Freitag, 28. Juni 2024

Messergewalt: Stark gegen Stichwaffen

Aufklärung tut Not, auch wenn die Datenbasis für den Nachweis einer Bedrohung noch nicht ausreicht.


Noch immer wirkt der Schock von Mannheim nach, nicht zuletzt, weil der Angriff mitten in einer amtlichen Messerverbotszone unter Verdacht steht, den Rechtsruck in Deutschland befeuert zu haben. Das vom Ergebnis der EU-Wahl schwer erschütterte politische Berlin hadert mit der Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger nach Recht, Gesetz, Ordnung und Sicherheit.  

Gegen Stich- und Schneidwaffen

Nach mehr als zwei Jahrzehnten, in denen Anti-Messerinitiativen sich bundesweit engagiert gegen Übergriffe mit Stich- und Schneidwaffen eingesetzt haben, reiche es nicht mehr, über Rechtsextremismus und Demokratie aufzuklären, empfehlen die die Gubener Sozialwissenschaftler Pistos Säger und Hans-Heinz Tellmer,  die Finanzierung entsprechender Projekte zu verstetigen. "Eine dauerhafte Förderung, damit sich  Initiatoren nicht mehr von Projekt zu Projekt hangeln müssen, ist essentiell", sagt Säger, der am An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung unter Hans Achtelbuscher zu Fragen der dauerhaften Demokratieförderung forscht. 

Länger schon  fordern zivilgesellschaftliche Gruppen gegen Messergewalt dafür 500 Millionen Euro jährlich, ein Angebot, das die Bundesinnenministerin Nancy Faeser wie auch Bundesfinanzminister Christian Lindner bisher abgelehnt haben. Säger und Tellmer fordern hier eine Kursänderung hin zu einem Bundesaktionsplan gegen Messergewalt. 

"Wir müssen Tempo machen und noch vor den bedrohlich näherrückenden Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern klar und entschlossen eine Zeichen setzen." Tellmer, studierter Gewaltsoziologe, sieht ein Demokratiefördergesetz als Königsweg, die Vorsorge hochzufahren, besser und breiter aufklären zu können und die gesellschaft insgesamt resilienter gegen sogenannte "Nesserattacken" zu machen.

Schutz der Öffentlichkeit

"Die Bundesregierung muss im Grunde jetzt alles daran setzen, den Einsatz von Messern und anderen Schneid- und Stichwaffen in der Öffentlichkeit einzuschränken", sagt Pistos Säger. Es bleibe nicht mehr viel Zeit, die Zivilgesellschaft aufzuklären über Abwehrmaßnahmen und Erstversorgungskonzepte. Grundlage dafür sei natürlich um eine dauerhaft sichere Finanzierung von vielen wichtigen Initiativen und Projekten, die sich überall in Deutschland stark machen gegen bewaffneten Straßenterror.  "Das demokratische Deutschland braucht ein breites demokratisches Engagement für die Demokratie sowie überzeugte Demokratinnen und Demokraten", bekräftigt Tellmer.

Im Rahmen des Demokratiefördergesetzes, für das schon die später ausgeschiedene Familienministerin Anne Spiegel gekämpft hatte, könne jetzt zügig ein Vorschlag erarbeitet werden, um etwa Resilienzlehrgänge anzubieten. Eingebettet werden könne auch eine Ausweitung bestehender Messerverbote, sowohl örtlich als auch je nach Waffenart. "Auch die Union spricht sich ja mittlerweile für eine solche Verbreiterung der Schutzmaßnahmen aus." Vorbild könnte Österreich sein, das die Regularien für den Messerbesitz schon länger verschärfte habe. "Oberflächliche Symbolverbote bringen doch sichtlich nicht." 

Für wichtig erachten es die beiden Forscher, die nächste Novellierung der Waffenrechtsnovelle zu nutzen, um Klingenlänger zu stutzen. "Flankiert von einer Kampagnen zu Erstversorgungsmaßnahmen und Aufklärungsstunden in Schulen und Kindergärten, um diese Verschärfung der Regelungen für das Führen von Messern in der Öffentlichkeit zu popularisieren, versprechen wir uns eine nachhaltige Wirkung." Die Basis der Umsetzung einer solchen Art der Bekämpfung jeder Form der Messeranwendung in der Öffentlichkeit sollten zivilgesellschaftliche Initiativen sein, weil die Polizei allein nicht die Kapazitäten habe. "Die aber brauchen eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung." 

