Donnerstag, 20. Juni 2024

Staffelstab-Demokratie: Ernennung per Erbfolge

Sie bekam den Staffelstab zwischen zwei Zahlen von ihrem Vorgänger Kurt Beck überreicht und gibt ihn nun zwischen zwei Wahlen an ihren Nachfolger weiter: Malu Dreyer. Abb: Kümram, Öl auf Eiche

Es ist eine der edelsten Verpflichtungen, die die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer kurz vor Schluss zu erfüllen hat. Getreu den demokratischen Gepflogenheiten der jüngeren Geschichte war die Sozialdemokratin verpflichtet, ihren Nachfolger noch selbst zu ernennen. Aus dem Kreis der engen Vertrauten gilt es dann einen Erben zu küren, der die Arbeit fortführt. Vorzeitige Neuwahlen braucht es nicht, sie sind vielmehr genau das, was unbedingt vermieden werden soll.  

Ein Muster der Bewirtschaftung eigener Parlamentsmehrheiten, das sich in den zurückliegenden Jahren zum Standard entwickelt hat. Damals trat der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck zurück. Die letzte Amtshandlung des früheren Ziehsohns des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe war dieselbe wie beim Vorgänger. Platzeck bestimmte seinen Innenminister Dietmar Woidke zum künftigen Landesvater der Brandenburger.

Auf dem Weg der Erbfolge

Die Strategie, am Ende einer langen und immer überaus erfolgreichen Amtszeit nicht bis ganz zum Schluss zu bleiben, sondern ausreichend lange vor Toresschluss dafür zu sorgen, dass die eigene Partei bei den nächsten Wahlen mit einem Amtsinhaber als Spitzenkandidaten in den Wahlkampf gehen kann, hat sich bewährt. 

Nicht nur Woidke, der bis heute in Brandenburg regiert, sondern auch der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus, die in Mecklenburg-Vorpommern so beliebte Manuela Schwesig, die zeitweise über das Saarland herrschende Annegret Kramp-Karrenbauer, die frühere thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und der in Sachsen lange maßgebliche Stanislaw Tillich sowie dessen Nachfolger Michael Kretschmer bekamen den Schlüssel zur Staatskanzlei nicht zuerst von den Wählern überreicht, sondern von ihren Vorgängern.

Die Thronfolger

Ebenso Malu Dreyer, der Kurt Beck die Thronfolge antrug, als sie als Sozialministerin in seinem rot-grünen Kabinett diente. Erst drei Jahre später musste sie sich dem Votum der Wähler stellen. Alles ging gut aus, inzwischen war die zuvor vollkommen unbekannte Frau aus Neustadt an der Weinstraße bekannt genug, um sehr beliebt zu sein.

Die Verfassungsmütter und -väter hatten das eigentlich anders geplant, wenn auch nicht ausdrücklich. In der praktischen Politikausübung aber sind Thronfolgeanordnungen scheidender Amtsinhaber alternativlos: Der Amtsbonus ist Studien zufolge für sieben bis zwölf Prozent der Stimmen gut, weil Bürgerinnen und Bürger ihre Ministerpräsidenten häufiger kennen, als dass sie wissen, zu welcher Partei sie gehören. Nur sehr selten gelang es dem Spitzenkandidaten einer Oppositionspartei in den vergangenen Jahren, einen Amtsinhaber abzulösen. In den meisten Fällen wird mit ausreichendem Abstand zur nächsten Landtagswahl ein Personalwechsel vorgenommen, der dem neuen Mann oder der neuen Frau im Amt einen Startvorsprung verschafft. 

Bester Zeitpunkt für den Staffelstab

So steht es nicht geschrieben, doch so wird es praktiziert: Scheidet der König aus, bleibt ihm als letztes Recht und edelste Pflicht die Ernennung seines Nachfolgers, die Partei, Landtag und letztlich auch der Wähler meist in genau dieser Reihenfolge abzunicken haben. In Bundesländern, in denen sich alles gut fügt, und das sind alle, trifft es sich, dass dem oder der scheidenden Regierungschef*in gerade dann die Kraft ausgeht oder - wie damals Kurt Beck - die Gesundheit Probleme macht, wenn der beste Zeitpunkt gekommen ist, den Staffelstab zu übergeben.

Dreyer hat denn auch bekannt, dass sie "nicht amtsmüde" sei, die Zeit aber für gekommen halte, Alexander Schweitzer, ihren Minister für Soziales, Arbeit, Transformation und Digitalisierung, als Nachfolger zu installieren. Schon am 10. Juli wird der rheinland-pfälzische Landtag den Sozialdemokraten zum Ministerpräsidenten wählen. Der neue Mann hat dann fast zwei Jahre Zeit, bis er sich den Wählerinnen und Wählern stellen muss.



2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

...und letztlich auch der Wähler ...

Und der "Wähler" tut das dann auch, das Abnicken, indirekt oder sogar direkt.
Über das Gebaren der "politischen Strauchdiebe", wie er sie nannte, einerseits, das der "Wähler" andererseits, ließ sich schon Alfons Güttler in "Kein Krampf" aus, Mitte der Zwanziger.

Anonym hat gesagt…

Wieso ein Mann als Nachfolger? Gibt es in Rheinland/Pfalz keine Frauen mehr?