeneinander wollen

Der Niedersachse, der seine politische Karriere wie für Nomenklatura-Kader üblich als Mitarbeiter in im Wahlkreisbüro eines SPD-Abgeordneten begann, klingt beunruhigt. Klingbeil hat herausbekommen, dass diese Leute ein "ganz anderes Land wollen, dass diese Gesellschaft ganz anders aussieht als das heute der Fall ist". Diejenigen, die Klingbeil nie nennt, haben erstaunliche Ziele: Sie wollen natürlich "spalten", denn das wollen sie immer, ihr Ziel aber ist es dem SPD-Vorsitzenden zufolge vor allem, "dass in diesem Land Gegeneinander und nicht Miteinander herrscht". 

Was diese Leute damit bezwecken, kann Lars Klingbeil im knappen TikTok-Format von nicht einmal zwei Minuten nicht erläutern. Aber nennen, was nun zu tun ist, denn er ist eindeutig knallhart gegen die, die das Gegeneinander wollen. "Es ist unsere Aufgabe, das ernst zu nehmen, sich dagegenzustellen." Schließlich hätten der "Verfassungsschutz und andere öffentlich" geäußert, "dass unsere Demokratie in Gefahr gerät" und "wir alle haben die Wahrnehmung, dass etwas ins Rutschen kommt." 

Jeder soll ein Stoppschild setzen

Klingbeils Appell ist der, der er immer war. Irgendetwas mit "sich diesen Menschen entgegenstellen", überall dort "wo in Eurem Umfeld Menschen anfangen, rechtsextrem zu reden, zu handeln, zu denken" ein "Stoppschild setzen", denn "wir dürfen nicht zulassen, dass in dieser Gesellschaft wieder sortiert wird". Wenn nur jeder da draußen, der zu ahnen glaubt, was da dieser Kollege, diese Verwandte oder dieser Nachbar und Freund insgeheim denkt, dem sofort Einhalt geböte! Wie würde das den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern! Und die Spaltung heilen!

Klingbeil, von Bewunderern im politischen Berlin "die Axt" genannt, hat aber nicht nur diesen Aufruf an die guten und politisch gesunden Teile der Bevölkerung mitgebracht. Er zeigt auch echte Emotionen im Moment des gefühlten Verlustes von inzwischen mehr als 85 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Dass der unerwartete Triumph von 2021 so schnell verspielt werden konnte, das trägt der Stratege der deutschen Sozialdemokratie den "Menschen" (Klingbeil) da draußen sichtlich nach. 

Kein Bündel haltloser Versprechen

Gern würde er ihnen sicherlich auch jetzt noch mal etwas anbieten, eine Vision oder ein funkelnagelneues Bündel haltloser Versprechen. Aber selbst Lars Klingbeil ahnt, dass ihm außerhalb der kleinen Blase, zu der die SPD auch durch seine eigene beharrliche Arbeit geschrumpft ist, niemand mehr auch nur für fünf Cent Kredit gibt.

Aus dem kahlen Raum, aus dem er ins Nichts spricht, kommen also folgerichtig Durchhalteparolen und Appelle, "mitzuhelfen", dass die "Faschisten, die Rechtsextremen, dieses Land nicht verändern". Die Szenerie hat etwas von Führerbunker und Verzweiflung. Da ist nichts mehr außer dem, was Wahlkämpfer negative campaigning nennen. Die da und wir hier. Böse und sehr gut. Lass Dich nicht von der falschen Seite versuchen, nur weil Du denkst, dass wir nicht die richtige Politik machen. Bist Du nicht für uns, bist Du gegen uns und selbst an allem Elend schuld, das dann auf Dich wartet. 

Es ist Lars Klingbeils bislang größte Rolle. Und für die SPD ist es ein neuer Meilenstein auf einem Weg, den die Linkspartei in den gleichen ideologischen Stiefeln schon bis fast zu seinem Ende marschiert ist.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Kaum baut man jahrzehntelang Scheiße, fangen die Leute an, herumzunölen und wählen jemand anderen. 'Pack' (S. Gabriel)

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Anonym hat gesagt…

Der Mann irrt, die Lage ist hoffnungslos aber nicht ernst.

Anonym hat gesagt…

Es ging mitnichten um den Inhalt, sondern um die putzige Rechtschreibung ...

Anonym hat gesagt…

Lässt der ehrwürdige Blogwart die (in der Tat ja notwendige) Zensur neuerdings von künstlicher Debilität besorgen?

ppq hat gesagt…

schon immer. PPQGPT ist mit 725 gigabit fäkalbegriffen und 12.000 festplatten voller facebookhass trainiert worden. irrt nie, und wenn, dann auf sehr korrekte weise