Was hatte er nicht alles versprochen vor seiner Machtergreifung in Sonneberg. Der erste AfD-Landrat der Republik lockte Wählerinnen und Wähler mit weitreichenden Zusagen. Grenzen dicht, Gesundheitswesen wie in der DDR, brutales Vorgehen gegen Andersdenkende, Abriss der Brandmauer rund um das Rathaus, Rückabwicklung der Demokratie. Bundesweit herrschte Entsetzen in jenem Sommer vor einem Jahr, der bisher der letzte Sommer in Deutschland war und im abgelegenen Thüringer Zipfel Schalkau, Mittwitz und Pressig zudem der letzte Sommer der Freiheit.
Kurzer Empörungsblitz
Nach den heftigen Schockwellen aus Sonneberg entpuppte sich die kleine Bundestagswahl im winzigen Landkreis am Rande der Zivilisation als Empörungsblitz, der kaum länger leuchtete als der ein knappes Jahr später folgende Theaterdonner nach der EU-Abstimmung. Den ersten mutigen Reportertrupps, die sich ins Krisengebiet wagten, folgten später keine weiteren Expeditionen mehr. Sonneberg verschwand wieder dorthin, wo es immer gewesen war. Ein Stück Niemandsland, zugleich Staatsgebiet und exotische Fremde. Bewohnt von einem Menschenschlag, der geheimnisvoll und stur genug ist, wider besseren Wissen zu tun, wovon ihm alle abraten.
Kein Dexit, kein Euro-Ausstieg. |
In der national-befreiten Zone
Sesselmann, geh Du voran, so klang es, als die früher vom Verfassungsschutz als in Teilen gesichert linksextrem beobachtete Landesregierung in Erfurt ihr Okay gab: Ja, der erste Landrat der AfD steht auf dem Boden der Verfassung, er darf im kleinen Sonneberg, einst weltweit für seine Spielzeugfabriken bekannt, damit beginnen, die Träume der AfD vom Ausstieg aus dem Euro, dem Dexit, dem Friedensschluss mit Putin, der Remigration krimineller und abgelehnter Asylbewerber und dem Kampf gegen Sprachfortschritt, Inflation, Verbrenneraus und bürokratischen EU-Maßnahmen zum Wiederaufbau Europas nach der Corona-Pandemie beginnen.
52,8 Prozent der Sonnebergerinnen und Sonneberger hatten sich gewünscht, Teil dieses Großexperiments im Kleinen zu sein, das aus den Redaktionsstuben der Republik noch weitaus skeptischer betrachtet wurde als der grüne Jahrhundertschritt zum Komplettumbau der Heizungsnation. Und das mit gutem Grund, wie sich jetzt zeigt: Denn der AfD-Mann hat offenbar auf ganzer Linie versagt. Weder ist es Robert Sesselmann gelungen, einen Waffenstillstand zwischen Russland und der völkerrechtswidrig angegriffenen Ukraine herbeizuführen, noch ist der Zustrom an Ansiedlungswilligen abgerissen oder Schluss gemacht worden mit Inflation, zuvielgesellschaftlichen Initiativen oder der Möglichkeit, im privaten Umgang zu Gendern.
Versagen auf ganzer Linie
Ein Versagen auf ganzer Linie, wie der genaue Blick zeigt. In Sesselmanns kurzer Amtszeit hat Sonneberg weitergemacht wie bisher: Wie in allen Landkreisen fehlt es an Geld, die Kreisstraßen zu unterhalten, noch vor dem geplanten Zurückstutzen der Krankenhauslandschaft auf das Notwendigste ist der lokale Klinikverbund in die Insolvenz geschlittert. Bis heute gelten auch in Sonneberg sämtliche überbürokratischen EU-Regeln, ebenso die von Bundeskanzler Olaf Scholz eben erst im ARD-Sommerinterview bestätigten Erhöhungen von Mindestlohn, Bürgergeld und Dokumentationspflichten.
Nichts hat die Wahl des demonstrativ mit einem ehemaligen NPD-Mitglied liierten rechten Rechtsanwaltes für die Sonneberger gebracht, aber auch Deutschland ging leer aus. Hunderte Industriearbeitsplätze, die in den vergangenen Jahren in und um Sonneberg verloren gingen, konnte Sesselmann nicht zurückholen. Sonneberg steckt seit sieben Jahren in der Rezession - auch der neue Mann im Landratsamt zeigte sich unfähig, die Wirtschaft in Schwung zu bringen.
Offene Türen der Weltsozialamtsfiliale
Fehlanzeige auch bei allen anderen Punkten: Bis heute gibt es Kriminalität in und um Sonneberg, in der Ukraine tobt weiterhin der Krieg, kurz vor der Sommerpause steht Deutschland ohne Haushaltsentwurf da. Trotzdem hat die Sonneberger Filiale des Weltsozialamtes, das Sesselmann hatte umgehend schließen wollen, fast mit 134 Schutzsuchenden doppelt so viele Asylbewerber und Ukrainer aufgenommen wie im letzten Jahr für der Machtergreifung. Dass "keine
qualifizierte Fachkraft freiwillig in ein kaltes
Land mit einer schwierigen Sprache geht, in dem sie auch noch Angst um ihre
Sicherheit haben muss" (Taz), gilt weiterhin. Mittlerweile aber wirkt sich das so drastisch auf das Alltagsleben aus, dass Bürgerinnen und Bürger bei EU-Wahl krasse Denkzettel ausstellten: Eine Abstimmung in der Wahlkabine, bei der Sesselmanns Partei nur zwölf Prozent zulegen konnte, obwohl die Ampelparteien 16,6 Prozent abgaben und die CDU 4,8 Prozent verlor.
2 Kommentare:
Ja, ne. Da ändert sich ungefähr so viel, wie wenn eine von den linken Großschnauzen Ministerpräsident wird.
Es ist dem, diplomatisch ausgedrückt, sehr einfachem Begriffsvermögen des durchschnittlichen Volkes durchaus völlig angemessen.
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