Donnerstag, 11. Juli 2024

Baerbocks Abschied vom Kanzleramt: Niemals geht man so ganz

Mit solchen vom Hoffotografen in Serie produzierten Bildern hat sich Annalena Baerbock bei vielen Deutschen einen Namen gemacht. Gemälde nach einer Fotovolage: Kümram, Ocker auf fliegender Leinwand

Sie wählte die große Bühne, um dem kleinen Land Bescheid zu stoßen. Im US-Fernsehen ließ Außenministerin Annalena Baerbock die Bombe platzen: Nein, sie wird in 15 Monaten nicht noch einmal als grüne Kanzlerkandidatin antreten. Das war's. Es ist entschieden. Partei und Wahlvolk müssen diesmal ohne sie auskommen.

Kein Einknicken vor Habeck

Nein, diese Entscheidung hat nichts mit ihrem ersten, skandalumwitterten Anlauf aufs Kanzleramt zu tun, nichts mit den seitdem dramatisch eingebrochenen Umfragewerten ihrer Partei und nichts mit den Ansprüchen ihres Ministerkollegen Robert Habeck, der 2021 auf den Kandidatentitel verzichtet hatte, nun aber schon seit Monaten gewogene Medienarbeiter für seine #Habeck4kanzler-Kampagne trommeln lässt. Annalena Baerbock gibt selbstverständlich auch nicht klein bei vor Hetze, Hass und Zweifel.

Es ist die "Verantwortung fürs Ganze", wie die grüne Parteivorsitzende Ricarda Lang die von der Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt noch kaum erwartete Entscheidung über die Kanzlerkandidatur ihrer 13-Prozent-Partei gelobt hat. "Eine Außenministerin wie sie wird im Moment so sehr gebraucht wie vielleicht noch nie", reimte Lang zum Baerbock-Rücktritt, um Kritikern bei eigentlich fest verbündeten Medien den Wind aus den Segeln zu nehmen. 

Eben noch war die Außenministerin so sehr als Fußballfan gefragt gewesen, dass viele glaubten, sie nähme noch einmal Anlauf auf das Kanzleramt. Aber Irrtum. Die Inszenierung Baerbocks als volksnahe Nationalistin war ein Ablenkungsmanöver. Noch einmal flogen ihr die Herzen zu. Umso größer ist nun die Enttäuschung, dass sie nicht mher Kanzlerin werden möchte, jedenfalls nicht im mkommenden Jahr.

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit

Dass sie es nicht doch hätte werden können, stand ja noch gar nicht fest. Und sich gerade dann in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen, wenn die westliche Welt gebannt auf den Nato-Gipfel schaut und Mitteilungen über dessen Entscheidungen zum Schicksal Europas bang erwartet, spricht dafür, dass die frühere Trampolin-Springerin immer noch das Gefühl für Timing hat, das man nicht lernen kann.

Einerseits ist es ein Abschied. Auch wenn sie formal nie im Rennen um die grüne Spitzenkandidatur im kommenden Jahr war, hätte Annalena Baerbocks reine Existenz die Schlagzeilenmaschine noch über Monate hinweg füttern können. Nun bräuchte es im Bundesklimawirtschaftministerium die Erkenntnis, dass ein Bundesklimawirtschaftsminister wie Robert Habeck "im Moment so sehr gebraucht wie vielleicht noch nie" (Ricarda Lang), um den Wettbewerb um die Frau oder den Mann neu zu öffnen, der  an einem Sonntagabend im September schmerzlich eingestehen wird, dass "wir es leider nicht geschafft haben", sie oder er aber trotz des bitteren Ergebnisses allen Wählerinnen und Wählern, aber auch den wackeren und unermüdlichen "Wahlkämpfern meiner Partei" danken wolle.

Nato-Gipfel in den Schatten gestellt

Annalena Baerbock wird es nicht sein, erstmal. Doch noch im Gehen hat die 43-Jährige bewiesen, über welch ein Pfund die kriselnden Grünen mit ihr verfügen: Einem Nato-Gipfel, auf dem anlässlich des 75-Geburtstages des Bündnisses über Krieg und Frieden entschieden wird, komplett die Show zu stehlen, indem man auf einen Job verzichtet, der einem weder angeboten wurde noch schon ausgeschrieben war, hätten nur ganz, ganz wenige Menschen vermocht.

"Respekt, dass sie gerade in diesen stürmischen Zeiten all ihre Energie darauf konzentrieren will!", hat die offensichtlich ebenfalls verblüffte Parteichefin Ricarda Lang angesichts von Baerbocks Entscheidung applaudiert, ihre Zeit ihrem Amt zu widmen. Ihr Kollege Omid Nouripur träufelte einige Tropfen geharnischter Kritik in den Abschiedstrunk für die Außenministerin, den er gekonnt mischte mit einem großen, unverschnittenen Schluck Zweifel daran, wo Deutschland ohne Baerbock stände. "Kaum jemand verkörpert aktive europäische Außenpolitik so wie Annalena Baerbock", schrieb er, "dank ihr ist Deutschland ein verlässlicher Partner in der Welt."

Ohne sie sieht es finster aus. Eine Alternative für Deutschland gibt es nicht, ein Fakt, den die Deutschen erst zu spüren bekommen werden, wenn Annalena Baerbock sich nun nur noch auf ihre Aufgabe als Außenministerin konzentriert. Alle Hoffnungen aller ruhen nach dem "Kanzler-Kracher" (Bild) nun auf Robert Habeck. Sollte auch er verzichten, stünde Deutschland vor einer Wahl zwischen Olaf Scholz, Friedrich Merz, Alice Weidel und Sahra Wagenknecht. Die Folgen wären unabsehbar.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ricarda Lang wäre doch eine gute Kanzlerkandidatin. Sie ist wenigstens ein politisches
"Schwergewicht". Sie bringt es doch locker auf 3 Baerbocks.

ppq hat gesagt…

daumen drücken