Es dauerte immerhin 60 Jahre bis zur Tat und 61 bis zum Urteil. Dann aber stellte OLG Hamm ein für allemal klar, dass mancher Satz mehr ist als die Summer seiner Teile. Mochte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" auch in einem Beitrag über einen SPD-Kanzler gelobt haben, der Mann tue "alles für D-Wort", mochte auch der Fußballer Kevin Kuranyi behauptet haben, dass es gar nicht darauf ankomme, mit wem man zusammenspielt, wenn man "alles für D-Wort" gebe.
Nach 60 Jahren
Am 1. Februar 2006 jedenfalls war es so weit: Ein Jugendrichter am Amtsgericht im westfälischen Hamm hatte geurteilt, dass die Verwendung des Satzes bei öffentlichen Veranstaltungen einen strafbaren Verstoß gegen § 86a StGB darstellt. Nun stellte das OLG Hamm fest: Ja, mit der Zusammenfügung dreier vermeintlich argloser Worte entsteht ein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation, die zwar bereits mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 2. September 1945 aufgelöst worden war. Seitdem aber weiterwirkt und nun endlich Anlass ist für den Prozess des Jahres.
Ein Provinzpolitiker ohne Amt und ohne jede Aussicht hat, eines zu erlangen. Und eine Straftat, auf die im äußersten Fall drei Jahre Haft stehen, die hier aber allenfalls mit einer Geldstrafe abgetan werden wird - wenn es der Staatsanwaltschaft gelingt, Beweise dafür vorzulegen, dass der mutmaßliche Täter wusste, was er bisher bestreitet gewusst zu haben: Dass der Satz nicht nur eine SA-Parole war. Sondern seit der Verabschiedung einer neuen deutschen Verfassung durch den Parlamentarischen Rat im Jahr 1949 als verfassungsfeindliches Kennzeichen gilt.
Braune Lederschuhe
Es ist ein Auflauf wie bei O.J.Simpson, Donald Trump oder Gil Ofarim. Alle sind sie da, von nah und fern herbeigeeilt wie zu einer Klimakonferenz, um den "hellblauen Schlips" (Focus) des "Angeklagten" (Spiegel), seine "braunen Lederschuhe" (sic!!!) und sein "merkwürdiges, fast aufreizendes Lächeln" zu beschreiben. Es kommt zu Verspätungen, diesmal nicht wegen der Bahn, mit der die Korrespondenten aus aller Welt angereist sind, sondern wegen des Andrangs. "Deutschland gegen Björn Höcke" (Die Zeit), das ist noch besser als die Böll'sche RAF-Heldensaga im "Spiegel" von 1972 mit dem Titel "6 gegen 60 Millionen".
Aber freies Geleit gibt es diesmal nur medial. Jeder will den Deliquenten noch einmal sehen, bevor er für immer hinter eisernen Gardinen verschwindet. Jeder will noch einmal die "unverkennbare Taktik" (FR) entdecken, mit der die Anwälte von "Deutschlands wohl prominentesten Rechtsextremen" schon die Verlesung der Anklage verzögern, mit der der Rechtsstaat zeigt, dass er noch da ist, wenn es um die wirklich großen, bedeutenden Dinge geht.
Mit welcher geheimen Absicht? Um den Prozess bis nach Höckes Machtergreifung zu verschleppen? Noch niemals habe er so etwas erlebt, soll der Anklagevertreter geschimpft haben. Offenbar hat man den Prozess, der wegen seiner überragenden Bedeutung ohne erstinstanzliche Verhandlung vom Amts- ans Landgericht verwiesen worden war, einem Berufsanfänger anvertraut.
Halbe Anklage fällt
Alle anderen aber sind alte Hasen. Aus einer Anklage, die sich auch mit einiger Anstrengung nicht in mehr als fünf Minuten vorlesen lässt, nach dem zweite Anklagepunkt der Verwendung von zwei Dritteln der SA-Parole vor dem Frühstück noch schnell fallengelassen worden war, werden medial wahre Höcke-Festspiele. Der aus dem Westen in den Osten geflüchtete Gymnasiallehrer ist von den großen und kleinen Blättern wahrlich nicht schlecht verwöhnt worden in den vergangenen Jahren.
Was immer er gesagt, getan oder nicht getan hat, es machte die Runde und ihn immer berüchtigter und berühmter. Das hier nun, ein Auftritt im Hochsicherheitssaal, vor den Augen der Weltpresse, in einem Verfahren mit einem Strafrahmen von Geldstrafe bis zu drei Jahren Haft, falls bei Höcke doch noch Vorstrafen auftauchen, übertrifft alles. Höcke-Hysterie! Höcke-Festspiele! Live-Ticker aus der Warteschlange vor dem Gerichtsaal. Eil-Meldungen: Es ist Mittagspause im Verfahren. Was für ein Geschenk in einem Wahlkampf, den der 52-Jährige ohnehin als verfolgte Unschuld vom Lande führt.
