Keine Autofabrik mehr für niemanden, das ist die Forderung der anonymen Organisatoren der Proteste gegen Tesla und den Kapitalismus |
Der deutsche Normalbürger steht dem allem ohnehin skeptisch gegenüber. Seit Vater Staat keine Einstiegsprämie mehr an die zahlt, die sich auf das Abenteuer des Kaufs eines elektrisch angetriebenen Fahrzeuges einlassen, ist der Absatz der E-Mobile eingebrochen, die nach dem unumstößlichen Ratsschluss der Europäischen Union den fossilfreien Verkehr der Zukunft sicherstellen sollen.
Lieber nur noch mit Bus und Bahn
Vom Ziel der Ampelkoalition, bis 2030 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen, ist Deutschland sechs Jahre vor dem Tag der Abrechnung noch 14 Millionen E-Autos entfernt. Bis zum Plantermin müssten ab sofort täglich 7.000 Elektroautos gekauft werden. Im laufenden Jahr wurden pro Tag etwa 900 zugelassen - und auch das ist denen noch zu viel, die "für ein gutes Leben jenseits des Kapitalismus" lieber mit Bus und Bahn und Diesel-Pkw unterwegs wären.
Seit Monaten schon halten die Verteidiger des alten fossilen Verbrenners bei Grünheide in der Nähe von Berlin ein Stück Wald besetzt, um eine Erweiterung der Tesla-Fabrik zu verhindern, die vor zwei Jahren als Leuchtturm der Elektrifizierung des ganzen Landes galt und als Beispiel dafür herhalten durfte, wie konkurrenzfähig Deutschland als Standort für Zukunftsindustrien immer noch ist.
Seitdem hat sich die Stimmung gewandelt: Firmenchef Elon Musk ist nicht mehr der hofierte Heilsbringer, dem die Politik gern den roten Teppich auslegt, sondern eine Hassfigur, der eine Vorliebe für falschverstandene Redefreiheit, Ignoranz gegenüber EU-Verwaltungsanweisungen und Drogenmissbrauch vorgeworfen wird. Seine Autos verwandelten sich in etwa derselben Zeitspanne von Sendboten der mobilen Zukunft in pures Teufelswerk für alle, die nicht drinsitzen.
Kutsche des Bionadeadels
Die einen halten die Limousinen für die Lieblingskutschen des verbeamteten Bionadeadels, der seine grüne Gesinnung aus dem Vorstadtviertel mit dem Haus mit der eigenen Solaranlage auf Steuerzahlerkosten spazierenfährt. Die anderen verfluchen Model 3 und Model Y, weil sie das Versprechen individueller Mobilität, das die freiheitlichen Gesellschaften des Westens traditionell für jedermann eingelöst haben, nicht in einem kollektiven 49-Euro-Traum auflösen, sondern fortschreiben.
Die hart arbeitende Mitte der Traditionalisten und die linken Maschinenstürmer, sie bilden eine imponierende Allianz gegen ein Unternehmen, das sich aus ihrer Sicht wie kein anderes eignet, den symbolischen Kampf gegen den teuflischen Traum von der freien Fahrt für freie Bürger zu führen. Bei der Wahl der Waffen allerdings unterscheiden sich die beiden Heerscharen deutlich.
Während die Berufspendler und Schichtarbeiter beschlossen haben, den alten Diesel oder Benziner im hinhaltenden Widerstand vorerst einfach weiterzufahren, bis der Strom wie von Katrin Göring-Eckardt und Robert Habeck versprochen billiger wird, die Reichweiten größer und - eventuell durch neue geplante EU-Zölle auf chinesische Elektrokarren - die Kaufpreise sinken, rufen die klimabewegten Elektrogegner zum Kampf gegen eine neue Startbahn West.
Jenseits des Kapitalismus
Wenn schon Lützerath nicht geblieben ist, so soll nun wenigstens das Stückchen namenloser Wirtschaftswald in der Nähe des Bahnhofs Fangschleuse bleiben. "Der Kampf gegen Autobauer wie Tesla ist einer von vielen gegen zerstörerische Industrien, die unsere Lebensgrundlagen gefährden", heißt es dazu bei "Disrupt", einem "Zusammenschluss von Gruppen, die an der Idee einer gerechten und solidarischen Welt jenseits des Kapitalismus festhalten" und dazu bei Instagram gemalte Cybertrucks in Flammen aufgehen lassen. An Geld mangelt es der anonymen Bewegung offenbar nicht. In den Wochen vor den "Aktionstagen" an diesem Wochenende wurden bundesweit zehntausende Plakate (oben) geklebt, um junge Leute zum Anreisen zu motivieren.
