Auf den letzten Metern buhlte die SPD um die 99 Prozent der Armen und Zurückgelassenen. |
Sie hatten kurz vor Toresschluss noch mit hektischer Verzweiflung versucht, das sich abzeichnende Desaster mit schrägen Plakatmotiven abzuwenden. Sie werde "Politik für die unteren 99 Prozent" machen, buhlte die SPD um Mitleid von Wählerinnen und Wählern, die Umfragen zufolge bereit waren, der größten Regierungspartei die kalte Schulter zu zeigen.
Andere Plakate malten den Teufel einer Lebensweise wie in den 50er Jahren an die Wand. Wer nicht zurückwolle zur traditionellen Familie am Mittagstisch, der müsse, so warnte eine Montage aus amerikanischen Stockfotos, die Kanzlerpartei wählen. Nur sie stehe für eine EU-eigene Atombombe, nur sie wolle einen höheren Mindestlohn, Pullikultur am Esstisch und weittragende Waffen für die Ukraine.
Mit letzter Kraft
Genützt hat es so wenig wie die auf den letzten Metern veröffentlichten Umfragewerte, die der ältesten deutschen Partei Augenhöhe mit der in Teilen als rechtsextrem aktenkundigen Rechtskonkurrenz attestiert hatten. Der Versuch, die "unteren 99 Prozent" für die Sache der ehemaligen Arbeiterpartei zu begeistern, ging episch schief: Nur jeder siebte Wähler ließ sich auf den erneuten Versuch ein, die SPD "Bedrohungen in Schach halten" (SPD-Wahlversprechen) zu lassen.
Hinter der Union, die die Kernschmelze der Ampelparteien kaum nutzen konnte, liegt die AfD auf Platz 2, weit vor der SPD mit nur noch 14 Prozent. Und noch weiter vor den Grünen, die auf einen Schlag 40 Prozent ihrer früheren Wähler verloren. Statt 20,5 Prozent wie bei der letzten EU-Wahl reicht es nur noch zu zwölf Prozent. Alle erreichten Erfolge, auf die Robert Habeck, Ricarda Lang und Nouri Omnipur so stolz sind, vermochten die Adressaten draußen im Land nicht zu überzeugen.
Es ist eine Nacht der langen Gesichter bei allen Ampelparteien, die zusammengenommen zehn Prozent ihrer Gefolgschaft verlieren. Die FDP schafft es zwar noch knapp über die symbolischen fünf Prozent, bleibt aber sogar hinter der Wagenknecht-Partei zurück, die es erst seit einem halben Jahr gibt. Die Geohrfeigten reagierten routiniert. Schlimm, aber, heißt es überall. Besser erklärt werden hätte vieles mal wieder müssen.
Die Stimmung sei doch eigentlich gut gewesen, ist sich Katarina Barley sicher, die als "Katarina die Starke" um Stimme gebuhlt hatte. Saskia Esken, ihre Parteichefin, findet es "weiterhin wichtig, dass wir Politik machen". Die Auswertung beginne jetzt. Und in gewohnter Weise sei mit einer Fehleranalyse zu rechnen. Die grüne Spitzenkandidatin Terry Reintke, wie immer im roten Hosenanzug, will nicht darüber sprechen, warum es so schlimm wurde. "Am Einsatz der Partei lag es nicht."
So viele Gewinner wie immer
Seit Wochen schon liefen in den Parteizentralen die Vorbereitungen, die Tragödie wegzuerklären: Kevin Kühnert, als Generalsekretär der SPD Hauptverantwortlicher für einen Wahlkampf, der rund um eine unbekannte und weitgehend unsichtbare "Spitzenkandidatin" auf eine Mischung aus hohlen Parolen von "Für Stadt, Land und Mitgefühl" bis "Für Maß, Mitte und Frieden" setzte, wollte nicht Stab über sich selbst, aber nicht den über dem Kanzler brechen. Marie-Luise Strack-Zimmermann spürt eine "große Freude, das Ergebnis gehalten zu haben". Die grüne Parteivorsitzende Ricarda Lang zischt ihre relativierenden Sätze in so großer Eile, dass Inhalt kaum zu identifizieren sind.
