Dienstag, 4. Juni 2024

Rote Linien: Wilde Volten des Völkerrechts

Kurz nach der Zielfreigabe aus Washington ließ Scholz seinen Regierungssprecher die neueste deutsche "Kehrtwende" (ZDF) verkünden.  

Gerade noch verboten, eine "rote Linie", und zwar keine von denen, die es für die Regierung Scholz schon lange nicht mehr gibt. Dass die Ukraine mit deutschen Waffen auf russisches Staatsgebiet schießt, hatte der Bundeskanzler mehr als zwei Jahre lang ausgeschlossen. Wie genau, ist geheim. Doch die Lieferverträge enthalten entsprechende Klauseln. Oder besser: Enthielten. Kurz nach der Zielfreigabe aus Washington ließ Scholz seinen Regierungssprecher die neueste deutsche "Kehrtwende" (ZDF) verkünden.  

Verbrieftes Recht

Zwei Jahre nach den legendären 5.000 Schutzhelmen und dem langen Streit um schwere Waffen, die anfangs nicht, dann nur unter Auflagen, schließlich aber zunehmend freihändig gespendet wurden, geht nun auch noch mehr. "Völkerrechtlich", so die Bundesregierung, habe die Ukraine das "verbriefte Recht", sich gegen Russlands Angriffe auch durch Angriffe auf russisches Territorium zu wehren. Oder, wie es der Deutschlandfunk diplomatisch umschreibt, "Waffen gegen militärische Ziele im russischen Grenzgebiet einzusetzen, die von Deutschland geliefert wurden".

Eine wilde Volte, die das Völkerrecht da geschlagen hat. Anfangs war allenfalls sicher, dass Deutschland Helme und "Handwaffen zur Flug- oder Panzerabwehr" (LTO) an Kiew liefern darf, ohne befürchten zu müssen, selbst Kriegspartei zu werden. Problematisch erschien Großgerät, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte sogar schon vor der Zusage, ukrainische Soldaten in Deutschland auszubilden, schon gewarnt, dass Deutschland damit den "gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung" verlasse.

Wie eine weitere Helmlieferung

Doch sowohl das eine wie das andere ging durch wie eine weitere Helmlieferung. Bald waren auch  Defensivwaffen größerer Kaliber in Ordnung, nur Offensivwaffen blieben gefährlich nahe an einer Verletzung der völkerrechtlichen Definition der Neutralität. Als auch die dann Offensivwaffen geliefert wurden, war zwar noch eine ehemalige rote Linie überschritten. Aber ohne sie zu verletzen. Wie Deutschland verboten auch die USA, Frankreich, Großbritannien und andere Nato-Staaten der bedrängten Ukraine, mit dem gelieferten Material russische Stellungen auf der russischen Seite der Grenze zu beschießen.

Letztlich wissen alle, dass allein Wladimir Putin definiert, wann wer zur direkten Kriegspartei wird. Bisher hat der Kreml-Herrscher immer wieder gedroht, dass es bald so weit sei. Aber dabei blieb es. Als Deutschland die ersten "Taurus"-Raketen freigab, signalisierte Olaf Scholz im Gegenzug, dass in den Lieferpapieren eine Reichweitenbegrenzung auf das ukrainische Staatsgebiet festgeschrieben sei. 

Selbst Bellizisten wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Roderich Kiesewetter von der CDU betonten damals, dass die Ukraine verantwortlich mit der Militärhilfe aus Deutschland umgehen werde und kein Grund bestehe, ihr womöglich zu einer Ausweitung des Konfliktes führende Angriffspläne auf russisches Staatsgebiet zu unterstellen. 

Radieren an der roten Linie

Eine Gefahr, dass Lieferländer wie Deutschland direkt in den Krieg hineingezogen würden, war nicht zu erkennen, je mehr geliefert wurde, umso weniger. Als hohe Bundeswehroffiziere dabei belauscht wurden, wie sich nach Möglichkeiten suchten, nach Wegen für eine direkte Beteiligung ohne direkte Beteiligung zu suchen - etwa mit Hilfe eines Autos, das Zieldaten unauffällig nach Polen bringt oder über einen Umweg zum Marschflugkörperhersteller, der schließlich kein staatlicher Akteur sei - war leise zu hören, wie mit aller gebotenen Vorsicht an der roten Linie radiert wurde

Offiziell aber stand die Front in Berlin stabil: Die Ukraine, versicherte Regierungssprecher Steffen Hebestreit vor einem Jahr, habe das Recht, russisches Gebiet anzugreifen. Die Bundesregierung aber habe verboten, dass dazu Waffen verwendet werden, die Deutschland geliefert hat.

Eine rote Linie, vor der nun bekannt geworden ist, dass es sie nie gab. Drei Monate nach Emmanuel Macron Vorschlag, Putin mit dem Einsatz von Nato-Truppen in der Ukraine unter Druck zu setzen, darf die Ukraine auch die aus Deutschland gelieferten Waffen "in Übereinstimmungen mit ihren internationalen rechtlichen Verpflichtungen einsetzen". Also ohne die bisher geltenden Einschränkungen, die getroffen worden waren, um auszuschließen, dass Russland eine Neutralitätsverletzung reklamieren kann, die zu Gegenmaßnahmen berechtigt.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Keine rote Linie für die Umsätze der Lieferanten. Wenn von jeder Milliarde, die zu Selensky fließt, zehntausend auf dem Konto der Insider in Washington ankommen, war es den Einsatz wert.

Anonym hat gesagt…

Vetter wühlte in Zigaretten- und Schokoladenpäckchen: "Leute, genießt den Krieg, der Frieden wird furchtbar sein!"

ppq hat gesagt…

kann man sich solche sätze so lange merken?

Anonym hat gesagt…

Doch, das geht.

Mitnichten hat die Nase meiner Wirtin, deren Name Eulalia, wie Sie die Güte, sich zu erinnern hatten, lautet, geblutet, ABER - das "aber" schrie er heraus, denn ...