Nur geschlagen vom Iran
Wirklich: Höcke liefert sich ein Kopf an Kopf-Rennen mit dem Iran, und er musste sich dem Mullah-Regime, das sich müht, den Dritten Weltkrieg vom Zaun zu brechen, nur ganz knapp geschlagen geben. Scholz in China, Habeck in der Ukraine, Baerbock im ZDF - alle hat er sich hinter sich gelassen mit seinem strafbaren Verstoß gegen § 86a StGB, bei dem das Portal anwalt.de darauf hinweist, dass "natürlich der Zusammenhang berücksichtigt werden" müsse, "da eine einfache Wortfolge schwerlich unter Strafe gestellt werden kann". Der Angeklagte im Fall aus Hamm war Mitglied einer nationalsozialistisch gesinnten Gruppe mit der Bezeichnung "Kameradschaft I", er hatte bei einer Veranstaltung des "rechten Spektrums zahlreiche Gruppierungen der Gesellschaft, u.a. Zigeuner, Juden, Neger, Homosexuelle" verächtlich gemacht und seine Rede mit dem Ausruf "Alles für Deutschland" beendet und, als Sahnehäubchen, eine 16-Jährige mit der Faust ins Gesicht geschlagen."Rechtsschaffender Bürger"
Ein "nicht hinnehmbares Verhalten", befand das Jugendgericht, denn das Mädchen habe "ihm keinerlei Anlass gegeben hatte, derart massiv gegen sie vorzugehen". Zugunsten des Angeklagten hingegen sei berücksichtigt worden, "dass es sich lediglich um einen einzigen Satz handelt, den der Angeklagte ausgesprochen hat und der die Strafbarkeit beinhaltet", zudem sei "dieser Satz nur von Gleichgesinnten gehört" worden, "so dass eine schädliche Beeinflussung rechtsschaffener Bürger (im Original) offenbar nicht stattfinden konnte".
War die Gefahr bei Höcke gegeben? Welche für und gegen ihn sprechenden Umstände wird das Gericht in den kommenden Verhandlungswochen zutage fördern können? Welche Beweise hat die Staatsanwaltschaft? Gibt es Unterlagen, in denen Höcke die Parole notiert hat? Bücher, in denen sie vorkommt und die er gelesen zu haben nicht leugnen kann? Hat er Filme gesehen, sein nationalsozialistischen Gedankengut vielleicht sogar in Probereden aufgezeichnet? Was sagt seine Suchhistorie bei Google, was Zeugen aus seinem Umfeld? Wird er selbst weiter leugnen? Oder schließlich Einsicht zeigen wie Gil Ofarim und gestehen? Verliert er das aktive und das passive Wahlrecht? Oder beides?
Drei weitere Prozesstage sind bereits angesetzt. Allem Anschein nach aber wird das nicht reichen.
13 Kommentare:
#Niewiederistjetzt!
@Volker
Eigentlich eher: schon wieder nie wieder.
Wie ich gestern bei der dpa anfrugen tat.
"Wieso wurde in dem Artikel über Höcke und dessen Gerichtsprozeß verschwiegen, daß er in genau jenem Hallenser Gericht zum Tode verurteilt werden soll, in dem die Urteile unter dem Motto "Jedem das Seine" gefällt werden?"
Man könnte meinen, zumindest in der deutschen Gerichtsbarkeit ist "nie wieder" en vogue.
spiegel.de
Auch der SPIEGEL hat die Losung schon versehentlich als Überschrift für einen Text verwendet.
Nein. Klar Nazi!
Kleiner Beifang:
Vorsitzender des Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ist ein gewisser Florian Gutsche, über den man nichts in Erfahrung bringt, der aber mit seinen <40 Jahren ganz sicher nicht verfolgt wurde.
versehentlich? JEDER weiß seit 1945, dass die kombination der drei worte strafbar ist!
Voigt sein schmieriges Grinsen - Höckes merkwürdiges Lächeln. Wunderbares Thema für einen Aufsatz.
Vosgerau hätte ich auch nicht gerne zum Gegner als Staatsanwalt bzw. Teil der geifernden Meute.
Es geht noch schlimmer als mit Höcke. Im Westen.
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DerWesten
Annalena Baerbock postet nacktes Körperteil – dann wird es eklig
https://www.derwesten.de/politik/baerbock-annalena-fuss-fetischisten-z-a-id300756025.html
Das Fußbild können sie behalten.
Aber:
Immerhin scheint die Grüne mit dem Ausgang der Weltklimakonfernz zufrieden zu sein. Ihr falle „ein riesen Stein vom Herzen“, dass „die Welt das Ende des fossilen Zeitalters beschlossen hat“.
Ja wird Zeit. Die Dinosaurierskelette in den Museen werden als erstes zu Potenzpillen für den chinesischen Markt verarbeitet.
Alles für Habeck!
Was das alles wieder kostet. Man könnte das Geld auch in der Ukraine in die Luft jagen, feministische Radwege in der 3. Welt bauen oder endlich mal eine Genderprofessur einrichten.
Was aber nicht passieren darf ist: Eine Brücke reparieren, Schlaglöcher flicken, Schulen renovieren oder mal einen Zug pünktlich fahren zu lassen.
Köstlich wieder, die Dreckschleudern in ihrem Element - "braune Lederschuhe ...". Da war doch was vor über zehn Wintern im "Kurier", über eine vorgebliche Natzi-Laubenkolonie in Heinersdorf: "Die Frauen tragen lange Röcke" - pfui Deibel aber auch.
Louis Aragons Definition von Schurnalisten ist auch seit ewig nicht mehr im Internet
aufzutreiben, von wegen, vergisst nichts.
Wie geht diese Definition denn?
Ich kenne sie nicht.
Und nur Mut: Ich denunziere Sie nicht.
"Journalist ist der vornehmere Ausdruck für Dreckschwein" ---
Louis Aragon (Künstlername)
danke!
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