Montag, 20. Mai 2024

Schuldenbremse: Noch mal richtig krachen lassen

Mit derselben Vehemenz, mit der die Schuldenbremse gefordert wurde, wird 15 Jahre später ihre sofortige Abschaffung  verlangt.

Das Geld fehlt fast überall, kein Loch kann mehr so schnell gestopft werden wie nebenan das nächste aufreißt. Die ist zu kurz, der Bund zu eng, die Beine fehlen, das Gesäß durchgewetzt und die Reißverschlüsse so verrostet, dass selbst die Wirtschaftsweisen nichts mehr retten können. Der Bäcker, der nicht backt, wird demnächst wohl auch keine Steuern mehr zahlen. Der Verteidigungsminister aber meint, er könne nicht mit Steinen nach dem Russen schmeißen. Dann ist da noch das Klima, das mit der Kommunalen Wärmeplanung auf die lange Bank geschoben wurde, aber immer noch am gleichen  Problem krankt: Der Bund gibt 500 Millionen. Kosten aber wird es - Stand heute - 600 Milliarden.

Nun ist es auch egal

Genaugenommen ist es angesichts solcher Lücken doch nun auch egal. Der private Schuldner, der weiß, dass er sowieso nie irgendwas zurückzahlen können wird, reagiert rational auf die bedrückende Situation, an der er ohnehin nichts ändern kann. So lange er noch eine Bank findet, die etwas rausrückt, nimmt er, was er kriegen kann. 

Dadurch geht ja beinahe niemandem etwas verloren. Das Geld hat immer nur ein anderer, darunter eben auch er selbst, bis er es ausgibt. Und daran krankt Deutschland ja gerade: Es wird zu wenig konsumiert, zu wenig verbraucht, dadurch fehlt es an Steuereinnahmen, so dass es unmöglich ist, die große Klimatransformation aus den Steuereinnahmen zu finanzieren. Denn die sind in den zurückliegenden fünf Jahren zwar von 713 auf 916 Milliarden Euro angestiegen, ein Plus von 28 Prozent, das leicht über der Steigerung bei Löhnen und Gehältern liegt, die im gleichen Zeitraum nur stagnierten. Doch das Geld reicht nicht, weil es nie reicht, vollkommen unabhängig davon, wie viel der Staat einnimmt. 

Warum sollte der Staat sparen?

Ausgeben wird er immer mehr, nur die Gründe variieren, warum das gut so ist. Warum also soll ausgerechnet der Staat sparen? Er, dem die größten Banken die Kredite auf dem Silbertablett servieren?Niemand weiß es. Der Finanzminister verweist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das der Bundesregierung im Herbst alle Waffen der Menschheit im Kampf gegen den Klimawandel aus der Hand geschlagen hatte. Auch bei anderen Ordolibertären gilt die Schuldenbremse als heilige Kuh, obwohl sie in einem Rinderoffenstall steht, dem das Dach leckt, die EU-Auflagen zu schaffen machen und die Silage ausgeht.

Erst langsam, ganz langsam wendet sich das Blatt. "Weg mit der Schuldenbremse!" fordert nach den Grünen, der SPD, der Linken und Teilen der Union nun auch die Taz, die in der bei Einführung von Grünen, SPD, FDP und CDU gefeierten grundgesetzlichen Vorschrift einen "Hemmschuh" sieht. An der Seite der Ökonomiker aus Berlin steht die GEW, das ND, die Frankfurter Rundschau, die IG Metall und der Bundesverteidigungsminister. Der von der SPD erdachte und am 1. August 2009 von 418 Bundestagsabgeordneten in Kraft gesetzte Artikel 109 (3) Grundgesetz mit der fatalen Formulierung "Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen" soll weg, verschwinden, Raum schaffen für Wummse und Doppelwummse ohne Zahl und in ganz nueer Dimension.

Geld in die Hand

Die Argumentation ist kaum zu widerlegen. Niemand kann richtig durchregieren, wenn er nicht richtig "Geld in die Hand nehmen" (Angela Merkel) kann. Keine Regierung kann es sich leisten, bei Investitionen im Kampf gegen die Erderwärmung zu knausern, bei der Verteidigung darauf zu schauen, was finanzierbar ist oder beim großen Umbau der Gesellschaft samt Wirtschaft und Alltagsleben Rücksicht auf Haushaltslagen und Steuereinnahmen zu nehmen. Marcel Fratzscher, der einzige deutsche Ökonom mit eigenem Verb, hat alle Vorschriften, nur so viel auszugeben, wie ein Gemeinwesen sich leisten kann, als schädlich verworfen: Kluge Schulden seien der "Wohlstand von morgen". Je mehr davon, desto besser.

