Einmal tauchte sie bisher außerhalb der kleinen verschwiegenen sozialdemokratischen Zirkel auf. Katarina Barley, die Spitzenkandidatin der deutschen Sozialdemokratie für die anstehende EU-Wahl ("Europa-Wahl"), forderte in aufsehenerregenden Interviews zum Wahlkampfauftakt eine eigene Atombombe für Brüssel und Berlin, um die Demokratie zur Not auch mit dem allerletzten Mittel verteidigen zu können. Das Echo war überwältigend: Barley, bis dahin als strategisches Leichtgewicht unterschätzt, war plötzlich ein echter Faktor auf der internationalen Bühne.
Im Zeichen des Sowjetsterns
Im Zeichen des ausgestanzten Sowjetsterns im Zuschnitt der ruhmreichen Sowjetarmee schickte sich die 55-Jährige an, der bis dahin so siegessicheren Ursula von der Leyen ernsthaft Paroli zu bieten. Ein Ding der Unmöglichkeit, so hatten Beobachter eigentlich zuvor geglaubt. Um die Wahlen in den 27 Mitgliedsstaaten nicht zu verlieren, hatte sich die mit allen europäischen Wassern gewaschene Taktikerin von der Leyen schließlich zwar mit großem Pomp zur "Spitzenkandidatin" der Europäischen Volkspartei ausrufen lassen. Es aber tunlichst vermieden, selbst als Kandidatin zur Wahl anzutreten. Erstmals bei einer Wahl weltweit steht damit eine Spitzenkandidatin nicht selbst zur Wahl. Sie trägt den Titel nur ehrenhalber, um in der "Tagesschau" jeweils als "Spitzenkandidatin" vorgestellt werden zu können.
Verlieren ist für von der Leyen verboten, es ist angesichts der klug geschnittenen Ausgangslage aber auch unmöglich. Verlieren wird Katarina Barley, obwohl sie die geplante große Werbekampagne mit dem Sowjetstern unmittelbar nach den ersten Hinweisen auf die unausweichlichen historischen Assoziationen einstampfen ließ und nun einem Hauch Schulz'schen Nationalismus den Vorzug gibt. Ja, die Kommissionspräsidentin teilt mit ihrer SPD-Konkurrentin das traurige Schicksal, Berlin und die deutsche Politik einst überhastet verlassen haben zu müssen. Von der Leyen war von der eigenen Kanzlerin nach Brüssel verbannt worden, als der Boden für sie, die so lange favorisierte Thronfolgerin, in Berlin aufgrund der seinerzeit aufgeregt verfolgten SMS-Affäre zu heiß wurde.
Per Bannstrahl nach Brüssel
Katarina Barley traf ein Bannstrahl aus der Parteizentrale: Andrea Nahles fürchtete die vergleichsweise frisch wirkende und mit ungewöhnlichen Thesen hausierende Kölnerin, die es mit Zahlen und Wirtschaft nicht so hat und dadurch immer automatisch auf Augenhöhe mit dem gesamten SPD-Vorstand argumentiert. Aus Furcht, selbst ausgebootet zu werden, entsandte die Vordenkerin der "Guten Gesellschaft" die führende Vertreterin der "Generation Parteiarbeiter" ins ferne Europa, wo Katarina Barley wie erhofft in einem tiefen Loch aus Bedeutungslosigkeit verschwand.
Sich aus dem herauszuarbeiten, schien der amtierenden Präsidentin des Arbeiter-Samariter-Bundes Deutschland mit der Atombombenforderung kurzzeitig zu gelingen. Doch wie der nachfolgende dramatische Spannungsabfall im Wahlkampfgetümmel zeigen auch die Hilfsmittel, derer sich Barley beim Kampf um die Köpfe bedienen muss, wie verzweifelt die frühere Familien-, Arbeits-, Sozial-, Justiz- und Verbraucherschutzministerin um Wahrnehmung betteln muss.
