Samstag, 20. April 2024

Schonungslose Umfrage: So glücklich macht uns die EU

Über den gesamten Zeitraum sehen die Zahlen nicht gut aus. Das ZDF hat deshalb bei der Berichterstattung des Cuttermesser angesetzt, so dass die Mainzer Grafiken nun ein besseres Ergebnis zeigen können.

Niemand sonst wollte es machen, viel zu über waren die Aussichten. Wer heutzutage daran geht, die Meinung der EU-Europäer zu ihrem Superstaat aus 27 Einzelinteressenregierungen zu erfragen, darf sich relativ sicher sein, dass er Mühe haben wird, dass alle Bemühungen um ein sogenanntes "stärkeres Europa" delegitimierende Desaster nicht einmal mehr von der ZDF-Meisterwerkstatt für mediale Manipulation (MMM) in Grafiken gepresst bekommen wird, die den Spaß am gemeinsamen Europa-Erlebnis betonen.  

Unbemerkt von der Öffentlichkeit

Auch die "letzte Umfrage vor der Wahl" (ZDF) musste die EU also selbst durchführen lassen. Unbemerkt von der Öffentlichkeit widmete das "Eurobarometer" des Europäischen Parlaments eine ganze "Sonderausgabe" seines monatlichen Newsletters den erfragten Daten dazu "was die Bürger vom Europaparlament halten", wie das ZDF einen Monat später seine Zusammenfassung überschreibt. Sparsames Europa: Wie die "Sonderausgabe" bedeutete, dass es vom monatlichen "Eurobarometer" für den März keinen regulären Newsletter geben wird, bedeutet "Eurobarometer" auch, dass die Leitmedien in geübter Weise alles weglassen, was über "toll", "pure Liebe", "positiv" und "freue mich" hinausgeht.

Kaum verwunderlich, denn selbst das ZDF hat spürbar große Mühe, aus den apokalyptischen Zahlen, die das Eurobarometer sicherlich auch nicht ungewichtet zusammengestellt hat, eine Jubelarie zu stricken. Die damit betraute Luisa Billmayer müht sich, die Grafikabteilung der MMM gibt alles. Doch um das "Image des Europäischen Parlaments besser denn je" aussehen zu lassen, muss der Grafikausschnitt, den die EU selbst geliefert hat, schon kräftig mit dem Cuttermesser bearbeitet werden. Die ARD stand hier Pate mit ihrer Lobpreisung auf die fallenden Erzeugerpreise, einem Werk, aus dem alle relevaten Informationen entfernt worden waren.

Die Studie bezieht sich auf den Zeitraum 2007 bis 2023. 2008 meinten in der gesamten EU noch 48 Prozent der Befragten, dass das Europaparlament bei ihnen ein "total positives" Image genieße. Heute sind es nur noch 45 Prozent, in Deutschland fiel der Wert sogar von 49 auf 41 - weshalb das ZDF seine Datenerzählung in den Jahren der Finanzkrise beginnt, als es noch schlimmer war.

Ein herbeifantasiertes Steigen

Ein organisiertes Steigen, das die Ergebnisse des Eurobarometers bewusst und gezielt verfälscht, indem es sie auszugsweise darstellt. Obwohl die Studie zum Meinungsbild der Europäer allein schon fragwürdig ist, weil hier ein Auftraggeber über sich selbst Erkundigungen einziehen lässt, fühlt sich der Gemeinsinnsender aus Mainz noch bemüßigt, das größte teildemokratisch zusammengewählte Parlament der Welt besser dastehen zu lassen, als dessen Agitatoren es aufgrund der zusammengefragten Zahlen vermochten. 

Was den Mainzern nicht passt, wird weggelassen. Was nicht gefällt, wird relativiert. Was nicht dienen kann, muss draußen blieben. Und wo die EU wirklich mal eine vergleichsweise gute Figur macht, wird das nicht erwähnt, weil der Umstand, dass das Vertrauen der Menschen in die Demokratie in Deutschland noch weitaus schneller fällt als in der EU den zuständigen Propagandisten wohl als zu wenig aufmunternd erschien.

Der Zweck heiligt die Mittel

Was wirklich in der Unterlage steht, spielt keine Rolle. Zu trübe sind die Nachrichten, zu traurig das Ergebnis von so vielen Jahren des Versuchs, den Europäern einzureden, all die Regel und Richtlinien, in undurchsichtigen Hinterzimmerverhandlungen ausgewürfelt von Leuten, die dort auftauchen wie Kai aus der Kiste, unbekannt und ungewählt, seien das Gelbe vom Ei, sind offenkundig gescheitert. Nur noch 36 Prozent der EU-Europäer haben ein positives Bild vom EU-Parlament, im Vergleich zu 2021 sind mit nur noch 54 Prozent fast zehn Prozent weniger der Meinung, das EU-Parlament sei wichtig. In Deutschland stürzte der Wert gar von irrationalen 72 Prozent um knapp 20 Prozent auf nur noch 53.

Der Rest ist nicht besser. Nur eine Minderheit verbindet die EU mit positiven Erwartungen, obwohl eine Mehrheit immerhin glaubt, dass die Mitgliedschaft für ihr Heimatland positive Folgen hat. Nur eine Minderheit ist der Ansicht, dass ihre Stimme in der EU zählt, und nur 50 Prozent trauen den weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Vorgängen im EU-Parlament - positiv ist hier nur, dass die EU-Europäer ihren nationalen Parlamenten noch viel weniger trauen. 

Wunderbares Europa-Gefühl

Das sind verstörende Zahlen, aus denen sich kein wunderbares Europa-Gefühl zaubern lässt wie damals aus dem Friedensnobelpreis, den zu erringen seitdem keinem anderen Kontinent gelang. Das ZDF spart sich die Übermittlung der bösen Botschaften von skeptischen EU-Insassen, fehlendem Vertrauen und wachsenden Zweifeln an Sinn, Zweck und Art der Durchführung des Unternehmens. Viel lieber verbreiten sie Nachrichten, die zweifellos von einem anderen Kontinent auf einem anderen Planeten in einer anderen Galaxie kommen. Die Deutschen etwa - samt ihrer Nachbarn ohne deutschen Pass - bewegten derzeit am meisten Themen wie "Demokratie und Rechtsstaat" und "Zukunft Europas", heißt es. Erst danach folge "Migration und Asyl". 

Eine tiefe Spaltung in der EU, denn außerhalb der deutschen Grenze gehe es oft um soziale Themen wie "Armut bekämpfen" und "Gesundheitswesen", auch "Wirtschaft und Arbeitsplätze" sind im EU-Raum insgesamt wichtiger als in Deutschland, wo die Bundesregierung für all diese Dinge verlässlich sorgt. "Das Ergebnis lässt vermuten, dass die Menschen in Deutschland mit der sozialen Gerechtigkeit, dem Gesundheitssystem und der Wirtschaft insgesamt zufriedener sind als der Rest der EU." Verständlich, denn welche so grundversorgt wird, der lebt mit sich selbst im Reinen.



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