Freitag, 7. Juni 2024

Mannheim: Maß und Messer

Über die Jahre hinweg hat sich das Messer immer mehr in die Mitte der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit geschoben. Die Ursachen sind vollkommen unklar.

Sie stechen zu, oft unvermutet und ohne auf große Gegenwehr zu stoßen. Sie verletzen, töten und verwunden damit eine Gesellschaft, die über lange Zeiträume ihrer Vergangenheit keinerlei Beziehung zu Messern als Waffe pflegte. Zweieinhalb Millionen Jahre nach den ersten Versuchen des Homo Habilis, sich aus Steinen primitive Schneid- und Stechwerkzeuge zu schlagen, benutzte die deutsche Wohnbevölkerung das vom westgermanischen matizsahsa abgeleitete "Messer" zu Essen, zum Schneiden und gelegentlich zum zirzensischen Werfen. Aber eher selten dazu, Passanten, Politiker oder Polizisten anzugreifen und zu ermorden.  

Alles nur angekündigte Veränderungen

Gewaltig das Erstaunen über die gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahre, obgleich die  grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt früh angekündigt hatte, dass sich das Land ändern werde. Nun ist es so weit, Rolle und Bedeutung von Messern sind eine grundlegend andere als noch vor 20, zehn oder vier Jahren, als rechtsextreme Wutbürger die Mär vom kriminellen Messer erzählten, es der Wissenschaft und seriösen Faktencheckern etwa von "Correctiv" aber gelang,  Ausmaß und Entwicklung der Messerkriminalität in Deutschland  (Elena Rausch u.a.) zu enthysterisieren und klarzustellen, dass der Eindruck, den die Realität macht, komplett täuscht.

Es gab weder einen "dramatischen Anstieg von Messerattacken" in Deutschland noch die von Rechten beschworene "Messerepidemie". Allenfalls eine Häufung von Berichten über Angriffe mit Messern, Messerstechereien, Messerattacken und Messergewalt in den Medien war zu bemerken, selbst dort, wo tiefe, gründliche Recherche immer noch vor der schnellen Schlagzeile kommt. 

Anstieg der "Spiegel"-Messer

Auch ein Mordverbot ist im Gespräch.
Der "Spiegel" benutzte den Begriff "Messerattacke" seit 1949 1125 Mal, 1093 Mal davon seit 2005. 721 Mal findet sich Archiv des früheren Nachrichtenmagazins das Wort "Messerangriff", 2019 mal wurde es seit 2005 benutzt. "Messergewalt" gab es vor 2005 gar nicht - alle 13 Nutzungsfälle liegen in den letzten 20 Jahren, in denen "Messer" insgesamt eine Bedeutungsexplosion erfahren haben: 10.000 Mal beschäftigte sich der "Spiegel" insgesamt mit "Messern", 8.200 Mal seit 2005. Die Zahlen des letzten Monats hochgerechnet wird die Häufigkeit im nächsten Abrechnungszeitraum von knapp über 400 im Monat auf über 500 steigen.

"Achtung, Messerstecher!", hatte das ZDF Anfang des Jahres eine empörende Dokumentation genannt, die das Märchen von den vermeintlichen Messerattacken einem breiteren Publikum nahebrachte. Mit Hilfe gezielt aufgebauschter Einzelfälle wurde der rechtsextreme Mythos von der "Tatwaffe Messer", die "im Regionalzug oder im Fitnessstudio" so plötzlich auftauche, dass "die Angriffe jeden treffen" könnten, gezielt nacherzählt. Mit Krokodilstränen berichteten die Filmemacher, dass die Taten für die meist unschuldigen Opfer oft fatal seien und sogar die gesellschaftliche Stimmung unter einem zunehmenden Unsicherheitsgefühl leide.

Mühlen auf die Messer 

Das ist natürlich Wasser auf die Messer derer, die genau das wollen. Islamhassende Provokateure, die genau wissen, auf welche Knöpfe sie drücken müssen, um ihre Gegner im Kampf um die Deutungshoheit bis aufs Blut zu reizen und über den Umweg eines handfesten Gegenprotestes die "Messer-Angst in Deutschland" (Bild) zu schüren. 
 
