Sonntag, 12. Mai 2024

Trauer vor der Wahl: EU-Voice verstummt

Da wuchs ein mächtiger Konkurrent für das US-Hassportal X heran. Nun aber reicht die Kraft der EU nicht mehr, das geplante Kommissarsnetzwerk weiter auszubauen.


Das Todesurteil wurde in Brüssel gesprochen. Elon Musk wird getobt haben, als die Nachricht eintraf. Die EU selbst, deren Vorsitzende Kommissarin bei Musks Portal X 1,5 Millionen Follower zählt, würde ein Konkurrenzunternehmen zum Hassportal des Amerikaners entwickeln lassen. Zwar waren die Vorarbeiten am Testprojekt EU Voice "nach mehreren Jahren intensiver Entwicklungsarbeit" eingestellt worden. Doch die Präsenz der Gemeinschaft auf einem eigenen Server beim in Deutschland erfundenen freien, friedlichen und hasslosen Microblogging-Dienst Mastodon würde die EU eines Tages resilienter gegenüber amerikanischer Technik machen.

Hasslose Alternative

Oh, ja, es waren verrückte Zeiten. Sie würden zwar noch viel verrückter werden, bis dahin, dass deutsche Raketentechniker sich 80 Jahre nach Wernher von Braun dafür feierten, ein zwölf Meter langes Kerzenwachsgeschoss fast so hoch in den Himmel katapultiert zu haben wie das Aggregat 4  geflogen war. Aber das wusste noch niemand. Alle gingen in diesen Tagen am Rande des Nervenzusammenbruchs davon aus, dass bald alle einander bei Mastodon hetzen und hassen würden, nur die nicht, die über Beziehungen eine Einladung zum Konkurrenten Bluesky ergattert hatten.

Selbst nach der vorübergehenden Pause für EU Voice lockte dort noch ein Banner: "Diese Beiträge stammen aus dem gesamten sozialen Netzwerk und gewinnen derzeit an Reichweite." Die Kommission ließ über der weltweit ignorierten Ruine des eigenen sozialen Netzwerkes immer wieder Ballons aufsteigen, mit denen sie dem nicht vorhandenen Publikum von ihrem andauernden Krieg gegen Musk berichtete. Über die Fortsetzung des Aufbaus eines direkten Kommissars-Twitters, überwacht von Brüssel aus und gekämmt nach den jeweils aktuellen Selektorenlisten, war hingegen wenig zu hören.

Die Kraft reicht nicht

Nun, zwei Jahre nach dem Start der ersten Testphase für EU Voice, zieht sich die Kommission aus dem sogenannten "Fediverse" zurück. Obwohl das "datenschutzorientierte Angebot gut gelaufen" sei - zuletzt schauten beispielsweise binnen von nur 48 Stunden zehn Nutzer sich eine Nachricht der EU an - stellt der Europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski neben "EU Voice" auch "EU Video" ein. 

Die beiden Social-Media-Angebote, mit denen Europa hatte Front machen wollen gegen X, TikTok, Instagram und Facebook, deren rechtssichere Nutzung aus der EU heraus wegen der mehrfach vor Gericht verworfenen Datenschutzabkommen mit den USA bereits seit mehreren Jahren nicht möglich ist, sterben in aller Stille. Man habe, begründet Wiewiórowski den schweren Schlag gegen die Autonomie der EU im Netz, bei keiner EU-Institution jemanden gefunden, "der die Server wartet und die üblichen Tätigkeiten auf dem hohen Standard weiterführt, den die EU-Einrichtungen und unsere User verdienen".

Pünktlich vor der Wahl

Dann lieber gar nichts und im Endeffekt dann doch wieder X, wo die Kommissionspräsidentin ungeachtet aller EU-Datenschutzvorschriften und nationalen Gesetze regelmäßig über die von ihr bewirkten Wunder berichtet - so ist sie etwa die erste Spitzenkandidatin bei einer Wahl weltweit, die bei dieser Wahl nicht antritt, und sie dennoch gewinnen wird. 

Ein Vorbild für die "40 institutionellen Accounts" (heise.de), die derzeit noch bei EU Voice kein Publikum finden - immerhin 40, denn es waren nur zwei Jahre, in denen sämtliche rund 4.657 EU-Parlamentarier, -Institutionen, -Körperschaften, -Büros und -Agenturen die Möglichkeit hatten, "mit eigenen Accounts auf der Plattform mit Nutzenden des Fediverse zu interagieren". Gerade jetzt, unmittelbar vor der Wahlschlacht am Schicksalsberg die Pforten zu schließen, wirkt unglücklich. Auch, weil beim Videoportal  EU Video sogar sechs Accounts beheimatet gewesen seien, die die europäischen Einrichtungen auf Anhieb "zur größten Gruppe öffentlicher Körperschaften im Fediverse gemacht hätten, wie Wojciech Wiewiórowski zum Abschied bitter unterstrichen hat.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

OT
Har, har. Auf Vitzlis Bematschtenzoo gibt der Freak "Packistaner" dem Freak "abc" Pfeffer wegen "Looser" - ein Esel schimpft den anderen Langohr.
Angesichts der allgemeinen Lage hält sich aber der Unterhaltungsfaktor in engen Grenzen.

Anonym hat gesagt…

GenossIn Anmerkung bereitet ofenkundig den Gegenschlag vor: Er hält sich in Deckung.
Legen Sie ausführlich dar, warum die sozialistische Demokratie die eigentliche und die also wahre Demokratie ist.

ppq hat gesagt…

spüre ich hier ecke-vibrationen? hier, im letzten tal digitaliens, in dem noch frieden und freundschaft herrschen?

Anonym hat gesagt…

Genossen, der Bonner Ultra und imperialistische Kriegshetzer Dietmar hat sich bei uns eingeschlichen und träufelt sein hetzerisches Gift in die Ohren des Proletariats. Jetzt sind revolutionäre Wachsamkeit, Parteilichkeit und ein klarer Klassenstandpunkt von Nöten, um die Wühlarbeit des Klassenfeindes abzuwehren.

Anonym hat gesagt…

"Man MUSS PARTEILICH sein" - also lehrte uns unser Ausbilder in Marxismus-Leninismus (davon recht viel) und Nahkampf (davon recht wenig, habe ich in den Neunzigern nachgeholt) in den Siebzigern.