Donnerstag, 13. Juni 2024

Letztes Aufgebot: Aus der Traum von Europa

Nur 104.340 Wackere wählten die Letzte Generation. Ein Kipppunkt, denn das reicht nicht für ein Ticket nach Europa.

104.340 Wackere waren es zum Schluss, die der Letzten Generation noch über das Verfallsdatum die Treue hielten. Das reichte für 0,26 Prozent der Wählerstimmen und einigen Jubel in der Chefetage der selbsternannten Speerspitze der Klimabewegung. Jeder 384., der sich an die Urne bemüht hatte, machte sein Kreuz bei den Klimaklebern. "Das ist krass!", kommentierte eine Aktivistin bei X, ohne der Allerweltsvokabel eine inhaltliche Richtung mitzugeben. 

Krass was?

Krass gut? Krass wenig? Krass "ziemlich kacke" (Letzte Generation) sind jedenfalls nur die übrigen Ergebnisse der Europawahl, die nur in der EU stattfand, in Rebellenkreisen aber mit ihrem korrekten Marketingnamen bezeichnet wird. Mögen sich Nicht-EU-Europäer auch ein wenig überfahren fühlen, doch zur Letzten Generation passt es natürlich, immer auch für die sprechen, die nicht darum gebeten haben. Wie bei richtigen politischen Parteien und zuletzt auch bei der CDU ist das innerliche "Wir" eine Umschreibung für alle, ob sie dazugehören wollen oder nicht.

Eher nicht, so zumindest lässt es das Wahlergebnis vermuten, das der undurchsichtigen Organisation rund um einen inneren Zirkel aus wie auch immer in welches Amt gelangten hauptberuflichen Protestlern zu auskömmlichen Sitzen im Europa-Parlament verhelfen sollte. Nur knapp über 100.000 Stimmen aber reichten dazu nicht, selbst nicht nach den deutschen EU-Wahlregeln, die jeden größeren Familienverband als Tierschutz- oder Vegetarierpartei kandidieren lässt, weil schon ein Prozent der Stimmen für vier Jahre Straßburg reichen kann.

Letzter Versuch

Für die Letzte Generation immer noch zu viel. Lag es am Wedtter? Am Klimaklima, das zu warm war, aber auffallend kühl wirkt.  0,26 Prozent der Stimmen reichten nicht, um nach dem Ende der aufsehenerregenden Klimarettungsmissionen die "EU aufzumischen", sondern nur zu Platz 21 im Parteienranking. Die Letzte Generation, die in den zurückliegenden zwei Jahren mehr Bildschirmzeit und Schlagzeilenplatz zur Verfügung gestellt bekommen hat als jede andere Lobbygruppe, schaffte es zwar vor die Verjüngungsforscher, die Trotzkisten von der MLPD, vor LIEBE, die Grauen Panther und Die Frauen. Aber nur vor die offiziell als "Schwurblerpartei" bezeichnete Basis.

Weit abgeschlagen liegen sie sogar hinter Tierschutzpartei, Tierschutz Hier!, Satirepartei, Islamistenpartei und den modernen Gauklern von "Volt", die auf Plakaten mit "Mieten wie in Wien" und "Lebenswerte Städte wie in Utrecht" geworben hatten, um die Absurdität von Wahlkampfparolen auf die Spitze zu treiben. Die Letzte Generation hatte nur wenige Plakate, die - so viel Revolution muss sein - illegal geklebt wurden. Man wolle die Wahl auf TikTok entscheiden, hatte ein Aktivist aus dem TikTok-Team der offiziell als "Parlament aufmischen – Stimme der Letzten Generation" firmierenden Gruppe zweieinhalb Monate vor dem Wahltag diktiert.

Siegeszug bei TikTok

Auf immerhin 34 Videos mit knapp 46.000 Zuschauern und 2.000 Likes hat es die Bewegung in ihrer Verpuppung als Partei gebracht, rechnerisch halb so viele wie am Ende tatsächlich ihr Kreuz bei der Kleberpartei machten. Wie viele Erstwählerinnen und Erstwähler, nach Dafürhalten der LG-Strategen "angesichts der Konsequenzen des Klimawandels" die "natürliche Zielgruppe", unter den Treuesten der Treuen sind und wie viele "Opas für den Kliawandel" oder Dentists fot Future, ist nicht bekannt. Angesichts von 2,5 Millionen Jungmenschen, die zum ersten Mal bei einer EU-Wahl hatten mitmachen dürfen, erscheinen die 104.340 Unentwegten zumindest nicht übermäßig zahlreich.

Viele mögen die Kandidaten des Letzten Aufgebotes auch gewählt haben, weil sie die Hoffnung hatten, dass die Straßen in Deutschland frei bleiben, wenn die Vordenker und Kampagnenplaner der Bewegung erst mit einem Sessel in Brüssel und einem Büro in Straßburg versorgt sind. 550 Kilometer schlechter Fahrradweg liegen zwischen den beiden Metropolen der EU-Demokratie, 29 Stunden braucht selbst ein sehr gut trainierter junger Fahrradfahrer, um den großen allvierwöchentlichen EUmzug zwischen Belgien und Frankreich zu bewältigen.  

Zur Teilnahme am großen Rennen wird es nun nicht kommen. Der letzte Versuch der Letzten Generation, die "Kipppunkte" durch "entschlossenen gewaltfreien Widerstand" in der Gegenwart festzunageln, ist misslungen. Ab dem 25. September geht es deshalb weiter wie gehabt: Es rollt die "zentrale Protestwelle in Berlin". 

Das Thema wird noch bekanntgegeben.



1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sie können sich ja in Brüssel vors Parlament kleben. Dort stören sie mich nicht.