Auch wenn es gegen das Unternehmen Tesla geht, dem "elende Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und Ressourcenvernutzung" vorgeworfen werden, geht es eigentlich gegen das ganze System, das die "Menschen aus unterschiedlichen sozialen Kämpfen", die der "Wunsch nach einer gerechten und solidarischen Welt" eint, verantwortlich machen für "Krisen, Ausbeutung, tödliche Abschottung und Unterdrückung". Dagegen helfen soll das Motto "Disrupt Capitalism, create Future", der Anfang einer Art Rosskur, an deren Ende eine "kollektive Mobilität" steht, die "ressourcen- und klimagerecht organisiert wird".
Irgendwie, irgendwo, irgendwann
Wann das ein wird und wie genau dann jeder immer dorthin kommen kann, wo die anderen vielleicht gar nicht oder nicht zu diesem speziellen Zeitpunkt nicht hinwollen, muss noch geklärt werden. Auch bleibt offen, wie "keine Autofabrik für niemand" sich aus der doppelten Verneinung lösen lässt, ohne jedem einzelnen Bürger seine eigene Autofabrik aufzudrücken, obwohl er vielleicht viel lieber eine Kupfermine hätte, eine Produktionsanlage für Computerchips oder eine Baumschule. Hier wird erstmal die "Systemfrage" (Disrupt) "ins Zentrum des politischen Handelns" gerückt, eine Einladung, "mit uns für das gute Leben für Alle zu kämpfen!"
Jeder Baum, der bis dahin für Tesla fällt, ist jedenfalls "einer zu viel", "jeder Liter Wasser, der verschmutzt wird, eine Verschwendung" und "jeder E-SUV auf den Straßen ist ein Bus zu wenig".
7 Kommentare:
Die Proteste in Grünheide legen die ganze Absurdität offen, die aktuell in Deutschland zu beobachten ist: Jenes politische (teslafahrende) Milieu, dem vor dem E-Mobility-Hintergrund die materiellen und ideellen Subventionen für Tesla nicht hoch genug sein konnten, freut sich jetzt klammheimlich über die Angriffe der Anti-Tesla-Radikalen.
Es scheint so, dass man sich mit den Protesten jetzt ein Korrektiv zu einer in jeder Hinsicht sinnlosen Fehlentscheidung über die Ansiedlung einer Autofabrik in einem Naturschutzgebiet schaffen möchte.
der allumfassende irrsinn
Hin und wieder gibt es auch im Zentralorgan der Anti-Tesla-Radikalen durchaus lesenswerte Artikel: https://taz.de/Ausgleich-fuer-die-Tesla-Rodungen/!5827360/.
Abgesehen von der Errichtung einer unsinnigen E-Autofabrik (ich habe hierzu meine ganz eigene Meinung), bietet die Waldrodung in Grünheide geradezu eine eindrucksvolle Chance, an anderer Stelle in der Mark Brandenburg den deutschen Wald in seiner Idealform wieder aufleben zu lassen. Dass den Anti-Tesla-Radikalen jedoch nichts am Erhalt der Natur gelegen ist, beweist die Tatsache, dass die Baumsetzlinge nicht von eben jener Protestjugend, sondern von rumänischen Saisonarbeitern ausgebracht werden müssen.
durchaus lesenswerte Artikel: https://taz.de/Ausgleich-fuer-die-Tesla-Rodungen/!5827360/.
Was soll an der Tatz "lesenswert" sein? Die zählen nicht, im Wettbewerb um das ekelste Saublättchen - die laufen weit, weit unten außer Konkurrenz.
Bei der Gelegenheit: Rot(hschild) Front, Genosse Anmerkung! Wie Ernst Thälmann, treu und kühn.
Einen hab' ich noch: Du kannst nicht bei uns / und bei ihnen genießen ... Hadmut, äh Quatsch, Hartmut König ...
Ansiedlung einer Autofabrik in einem Naturschutzgebiet
Mitnichten! Eine Kiefern-Plantage, die eh zu Abholzung vorgesehen und auch dazu reif war.
zu einer in jeder Hinsicht sinnlosen Fehlentscheidung
Nicht in JEDER Hinsicht, nicht in JEDER. Und auch nicht im strengen Sinn "Fehl"entscheidung".
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