Es ist ein Hohn, dass Ursula von der Leyen mit breitem Siegerlächeln von "stärkster Kraft", einen "tollen Wahlkampf" und einem "stabilen" Ergebnis sprechen kann: Die höchste Beamtin des Kontinents, die die Bürokratisierung und Zerstrittenheit der EU zu neuen Höhen geführt hat, darf sich tatsächlich als Siegerin einer Wahlfarce fühlen, bei der sie vorsichtshalber weder selbst angetreten noch plakatiert worden war.
Im Glanz eines Sieges, der keiner ist
Alle anderen sind noch schlechter. Selbst eine Union, die vom Aderlass der Ampel nicht einmal mit einem Prozent Stimmenzuwachs profitieren konnte, kann sich im Glanz eines Sieges sonnen, der bei Lichte betrachtet keiner ist. Die Linke verabschiedet sich dagegen mit nur 2,8 Prozent endgültig aus dem Konzert der Großen und Mittelgroßen. Die ehemalige SED/PDS liegt noch ein jammervolles Prozent vor der Satirepartei Die Partei". Schon bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr dürften die Reste der früheren ostdeutschen Volkspartei im Balken "Sonstige" verschwinden - auf den Bildschirmen tauchten Vertreter der Nischenpartei schon am Wahlabend nicht mehr auf.
Niemand im politischen Berlin möchte sich nach dem Debakel vorstellen, wie diese Wahl ausgegangen wäre, hätten nicht die Skandale um die AfD-Spitzenkandidaten, Spionagevorwürfe und Nazi-Prozesse alle Bemühungen der Wahlhelfer torpediert, der zweitjüngsten Truppe auf dem Wahlzettel zu einem noch besseren Abschneiden zu verhelfen. Der Ausgang der EU-Wahl in Frankreich mahnt: Dort sind die Rechten doppelt so stark wie in Deutschland.
5 Kommentare:
LePen kann ja nicht mehr mit der AfD.
War mir ja eher wurst, aber FAZ hat dazu ein bemerkenswertes Stück der historisch-politischen Phantastik.
https://www.faz.net/aktuell/wissen/geist-soziales/maximilian-krah-ueber-die-ss-19748330.html
OT
>> LEUKOZYT 10. Juni 2024 at 12:26
Geschichten aus dem bunt-quirligen Berliner Paulanergarten
„…Daraufhin seien drei Männer aus einer Familiengruppe heraus auf sie zugegangen
und hätten sie aufgefordert, das vor ihren Frauen und Kindern zu unterlassen
und wegzugehen. Zeugenaussagen zufolge schlug und trat das Trio anschließend
auf die beiden sitzenden Männer ein und versuchte, sie vom Ort wegzuschubsen.“
+https://www.kn-online.de/panorama/berlin-zwei-maenner-bei-homophobem-angriff-in-park-verletzt-WTQXJZDWHBKRXPSUJNGJWRJ3PU.html <<
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ßo wott? Es ist auch hetero kein schöner Anblick, wenn die sich abschlecken, als wollten sie gleich "zur Sache selbst kommen" (Diederich Heßling zu Guste Daimchen). Oder, nicht nur EINMAL in der U-Bahn geschaut, sich mutuell den proximalen Adduktorenbereich krabbeln.
So was kommt von so was.
"In welchem Europa möchten Sie morgen aufwachen?"
Wer dumm fragt, bekommt dumme Antworten.
>> den proximalen Adduktorenbereich krabbeln.
Die kraulen sich in der U-Bahn gegenseitig die Eier? Habe ich noch nicht gesehen, kann aber auch damit zu tun haben, daß ich fast nur Migrantenlinie fahre und selbiges dort nicht goutiert wird, bzw. ich zu Zeiten unterwegs bin, in denen die Sackkrauler noch schlafen.
Die kraulen sich in der U-Bahn ...
Neien! Heteropärchen, in der U2. Etwa 2-3 Fingerbreiten unterhalb des Vergnügungszentrums an den Oberschenkeln innen.
(Aus den Satiren des Juvenal: Ich hab ja nichts dagegen, dass du dich reiben lässt - nur schließ die Tür dabei.)
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