Freitag, 14. Juni 2024

Preis für Aiwangers Aktentasche: So sehen Sieger aus

So sehen Sieger aus: Schließlich widerfährt der großen Schulranzen-Recherche der SZ doch noch Gerechtigkeit.

Die Sektsänger von Sylt als Alptraum vom nahenden Vierten Reich, die neue Wannsee-Konferenz als Vorbote der nächsten Machtergreifung eines Österreichers und die EU-Wahl als kontinentale Manifestation der festen Verbundenheit von Volk und Raum. Warum dann nicht auch Ricarda Lang als "Aufsteigerin des Jahres"? Boris Pistorius als Kanzlerkandidat? Und nun eben der "Stern-Preis für Edelfedern" für die Geschichten um das vergilbte Flugblatt eines Kleinparteienchefs aus der bayrischen Provinz, dem das vielleicht nicht gehört hat. Aber beweisen konnte er das ja nicht.

Es war die beste Geschichte

Warum die "Süddeutsche Zeitung" von den Kolleg*innen aus Hamburg nicht für ihre Tiefenrecherche zur Nord Stream-Sprengung, zu den RKI-Papieren oder zu den Erinnerungslücken des Bundeskanzlers rund um den Cum-Ex-Skandal geehrt wurde, liegt zumindest auf der Hand. Weder hier noch da noch dort hatte das ehemals renommierte Blatt journalistische Anstrengungen unternommen, die vergleichbar gewesen wären mit der Stinkbombe, die kurz vor den bayrischen Landtagswahlen gezündet worden war. Damals, in der guten alten Zeit, hatten die Meinungsführer in den Schreibmaschinenstellungen der Leitmedien noch fest daran geglaubt, dass sich Wählerinnen und Wähler mit einem Nazi-Popanz am besten erschrecken lassen. Huch, rufen sie. Und machen ihr Kreuzchen zitternden Hand dort, wo es die Redaktion gern hätte.

In Bayern hat das nicht geklappt. Was das Verdienst der Süddeutschen Zeitung nicht schmälert. Versuch macht klug und dass mittlerweile 56 Prozent der Deutschen der Meinung sind, man könne den Medien nicht vertrauen, wenn es um wirklich wichtige Dinge gehe, zeigt, dass die Saat Früchte trägt. Je schneller wächst sie, je mehr im gleichen Ton mitmachen und sich in Wertungen zu übertreffen versuchen. 

Trost von der Hitlerillustrierten

Der Papst boxt nicht in Norderstedt, aber die SZ geht gegen einen Pappkameraden K.O.. Als Trostpflaster klebt der in "Stern", der in überkandidelter Entmenschlichung ebenso viel Expertise hat wie im Singen von Lobeshymnen, nun den Preis für die "Geschichte des Jahres" auf die schwärende Wunde. Eine schöne Geste von der Hitlerillustrierten, die so oft zurückfällt in ihre alte Faszination für die Zeichen des Bösen. In Hamburg weiß man, wie es schmerzt, wenn von der größten Geschichte aller Zeiten nicht genug übrig bleibt, um überhaupt noch begründen zu können, warum man so viel Geld dafür ausgegeben und so viel Kraft dafür aufgewendet hat.

Auch am Ende der Erzählung von der "antisemitischen Hetzschrift", die den Angeklagten eigentlich hatte erledigen sollen, war alles so peinlich geworden, dass die Urhebenden sich gewünscht haben mögen, niemals in Aiwangers alten Schulranzen geschaut zu haben. Doch nun ist es doch wieder  "hervor­ragender Journalismus" geworden, so supergut sogar, dass die Jury lange und "leidenschaftlich" über die Vergabe diskutiert hat, wie es heißt. 

Dann haben sie es gemacht, einfach, weil sie es können und niemand etwas dagegen tun kann. Es ist doch inzwischen auch vollkommen egal. Die Leute glauben sowieso nichts mehr, selbst wenn ein großes Blatt wie die SZ mit allen Kanonen, die sie hat, auf einen toten Spatzen schießt, kümmert es schon nach ein paar Tagen niemanden mehr. 

Die Erinnerung daran noch einmal heraufbeschworen zu haben, die Leiche auszugraben und als Helden zu präsentieren, das zeigt die wahre Macht, die Medien haben. Es ist die, Hohn und Spott über dem Publikum auszuschütten.


10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Schundpreis für Schund, Herzlichen Glückwunsch! Dankenswerterweise ist der Preis nicht mehr nach dem SS-Mann Nannen, sondern gleich direkt nach dem Wurstblatt benannt, das ihn in den Blätterwald kackt.

Rudi hat gesagt…

Der Hitler-Tagebücher-Gedächtnispreis?

Anonym hat gesagt…

Wenn wenig seriöse Wissenschaftler sich gegenseitig zitieren, um ihre wissenschaftliche Reputation zu erhöhen, spricht man von einem "Hochjubelkartell".

Bei Schornalisten, Schornalist%innen und Schornalierenden heißt das Äquivalent wohl demnach "Sternpreis".

Die Anmerkung hat gesagt…

OT Preis für Wulff (aus dem Amt gejagt) doch gerechtfertigt?

https://www.achgut.com/artikel/christian_wulff_und_die_mutter_aller_probleme

Anonym hat gesagt…

OT
>> Metaspawn 13. Juni 2024 at 18:53
... ... ...

Was ergibt übrigens Rot und Grün, wenn man es mischt? Braun! <<

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Wie geistvoll! Und vor allem: Wie neu!

Anonym hat gesagt…

Aiwanger ist bei den sogenannten Freien Wählern, also für den Morgenthauplan. Die mehr als lächerliche Nummer, mit der sie ihn am Gesäß kriegen wollten, steht auf einem anderen Blatt.
Und, dass er da einigermaßen ungerupft herauskam, deutet an, dass er als Klimaheini ein nützlicher Idiot ist.

Anonym hat gesagt…

Toller Preis! Wenn diese "Recherche" das Beste war, was Journalismus zu bieten hatte, wer zahlt dann für den Rest?

irgendwer hat gesagt…

"Auf der Eeeerde leuchtet ein Stern..."

https://m.youtube.com/watch?v=4uEbbflyebQ

Rüdiger Schulz hat gesagt…

Dieser Beitrag hat mir - wie vieles andere mehr auf Politplatschquatsch - sehr gefallen. Ich denke aber, die Beiträge würden sehr gewinnen, wenn man sie vorher Korrektur läse.

ppq hat gesagt…

das ist in diesem fall geschehen. welche fehler fehlen denn?