Samstag, 22. Juni 2024

Nazi-Immobilien: Prahlen mit Zahlen

Nazi-Immobilien sind nach jeder Vorlage des Verfassungsschutzes ein gigantisch großes Medienthema. Dabei beträgt der Anteil der von Rechtsextremen genutzten Häuser in Deutschland gerade mal 0,0009 Prozent

Wer mit der Wahrheit lügen will, mit reinen, puren, ungeschminkten Fakten Meinung machen und dabei nicht erwischt werden, dem rät das Lehrbuch des klassischen Demagogiefaches "Lügen mit der Wahrheit" Zahlen ohne jeden Bezug zu präsentieren, den Kontext von Daten wegzulassen und in Grafiken zeichnerisch Wertungen zu setzen, die mit den abgebildeten Werten nichts zu tun haben.  

Erprobte Manipulationsmethoden

Alle diese Methoden sind ausgiebig erprobt, alle funktionieren problemlos, weil die deutschen Medien bereit sind, zugunsten beunruhigender Botschaften auf jede Nachfrage zu verzichten. Je schlimmer, desto besser. Und je bedeutsamer die Behörde ist, die eine Alarmmeldung verbreitet, desto hingebungsvoller wird aus den zumeist kargen Fakten eine Nachricht gedrechselt, die den Auftraggeber zufriedenstellt.

Der ist oft nicht einmal gezwungen, irgendwelches Material bereitzustellen, aus dem sich hochwirksame Gräuelmärchen herstellen lassen. Als das Bundesamt für Verfassungsschutz jetzt gezwungen war, nach Jahren des immer intensiver geführten Kampfes gegen rechts einen Anstieg der extremistischen Bedrohungen an allen Fronten einzugestehen, griffen die Informationsdesigner der Behörde, deren Personalbestand sich in den letzten sechs Jahren um 38 Prozent erhöhte, zu einem beliebten Taschenspielertrick, mit dem die Aufmerksamkeit von den zunehmenden antisemitischen, islamistischen und linksextremen Angriffen zurück auf die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser als besonders bedrohlich ausgemachte rechte Gefahr gelenkt wurde.

Ablenkung mit Immobilien

Die Immobilien müssen die Angst vor dem Rechtsruck retten, wenn schon die Zahl der Linksextremisten schneller steigt als die der Rechtsextremisten und am Ende der Diskussion um die Radikalisierung der Klimabewegung die amtliche Entscheidung steht, eine bisher hochangesehene Widerstandsorganisation wie "Ende Gelände" als extremistischen Verdachtsfall einordnen zu müssen, tut eine "Analyse des Verfassungsschutzes" (Der Spiegel) not, die belegt, dass "Rechtsextreme immer mehr Immobilien im Osten anhäufen". Mögen ihnen auch die Leute ausgehen. An "Restaurants, Kampfsporthallen, Konzertsälen", mit denen sich "Rechtsextreme eigene Parallelwelten aufbauen" (Zitate Spiegel) herrscht kein Mangel.

So scheint es zumindest. 2022 befanden sich der Verfassungsschutzanalyse zufolge 210 Immobilien im Besitz von Rechtsextremen oder sie wurde zumindest von Rechtsextremen genutzt, waren an diese verpachtet oder vermietet. Damit habe sich die Zahl "der erfassten, rechtsextremistisch genutzten Immobilien seit 2017 fast verdoppelt", zitiert ein Medienchor von "Tagesschau" bis RND und Westdeutsche Zeitung den erschütternden Befund. Aus 136 rechtsextremistischen Objekte wurden 210, ein Anstieg von 47 Prozent in nur sieben Jahren, pro Jahr also fast 6,5 Prozent.

Schlimm wiedermal dieser Osten

Und, niemand versucht das zu verbergen, weil es besonders alarmierend ist: 61 Prozent der bundesweit 210 rechtsextremistisch genutzten Immobilien stehen in den Bundesländern Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin, obwohl die Fläche der alten Bundesrepublik mehr als doppelt so groß ist.

Liegt an den Preisen? Oder wieder an der ostdeutschen Wesensart, die bekanntermaßen ganz besonders schlimm zum Rechtsextremismus tendiert? Fragen, die die vom Verfassungsschutz angeregte deutschlandweite Aufregungswelle nahelegt: Im Handumdrehen sind nicht nur drei Viertel aller bekannten Extremisten in Deutschland komplett verschwunden. Sondern das verbliebene Viertel der Rechtsextremen ist nun auch zusammengekocht auf ein Problem, das weit im Osten spielt, in den "Ländern, in denen die Szene besonders aktiv ist" (Spiegel).

Spiel mit amputierten Daten

Es ist ein grandioses Spiel mit amputierten Daten, selbstausgedachten Kategorien und dem bewährten Hantieren mit Prozentzahlen, das die Medien in einen Zustand so kompletter Besinnungslosigkeit versetzt, dass sie den Brei aus beziehungslos aneinandermontiertem Blödsinn begeistert ins Land blasen. Aktuell gibt es in Deutschland rund 19,3 Millionen Wohngebäude, dazu kommen weitere vier Millionen Gewerbeimmobilien. Rechtsextremisten besitzen oder nutzen - die Kategorisierung des Verfassungsschutzes ist hier ganz bewusst sehr offen gehalten - damit knapp 0.0009 Prozent aller Gebäude im Land. 

Mit anderen Worten: Etwa jedes 115.000 Haus. Die "Parallelwelten" (Spiegel) sind winzig kleine Inseln im Nirgendwo, Häuschen im Braunen, die untergehen in einem Meer aus unpolitischen Gebäuden. Wer eine Nazi-Immobilie finden will, muss lange, lange Wege gehen. 0,0009 Prozent Nazi-Nutzung liegen sogar noch deutlich unter dem amtlichen Anteil der Rechtsextremisten an der Gesamtbevölkerung, die nach Angaben des Verfassungsschutzes seit Jahren bei etwa 0.05 Prozent stagniert. Jeder 2.000 Deutsche ist danach Rechtsextremist, dennoch wird nur jedes 115.000. Haus von Nazis genutzt. 

Dieses recht rätselhafte Phänomen einer eklatanten Unterrepräsentation bezeichnen deutsche Medien dann als "Vernetzung".


3 Kommentare:

irgendwer hat gesagt…

Die Schlapphüte haben vergessen, die Wohnimmobilien mit aufzunehmen. Dann sähe die Lage schon viel dramatischer aus und könnte mit linken WGs oder großfamiliärem Wohnverhalten durchaus in einen Kontext gesetzt werden.

Anonym hat gesagt…

@irgendwer: Linke WGs sind aber kein Fall für den Verfassungsschutz sondern für den Kammerjäger.

Volker hat gesagt…

"Jeder 2.000 Deutsche ist danach Rechtsextremist"

Wirklich?
In Thüringen wählen ca. 30% die Schwefelpartei. Diese 30% sind der braune Bodensatz.
Nicht meine Meinung, sondern die eines ausgewiesenen Experten - Stephan Kramer, Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz in Thüringen.
Mithin ist in Thüringen jeder dritte ein Rechtsextremist, in Gesamtdeutschland ungefähr jeder siebte.