Freitag, 3. Mai 2024

EU-Flüchtlingsbremse: Was kostet der Libanon-Deal?

Die Willkommenseuphorie in der EU ist nun  auch offiziell abgeebbt.

Keinen Deut besser ist die Lage geworden, seit über den Krieg in Syrien nicht mehr berichtet wird. Immer noch fliehen die Menschen zu Tausenden aus den Krisengebieten in Nordafrika, sie versuchen ihr Glück über die Türkei und die Balkanroute oder sie wagen die Fahrt übers Mittelmeer.  

Ende der offenen Arme

Doch die offenen Arme, mit denen Europa die auf dem Höhepunkt der Willkommenseuphorie als "Schutzsuchende" bezeichneten Neuankömmlinge begrüßte, sie sind verschränkt. Das Reich der Träume von einer besseren Zukunft hat die Türen geschlossen, es spricht jetzt wieder von "Asylbewerbern", statt den respektvollen Begriff "Geflüchtete" zu benutzen. Und nicht nur deutsche, sondern auch europäische Politiker überbieten einander im Wettbewerb um die strengsten Maßnahmen und das Abschieben "im großen Stil". 

Nach Verträgen zur Abschottung, die die EU bereits mit Tunesien und Marokko abgeschlossen hat, folgt nun ein sogenannter Milliarden-Deal mit dem Libanon. Von dort aus machen sich immer mehr Schutzsuchende auf nach Zypern, der zur EU gehörenden Mittelmeerinsel, deren eine Hälfte der Nato-Partner Türkei völkerrechtswidrig besetzt hält. Die Boote aus dem Libanon nehmen Kurs auf die demokratische Seite des Eilands, dessen Regierung seit Jahresbeginn rund 4.000 ankommende Bootsflüchtlinge gezählt hat – deutlich mehr als vor einem Jahr, als nur 78 angekommen waren.

Flirt mit dem rechten Rand

Und viel zu viele, geht es nach der EU-Kommissionschefin, die nach der EU-Wahl im Juni gern eine zweite Amtszeit antreten würde und dafür auch bereit ist, mit dem rechten Rand zu flirten, wie es die Rheinische Post nennt. Nicht mehr die Not derer, die ihre Heimat verlassen, soll zählen, sondern der Wille derer, die schon in Sicherheit sind. "Es sind wir, die Europäer, die entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen", hat von der Leyen anlässlich der Unterzeichnung der Vereinbarung mit dem Libanon wissen lassen. Eine Milliarde Euro will sich die Gemeinschaft die Flüchtlingsbremse kosten lassen - das ist beinahe doppelt so viel, wie die britische Regierung Ruanda als Lohn für das gemeinsame Abschiebeabkommen versprochen hat.

Dabei geht es um einen "Zustrom" (Angela Merkel) in ähnlichen Größenordnungen. Großbritanniens Premier Rishi Sunak will mit dem Ruanda-Plan die Zuwanderung über den Ärmelkanal stoppen: 4.600 Bootsflüchtlinge kamen in diesem Jahr über die schmale Wasserstraße in das vom Brexit verheerte Inselreich. Für die ausgelobte Summe soll das zentralafrikanische Land mit seinen 13 Millionen Einwohnern 300 Asylbewerber aufnehmen - Sunak spekuliert dabei natürlich nicht darauf, dass er ein paar hundert Zugeströmte loswird, sondern darauf, dass niemand mehr nach Großbritannien aufbrechen wird, wenn er fürchten muss, nach seiner Ankunft in Ruanda aufzuwachen. 

Methode Abschreckung

Funktioniert diese Methode der Abschreckung, würden sich die Kosten nicht auf 1,8 Millionen Pfund pro abgeschobenem Schutzsuchenden belaufen, sondern nur auf rund 40.000. Zum Vergleich: 2022 kosteten die rund 540.000 Empfänger von sogenannten Asylbewerberleistungen in Deutschland die Staatskasse pro Person und Jahr 12.000 Euro. Schon nach vier Jahren würde Sunak sparen.

Die EU würde gern auch, in Deutschland zumindest prüft Innenministerin Nancy Faeser das Ruanda-Modell schon seit Monaten. Aber niemand traut sich, weil die lange Bank allen Beteiligten attraktiver erscheint als ein kurzer Prozess. Seit vor mehr als einem Jahr einmal mehr eine gemeinsame europäische Lösung beschlossen wurde, diesmal unter der Überschrift "EU-Asylreform", ist der 2019 beschlossene "provisorische Verteilmechanismus für Flüchtlinge" nicht mehr letzter Stand. Aber die "beschleunigten Grenzverfahren an den "Außengrenzen" - gemeint war natürlich außerhalb des EU-Gebietes - sind nicht nur medial einen stillen Tod gestorben, sondern einer Umsetzung auch keinen Millimeter nähergekommen.

