Donnerstag, 30. Mai 2024

Porentief rein: Ohne Preußens Glanz und Gloria

Nach und nach werden die lästigen Spuren getilgt, die noch auf die Existenz Preußens hinweisen.

Nicht nur sauber, sondern rein soll sie werden, die Erinnerung an die fürchterliche deutsche Geschichte. Zuerst hatte Annalena Baerbock das Bismarck-Zimmer im Außenamt umtaufen und das dort aufgehängte Bismarck-Porträt von Franz von Lenbachs ins Archiv bringen lassen. Dann folgte Claudia Roth mit ihrem Wunsch nach einer Umbenennung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in irgendwas, Hauptsache ohne Preußen.  

Preußen soll verschwinden

Der Name mit dem Bezug auf das Herrschergeschlecht, das die Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 vorantrieb, von den Nazis seiner Selbständigkeit beraubt und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von den Alliierten aufgelöst wurde, weil sie es als Kern des deutschen Militarismus ausgemacht hatten, soll verschwinden, dem Vergessen anheimfallen, das Erinnern nicht mehr stören. Deutschland, soweit es nach den aktuell Verantwortlichen geht, besteht erst seit 1949. Damals landeten die Mütter und Väter des Grundgesetzes mit einer Raumkapsel nahe Frankfurt/Main, die neuen Gesetzestafeln unterm Arm. Seitdem läuft eine Zeitrechnung, die kein Davor mehr kennt.

Schon in der Ära Merkel gab es zarte Ansätze, alles zu beerdigen, was vor dem lag, was als "dunkelstes Kapitel" (Merkel, Wulff, Steinmeier et al.) unauslöschlich bleibt. Der 150. Geburtstag des deutschen Nationalstaates wurde nicht gefeiert, nicht mit einem Staatsakt, nicht mit einer Gedenkstunde und nicht einmal mit den üblichen kritisch-konstruktiven Elogen in den Leitmedien. So souverän Deutschland auch ist, abgesehen vielleicht von belastbaren Kenntnissen über möglicherweise auf deutschem Boden stationierte Atomwaffen, so strikt gilt die Festlegung aus dem Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947: "Der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden werden hiermit aufgelöst."

Rettung aus dem Rheinland

Zehn Jahre später rehabilitierte die Bundesregierung unter dem Rheinländer Konrad Adenauer Preußen ein wenig, indem sie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus der Taufe hob. 2003 folgte die Gründung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam, neben den Preußen-Museen in  Wesel und Minden und dem Stadion von Preußen Münster ein Ort, der seitdem von einem ehemaligen Kutschpferdestall aus als "offenes Forum für die aktive Beschäftigung mit der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte" auftritt.

Preußische Geschichte aber ist lästige Geschichte. Ein Staat, der sich zur offiziellen Feier anlässlich des 75. Jahrestages seiner Verfassung nicht die Nationalhymne, sondern eine verballhornte Version mit anderem Text vorsingen lässt, will schon gar nicht mehr daran erinnert werden, wo er herkommt, was er auch mal war und weshalb er weltweit heute noch immer wieder damit verwechselt, obwohl er die Reitstiefel längst gegen modische Pumps eingetauscht hat. 

Ein neuer, sauberer Name

Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam wurde deshalb nun umbenannt.  Der neue Name lautet "Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Geschichte", ohne Preußen, ohne den von der deutschen Rechtschreibung vorgeschriebenen Bindestrich, aber um zwei Worte länger und weniger "sperrig", wie die Streichung Preußens begründet wird. Statt die Last einer Geschichte zu tragen, die sich nicht mehr ändern lässt, will das Haus nun seine "vielfältigen Kulturprogramme und Bildungsangebote nach außen vermitteln". Die neue Bezeichnung, ganz im großen Trend gewählt, setzt auf den unverfänglichen Namen "Brandenburg", für dessen "geschichtliche und kulturelle Vielfalt" getrommelt werden soll.

Da gibt es jede Menge zu sehen, denn Brandenburg aus früheres Grenzland verfügt über einen Boden, der sich in Jahrhunderten mit Blut nur so vollgesogen hat. Mit Feuer und Schwert erobert, anschließend verloren und zurückgeholt, wurde hier ganze Völker geschlachtet, zwangsumgesiedelt, remigriert und zu einem neuen Glaubensbekenntnis gezwungen. Das Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Geschichte radiert den späten preußischen Teil aus, dem der damalige SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe mit seiner Gründung hatte Gerechtigkeit widerfahren lassen wollen.

Die preußische Geschichte soll künftig zwar "weiter eine Rolle spielen". Aber wenn alles gut geht, fragt bald niemand mehr danach.


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