Der Staat müsste also dürfen können, spätestens jetzt, wo es so dermaßen "fünf vor zwölf ist, dass jetzt geklotzt werden muss, will man die Klimaziele erreichen und nicht für Jahrzehnte ins Hintertreffen geraten" (Taz). Für wen denn auch der ganze Geiz? Nachkommende aus der Generation Greta wissen zumeist Dispo nicht von Disco zu unterscheiden.

Nichts leichter als das

Nichts ist leichter, als ihnen 100, 600 Milliarden, 1.000, 2.000 oder 9.000 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden unterzujubeln. Weder werden sie es bemerken noch werden sie sich wehren. Ganz im Gegenteil: Wer kommenden Generationen zusätzliche Lasten aufhalst, darf sich auf deren Applaus freuen, denn nichts glauben die Kinder mehr als an die Macht der großen Zahl und den Zauber, der bewirkt, dass sich mit Geld jedes Problem lösen lässt. Und mit viel, viel, viel mehr Geld sofort.

Die - derzeit - 600 Milliarden Euro zu erzeugen, die der Staat "allein in den kommenden zehn Jahren in die Hand nehmen" (Taz) muss, "um die öffentliche Infrastruktur zu erneuern und fit für die klimaneutrale Zukunft zu machen", ist keine Raketenwissenschaft. Das Geld ist da, sobald es jemanden findet, der für den Kredit unterschreibt. Die Nachschuldner sind willig und bereit, jede Zahl zu akzeptieren, die als Überschrift über einem neuen "Sondervermögen" für Klimaschutz stehen wird. Die Klimakrise sei eine Begründung zur Aussetzung der Schuldenbremse, hat die Fridays-for-Future-Vordenkerin Luisa Neubauer schon vor Monaten argumentiert, um die viel Älteren an den Schalthebeln der Macht zu überzeugen, allen viel Jüngeren noch mehr Schulden zu hinterlassen.

Nachschuldner in Baumhäusern

Die werden nicht einmal bemerken, was ihnen da aufgeladen wird. In ihren Baumhäusern bei Tesla, im Wahlkampf zum EU-Parlament und mit TikTok vor der Nase, tragen sie eine Last, die fürs Erste nichts wiegt. Eine Aufgabe, die niemandem wehtut, den Hiesigen, Heutigen aber die Bewahrung von Fortschritt und Wohlstand verspricht, zumindest noch eine Zeit lang. 

Obwohl das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr nur um 0,1 oder 0,2 Prozent "wachsen" wird, ein Wert, der im Bereich der statistischen Wahrnehmungsunschärfe liegt und ebenso ein Minus vor der Null tragen könnte, gibt es zweistellige Lohn- und Gehaltserhöhungen, mehr Mindestlohn und mehr Bürgergeld, damit es allen gut geht und die Stimmung vor den anstehenden Wahlen nicht ganz in den Wutkeller sackt. Rein rechnerisch ist das vollkommen unmöglich, zumal dadurch nach hinten heraus keineswegs ein Wachstumspotential entsteht, das eines Tages genug abwerfen wird, die Vorschusslorbeeren zu finanzieren. 

Auf dem Weg zum Triplewumms

Über kurz oder lang kommt die Quittung, und wer sie bezahlen wird, ist auch schon klar. Es wird niemand von denen sein, die sich heute weigern, für "gute Lebensbedingungen für alle, einen verlässlichen Personennah- und Fernverkehr, Klimaanpassungsmaßnahmen und den Ausbau von Ganztagsschulen" noch mal richtig in die leeren Kassen zu greifen, statt am "selbst auferlegten Sparzwang" (Taz) festzuhalten. Warum es also nicht noch einmal richtig krachen lassen? Einen Triplewumms für Klima, Krieg und  Koalitionsfrieden? Alles wäre sofort leichter, wenn die Schuldenlast nur schwerer wäre.


1 Kommentar:

Arminius hat gesagt…

Es ist einfacher, ein Schwein im Maisfeld vom Sinn des Fastens zu überzeugen, als eine Regierung zum Sparen zu zwingen.