Neidischer Blick nach London

Neidisch schauen sie aus Brüssel und Berlin nach London, wo die ersten Abschiebeflüge bereits in zehn bis zwölf Wochen abheben könnten, um eines jener Zeichen zu setzen, für die eigentlich die EU und ganz besonders Deutschland bekannt ist. Wer kommt, ist schnell wieder weg, signalisiert Sunak in der Hoffnung, dass Schutzsuchende sich ein anderes Zielgebiet suchen, vielleicht gleich nebenan. Im EU-Mitgliedsstaat Irland wissen sie schon, was gemeint ist. 

Mit ihrer als "Unterstützungspaket" (BWHF) bezeichneten Flüchtlingsbremse reagiert die EU auf ihre Weise: Die Gemeinschaft, wer auch immer genau, wird der Regierung eines Landes, in dem Menschen wie Sklaven gehalten, queer lebende Bürger verfolgt und Grundrechte missachtet werden, nach den Buchstaben des "Pakts der Schande" (FR) rund eine Milliarde Euro dafür zahlen, dass sie ihr den lästigen Zustrom von Verfolgten des syrischen Diktators Baschar al-Assad vom Leibe hält. 

Der Syrienkrieg ist medial tot

Der könnte seiner medialen Präsenz zufolge inzwischen auch tot sein - das Überangebot an fürchterlichen Figuren hat den vor zehn Jahren noch schrecklichsten Despoten der Welt fast so vollkommen zum Verschwinden gebracht wie den Syrienkrieg, der all das Leid und all die Fluchtbewegungen ausgelöst hat. 

Die EU hat ebenso wie Deutschland aus jede Anstrengung eingestellt, mit dem im vergangenen Jahr in die Arabische Liga zurückgekehrten Regime in Damaskus auf eine Lösung der gemeinsamen Probleme hinzuarbeiten oder gar über die Rückkehr der Geflüchteten oder überhaupt über irgendetwas zu reden. Aller paar Monate verhängt die EU rituell neue Sanktionen gegen namenlose Beamte, anschließend verlängert sie die gegen das Regime selbst, und das alles bringt genauso viel wie zuvor: Nichts.

Warum also nicht dem Libanon, wie Syrien Gründungsstaat der Arabischen Liga, eine Milliarde geben, um "das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen" zu "stärken"? Warum nicht auch in Zeiten knapper Kassen dafür sorgen, dass die "Mittel für die Sicherheitsbehörden und die Streitkräfte" (DPA) des autoritären und korrupten Regimes "für den Kampf gegen Schleuserbanden" reichen?


5 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Unterm Strich kann man argumentieren, dass sich UvdL ihren ganz persönlichen Wahlkampf hat gerade 1 Mrd EUR kosten lassen.

ppq hat gesagt…

aber wenn wir fragen würden, wer das bezahlt, wäre schnell klar: der steuerzahler jedenfalls nicht, denn der staat hat gut gewirtschaftet!

Anonym hat gesagt…

Seßähmproßiedscheräßävveriyier, James.

Anonym hat gesagt…

>> Das liefe auf eine Realisierung des Morgenthau-Plans (mit einer Scapa-Flow-Reminiszenz) unter anderen, diesmal im Namen des Klimas vorgebrachten Prämissen hinaus, leider, wie gesagt, ausschließlich beschränkt auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Ob Schellnhuber in so einem Moment wenigstens die verlorenen Ostgebiete bedauert?

Und bitte keine Sentimentalitäten, wenn Ihr CO2-Kontingent aufgebraucht ist, das Auto arretiert und die Heizung abgestellt, während zur gleichen Zeit ein isländischer Vulkan ausbricht! Der Vulkan kann nicht anders, Sie ja! Der Vulkan gehört zur Erde, Sie nicht! <<

Ob es Klonovsky in diesem Leben noch einmal schnallen wird? Eher nicht. Er ist, wie Hadmut auch, oft recht dicht dran - aber - gleich ist wieder Sense.

Anonym hat gesagt…

Hoppsa, bevor ich von "phoenix" wegklicken konnte: Der Kriegsminister der JSA, Wazinga Mumba Wumba Ngorongoro, äußert sich ... alsdann Biden der Weise ...