Obwohl Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach dem Vertreibungstreffen in Potsdam sofort ein umfassendes neues Maßnahmenpaket zum Schutz der Demokratie vor rechtsextremistischenAngriffe auf demokratische Institutionen erlassen hatte, zeigten die neuen bundesweiten Erhebungen zu Straftaten, "in denen ein Messer involviert war" (Correctiv), dass alles nicht so einfach ist. Für allgemeine Aussage zur Häufigkeit fehlte wegen der früher nie vorgenommenen Erfassung zum Glück die Datengrundlage. 

Mit dem Speiseschwert

Zur Beantwortung der Schuldfrage aber reicht die Etymologie allemal aus. Das Wort "Messer" leitet sich aus dem indogermanischen Wort sax für Fels oder Stein ab, aus dem das frühe Messer sahsa wurde. Im Althochdeutschen wurde daraus die Kombination maz für Speise und sahs für Schwert, also das "Speiseschwert" mazsahs, aus dem sich schließlich das mezzir Messer entwickelte. 

Statistiken über Messerangriffe aus dieser Zeit sind nicht überliefert, anzunehmen ist jedoch, dass die Zahlen deutlich höher lagen als heute, von einem angeblichen Anstieg von Messerangriffen also keineswegs gesprochen werden kann. "Messerkriminalität" und "Messergewalt" sind vielmehr schon seit Tausenden von Jahren Alltagsbegleiter der Schonlängerhierlebenden, denene das Phänomen im Althochdeutschen als "mezzir waltan" (Gewalt) geläufig war. 

Nach dem "Vorfall" (DPA) von Mannheim, der in einer ausgewiesenen Messerverbotszone stattfand,  ist der Speiseschwert-Terrorismus auch in der Bundespolitik angekommen. Kanzler Olaf Scholz selbst hat im Bundestag gefordert, Lehren aus dem Ereignis zu ziehen. Und das probate Mittel von Waffen- und Messerverbotszonen bundesweit zu nutzen.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vergessener, ganz schlimmer Fall von Messergewalt:
Nach 604 Tagen Gefängnis: Notwehr-Messerstecher kommt frei
https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/nach-604-tagen-gefaengnis-notwehr-messerstecher-kommt-frei-art-106990

irgendwer hat gesagt…

Dunkle Assoziationen dräuen aus tiefstem Unterbewusstsein herauf:

"Der Straftatbestand der 'Beteiligung an einer Schlägerei' wurde geschaffen, um der bayerischen Wirtshausschlägereien Herr zu werden."

Und von einem, der als Kind aus Königsberg in die Tundra deportiert worden war, über die lustigen Zeiten dort:
"Wenn's keinen Toten gab, war es kein gutes Fest."

Dazu dann der alte Gassenhauer:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Licht_aus,_Messer_raus!

Hoppala... Aber nun! Alles bereit zum Mitschunkeln?
https://m.youtube.com/watch?v=g-YUaszw4gs

Die Revolution ist zurück! Jippi.

Anonym hat gesagt…

"Vergessener, ganz schlimmer Fall von Messergewalt: Nach 604 Tagen Gefängnis: Notwehr-Messerstecher kommt frei"

War das nicht der 120-Jahre-Haft-für-die-Akten-NSU-Richter, der damals das harte Urteil gesprochen hat? Biodeutsche, die Messerstechen, das geht aber garnicht!
Jeder hat das Recht, sich von drei Asylanten Niederschlagen zu lassen oder gar messern zu lassen. Was heißt hier "Freund helfen"? Es hätte doch genügt, wenn er die Polizei gerufen hätte.
meint Kreuzweis

Anonym hat gesagt…

@ Kreuzweis: Mir war so, dass ja. In einem anderen Fall, ebenso eindeutig Notwehr, hat dieses Aas einen alten Knaben ordentlich verknackt und auch noch verhöhnt, etwa so, er solle sich mal nicht so haben ...

Anonym hat gesagt…

Köstlich (oder, eigentlich nicht), der Artikel im Speichel. Diese ausgeleierten Worthülsen, dieses hohle Geschwafel. Man kann gar nicht soviel verzehren, wie man sich übergeben möchte.