Sonntag, 19. Mai 2024

Hakenkreuz im Spiegel: Nichts gelernt

Nach 47 Jahren hat der "Spiegel" sein Hakenkreuz-Titelbild von 1977 noch einmal aufs Cover gehoben. Diesmal geht es nicht gegen Vorurteile im Ausland, sondern um den schlimmen Zustand des Inlands.

Das Erste, was die Nazis nach der Machtergreifung beseitigten, war die Fahne. Schwarz-Rot-Gold, das galt Hitler als die Regenbogenfahne der alten Republik, die wahren Nationalfarben seien Schwarz-Weiß-Rot. Kombiniert mit dem Hakenkreuz, verschaffte sich das Dritte Reich eine Symbolwelt, die bis heute fasziniert, zumindest in Hamburg, wo das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" immer wieder auf die echten oder eingebildeten Signets der Hitlerdiktatur zurückgreift.

Alles für das D-Wort

Mal ist es die Frakturschrift, die die Nationalsozialisten zwar verboten hatten, die der Spiegel-Grafikredaktion aber als unverzichtbare Nazi-Markierung gilt. Mal ist es die Bildsprache Leni Riefenstahls, die immer wieder als Eyecatcher für den Verkaufskampf am Kiosk genutzt wird. Das Hakenkreuz kommt eher selten zum Einsatz, das öffentlich Herzeigen steht schließlich unter Strafe. Doch nach dem erfolgreichen Test mit dem verbotenen Halbsatz "Alles für Deutschland", gegen den Nutzung kein Staatsanwalt Einwände erhob, begab sich nun eine Expedition aus erfahrenen Gestaltern tief in die "Spiegel"-Archive, um dort nach einer ganz besonders gelungenen Ausgabe aus dem Jahr 1977 zu suchen. 


Über "das Bild vom bösen Deutschland" hatte das damals noch recht journalistisch orientierte Blatt seinerzeit gemurrt, weil im Ausland nur von "Berufsverbot", "D-Mark-Imperialismus" und "Isolationsfolter" die Rede war. Anlass war die Affäre um den ehemaligen SS-Mann Herbert Kappler, der 1944 ein Massaker in den Ardeatinischen Höhlen vor den Toren Roms befehligt hatte und dafür nach dem Krieg von einem italienischen Militärgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Die Bundesregierung unter Willy Brandt setzte sich engagiert für eine Begnadigung des Kriegsverbrechers ein, allerdings erfolglos. Auch die Bemühungen der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Befehlshaber der Erschießung von 335 italienischen Zivilisten freizuhandeln, scheiterten. Kappler gelang dann die Flucht nach Deutschland. Die italienische Regierung tobte. Da Deutschland seine Staatsbürger damals allerdings noch nicht ins Ausland auslieferte, konnte die heute vergessene Symbolfigur deutscher Verbrechen wenige Monate später friedlich daheim in Soltau sterben.

Unvergessenes Titelbild

Unvergessen blieb in Hamburg das Titelbild, das die Ungerechtigkeit beklagte, mit der nur wegen eines einzelnen Massenmörders alle Deutschen zu Nazis erklärt wurden, obwohl Sachsen damals noch im Osten lag. Im Vordergrund sind frühe "Aktivisti" (Goethe-Institut) zu sehen, Frauen und Männer mit Protestbannern, aus denen später die Omas und Opas der heutigen Wähler*innen der "Postfaschistin Melonie" (Spiegel) werden sollten. Und um Hintergrund drückt sich das Hakenkreuz als Relief in eine Deutschland-Fahne - ein Bild, das die Grafikerexpedition in den "Spiegel-Keller bergen, polieren und für die aktuelle Ausgabe Nummer 21 des Jahrgangs 2024 noch einmal auf die Titelseite heben konnte.

"Nichts gelernt?", lautet diesmal die Frage, die Coverversion einer Überschrift von 2010, die ihrerseits eine Neuauflage eines Problemaufrisses von 1987 war. Die Antwort wird diesmal gleich mitgeliefert: "Wer glaubte, Rechtsextremismus und Judenhass seien überwunden, der hat sich geirrt", befindet Dirk Kurbjuweit, dem die "Taz" vor Jahren eine Sehnsucht nach der "Machtübernahme durch die Leitmedien" angedichtet hatte. Dazu kam es nicht. Heute werden annähernd 70 Prozent der Inhalte, die deutsche Mediennutzer konsumieren, von der Nachrichtenagentur DPA verfertigt und über Hunderte Abspielstationen verbreitet.

Nachnutzung nach 47 Jahren

Überall dort, wo noch unique gedrechselt und selbst erfunden wird, was gerade trenden soll, ist ressourcensparende Nachnutzung überlebensnotwendig. Die "Spiegel"-Abonnenten von 1977 sind heute Ende 70, eher noch älter. Keiner von ihnen erinnert sich noch an irgendetwas. Und Jüngere wie der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki sind vom Tabubruch getriggert: "Das Symbol von Völkermord, Menschenfeindlichkeit, Hass und Krieg ist mit der schwarz-rot-goldenen Flagge nicht in Zusammenhang zu bringen - es sind unüberbrückbare Gegensätze", hat sich der Querkopf unter den Liberalen wie bestellt empört. Kubicki sagt, er schäme sich, "dass im größten deutschen Nachrichtenmagazin die Sicherungen dermaßen durchgebrannt sind, dass so eine geschichtsvergessene, geschmacklose und gefährliche Titelgestaltung möglich wurde". 

Aber es ist ja nicht das erste Mal.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die näheren Umstände, auch Einzelheiten oder Details genannt, des Massakers an den ardeatinischen Höhlen, sind nicht unbedingt JEDEM bekannt. Könnten sie aber, und sollten sie sogar. Gilt auch für Oradour. Aber, man will nicht. Erzeugt kognitive Dissonanz, und die macht Aua im Kopf.

Arminius hat gesagt…

Die letzten Nazis dürften vor ein paar Jahren gestorben sein. Die tun diesem Land nicht mehr weh.
Ganz anders ihre grünen Enkel. Deren Zerstörungswerk hat seinen Höhepunkt noch nicht erreicht.

Alles für Buntland!

Anonym hat gesagt…

Auch du, Arminius, auch du ...
Die Frauenkirche hamse auch zerbombt.

Anonym hat gesagt…

"INGRES" gibt sich viele Müh' / mit dem tumben PIPI-Vieh ...

n0by hat gesagt…

Ob die SPIEGEL-Redaktion das verbotene Symbolkreuz sich auf "herzeigen" begnügt oder ob es ihr "Herz eigen" ist, wäre meine Frage?

Anonym hat gesagt…

das verbotene Symbolkreuz

Mit den Viet-Patienten* pflege ich darüber zu scherzen, mit den Hinduisten** erst recht. Beruht auf herzlichem Einvernehmen. Entente cordiale.

*Die haben mich damals ent-täuscht. Ich wähnte, jeder ein kleiner Ninja - ach woher. Opportunisten, Vulgärmaterialisten.

**Die freuen sich immer, wenn ich ihnen erkläre, dass mein Thorshammer der Streitaxt des Indra entspricht.