Hohlkammer A0
Barley gibt Kindern Interviews, sie spricht mit dem parteieigenen RND und mit dem ADAC und sie ist bereit, "EU Kandidierenden-Doppelplakate" im Format "Hohlkammer A0" (SPD) aufhängen zu lassen, die auf alle zuvor geplanten inhaltlichen Festlegungen verzichten und einfach nur "Deutschland stärkste Stimmen für Europa" bewerben. Katarina Barley hoffe damit, dass "ihr Einsatz für Demokratie in Europa endlich wahrgenommen" werde, hat der "Tagesspiegel" bei einer Autopsie der bisherigen Wahlkampfanstrengungen der SPD-Spitzenkandidatin festgestellt. Doch vergebens.
Nicht nur, dass Barley kaum einem Wähler bekannt ist, nein, den wenigen, die bereits von ihr gehört haben, erscheint die frühere SPD-Generalsekretärin oft auch noch als Spitzenkandidatin der europäischen Sozialdemokratie. Damit allerdings verstellt Katarina Barley dem echten Spitzenkandidaten Nicolas Schmit damit die Sicht auf die Völker Europas - und dem deutschen Volk die Sicht auf den Mann, den die "Party of European Socialists", die sich aus historischen Gründen in Deutschland lieber "Sozialdemokratische Partei Europas" nennt, gern als nächsten Kommissionschef installiert sehen würde.
Der unsichtbare Kandidat
Der 70-jährige Luxemburger, der seit 1979 auf allen Verwaltungsebenen gedient hat und derzeit als Kommissionsmitglied für Arbeit und Soziale Rechte dafür sorgt, dass alle "EU-Menschen vor den multiplen Krisen geschützt werden", wird weder plakatiert noch absolviert er Wahlkampfauftritte, der "Spitzenkandidat" kommt in deutschen Medien nicht vor, er betätigt sich seit März nicht mehr bei X, seit letzten Herbst nicht mehr bei Facebook, er betreibt keine eigene Wahlkampfseite und der eine Versuch seiner deutschen Genossin, ihn beim chinesischen Datenschutzportal TikTok jungen, fetzigen Neuwählern schmackhaft zu machen, endete vor einem Auditorium von nicht einmal 1.500 Zuschauern.
Politisch gesehen ist Mitte Mai natürlich auch schon alles vorbei. Die ersten Briefwähler haben ihre Kreuze gemacht, die schrecklichen Umfragewerte der SPD werden sich nicht mehr groß ändern. Die Schlacht und es fiel nur ein Schuss: Die verrückte Idee mit der Atombombe wird Historikern im Nachhinein vermutlich als einzig origineller Beitrag der sozialdemokratischen Verfechterin "hoher Arbeitsstandards" und einer "Migrationspolitik, die den Werten der Europäischen Union entspricht" auffallen.
Genügend Wählerinnen und Wähler aber wird auch dieser verzweifelte Versuch, alte Fake News als neue Wahrheiten zu verkaufen, nicht überzeugen.
2 Kommentare:
OT
Bei EIKE:
B.Recht am 12. Mai 2024 um 21:26
>> Wer nur noch etwas Grips im Hirn hat, hat dies schon von vorneherein gewußt. Aber wie bei Corona, das in der Mehrzahl dumme gehirngewaschne Volk ist dabei und marschiert in der großen Herde mit. Wie bei Adolfs: Führer befiel wir folgen dir. <<
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Nachdem Dr. Roland Ullrich seinen Adolf-Flitz aufgegeben hat (liest der hier mit?), kommt der nächste Flachwixxer ... DER, und "Grips" ...
Die fünf Zacken am Pentagramm, Kassandra hatte ja auch kein Aas glauben wollen, dass das trojanische Pferd voller feindliche Krieger stäke - stehen für die unappetitlichen Brüder Kalman, Jakob, Amshel. Shlomo, Nathan.
Die meisten von euch werden jetzt in völlig unangebrachtem Dünkel loshusten ...
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