Dauerhafte bedeutende Aufgabe

Dabei handele es sich um eine "gesamtgesellschaftliche und dauerhafte Aufgabe von zentraler politischer Bedeutung", auch wenn Polizisten zum Glück deutlich seltener im Dienst stürben als Bauarbeiter. Eine Zunahme von Messerangriffe lasse sich aufgrund der Daten zwar noch nicht abschließend feststellen. "Was wir sehen, ist eine auffällige mediale Verzerrung bei der Herkunft von mutmaßliche Tatverdächtigen und die Pflege eines Klischeebildes, nach dem je nach Nationalität der  Täter ein Klingeneinsatz betont wird." Verantwortlich sei auch eine vor drei Jahren vorgenommene Weichenstellung. Seitdem werden Messerattacken von Polizei und Staatsanwaltschaften gesondert statistisch erfasst. "Wer wollte sich da wundern, dass wir einen Anstieg beobachtent und immer wieder betonen müssen, dass der Anteil der nicht-deutschen Tatverdächtigen höher ist als der Ausländeranteil in der Bevölkerung, aber bei weitem die meisten Nochnichtsolangehierlebenden vollkommen friedlich sind."

Gegensteuern heiße, beim Berichten über Gewaltkriminalität nicht zu überrteiben, aber eben auch, der Gefahr tödlicher Übergriffe mit Aufklärungsangeboten zu begegnen. "Einen hundertprozentigen Schutz vor Messerattacken etwa auf Partymeilen, vor Festzelten, auf Schulhöfen oder in Bussen und Bahnen kann es nicht geben", betont Pistos Säger. Doch wer trainiert sei, ein Klappmesser in den wenigen Sekunden zu entdecken, in denen es gezückt werde, könne ausweichen, ehe damit zugestochen werde. "Flink sei, wendig und Meidbewegungen kennen, das kann in Seminaren sehr gut geübt werden. Selbst  wenn psychisch gestörte Menschen plötzlich ein Messer zückten, sei der Schaden dann absehbar geringer, wenn Angegriffene defensives Verhalten trainiert hätten, wie es in den Lehrgängen des Ritzneuendorfer Präventionsprojekts "Messer ohne Mörder" durchgespielt werde.

Nicht entgegenstellen

"Schülerinnen und Schüler lernen dort, dass das Mitführen eines Messers für etwaige Gegenangriffe die eigene Sicherheit nicht erhöht, sondern das nur durch instinktive Reaktionen auf Gefahrensituationen gewährleistet wird." Wer Gewaltkonflikte geübt habe, vermeide Provokationen und körperliche Konfrontationen, lasse sich durch Messerangreifer nicht in Gewaltkonflikte hineinziehen und sei in der Lage, ansatzlos einen weiten Bogen um Menschen zu machen, die sich beispielsweise aufgrund einer psychischen Störung auffällig verhalten. "Auch Gruppen, die aggressiv johlend Messerattacken ankündigen, werden ausgebildete Zivilpersonen, aus dem Weg gehen statt sich ihnen entgegenzustellen."



4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein Einzelfall reicht, und die freie, unabhängige Presse hat Tips für völlig grundlos besorgte Bürger. Scrollen wir mal runter auf schwäbische.de

Warum der Täter gesiezt werden sollte
Hierbei sei es besonders wichtig, den Täter zu siezen. Der Grund: Für alle wird dadurch deutlich, ...

was auch immer

Laut Polizeisprecherin Daniela Baier. Das steht da wirklich, ich denke mir das nicht aus.

ppq hat gesagt…

es ist immer expertenwissen, das überleben hilft

Anonym hat gesagt…

Also das finde ich jetzt irgendwie echt total nicht gut, was Sie da machen ...

Anonym hat gesagt…

So lehrte uns im Sportverein dunkler Ehrenmann aus Kuba: Messerkampf ist als unerquicklich zu vermeiden. Wenn das aber nicht zu vermeiden ist, hält man das Eß-Schwert in der Schwerthand mit der Schneide dawider.