Die Einführung der Ökosteuer vor 25 Jahren hat eine echte Erfolgsgeschichte geschrieben. |
Der erste Anlauf, er war noch zaghaft, fast verschämt. Kein Sprung und kein großer Schritt für die Menschheit, nur eine verdruckste kleine Meldung. Das Plenum des Bundestages, hieß es damals, vor 25 Jahren, habe den "Einstieg in die Ökosteuerreform" mehrheitlich beschlossen: Der wichtigste Teil der wegweisenden Entscheidung: Die stufenweise Einführung einer Ökosteuer auf den Energieverbrauch aller Art, überall im Land.
Der Einstieg in den Ausstieg
Freilich: Es ging niemandem um das Weltklima, den Umbau der Wirtschaft oder die Verminderung von CO2-Emissionen. Die neue Ökosteuer sollte dazu dienen, die aus dem Ruder laufenden Rentenbeiträge halbwegs stabil zu halten. Zum Auftakt gab es, niemand sollte über Gebühr beunruhigt werden, mit dem "Steuersenkungsgesetz" eine große Geste an die Reichen. Die für 2003 in Aussicht gestellte "zweite Stufe der Entlastung" teilt dann aber das Schicksal, das später auch das Klimageld erleiden wird. Eine Hochwasserkatastrophe im Sommer 2002 dient als bequeme Entschuldigung dafür, dass der Staat jederzeit, nur aber eben gerade jetzt nicht an der Steuerschraube drehen könne, schon gar nicht nach unten.
Historisch bleibt jener März in jenem Jahr 1999 wegen des von SPD und Grünen durchgedrückten Einstieg in die ökologische Steuerreform, gegen die nicht nur CDU/CSU und FDP, sondern auch die damals noch als "PDS" firmierende heutige Linkspartei opponieren. Vergebens. Das Gesetz, das am 1. April 1999 in Kraft tritt, führt eine neue Stromsteuer in Höhe von soll 20 Mark für eine Megawattstunde ein. Sie subventioniert zugleich Nachtspeicherheizungen, wenn auch nur die, die vor dem 1. April 1999 installiert worden sind, indem sie deren Stromsteuersatz auf 10 Mark pro Megawattstunde begrenzt.
Der erste Industriestrompreis
Den "Industriestrompreis", den ein späterer grüner Wirtschaftsminister nur versprechen wird, erfindet Rot-Grün auch schon mal: Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes gilt ein ermäßigter Steuersatz von vier D-Mark pro Megawattstunde, vorgeschaltet ist aber ein Antragsverfahren. Wer Zeit und Muße hat, nachzuweisen, dass die von seiner Firma bezahlte Stromsteuer "das 1,2fache des Betrages übersteigt, um den sich für das Unternehmen der Arbeitgeberanteil an den Rentenversicherungsbeiträgen durch die Beitragssenkung bei entsprechender Anwendung der gesenkten Beitragssätze im gleichen Zeitraum des Jahres 1998 vermindert hätte", kann hoffen, dass ihm "die Steuer erlassen, erstattet oder vergütet" wird. Wenn auch nur, wenn "sie im Kalenderjahr den Betrag von 1.000 DM übersteigt".
Ein Rechnen hin und rechnen her, Stromsteuer gegen Versicherungsbeiträge minus "tragbarer Selbstbehalt", aber entgegen einem Votum des Landwirtschaftsausschusses nicht für Agrarbetriebe, auch nicht bei im Mineralölsteuergesetz, das die Steuer auf Kraftstoffe um sechs Pfennige je Liter, auf Heizöl um vier Pfennige je Liter und auf Gas um 0,32 Pfennige je Kilowattstunde anhebt. Peanut, denn Anfang 1999 kostet ein Liter Super in Deutschland weniger als 80 heutige Euro-Cent, der Liter Diesel kaum über 60.
Warum wir das brauchen
Mit 332 Ja-Stimmen bei 299 Nein-Stimmen ist der Bundestag trotzdem recht gespalten. Nicht alle sind überzeugt von den Argumenten, die das Umweltbundesamt unter der abwägenden Überschrift "Warum wir die Ökologische Steuerreform brauchen" wie auf Bestellung geliefert hat. Man müsse künftig den "Umweltverbrauch belasten und Arbeit entlasten" heißt es da, denn die "Klimaerwärmung" sei "eine Gefahr für uns alle", zudem gebe es die "Ressourcenknappheit – eine oft ignorierte Bedrohung" und "unser Abgabensystem" sei so "aus den Fugen geraten", dass die Lohnnebenkosten zum "Jobkiller" würden. Der große Wurf zeigt Wirkung: Binnen zweier Jahre sinken die Lohnnebenkosten von 42,1 Prozent auf nur noch 40,9 Prozent. Da liegen sie auch heute.
Die Ökosteuer - offiziell "Ökologische und sozialen Steuerreform" (®© BWHF) - ist für Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine der Einstieg in die "ökologische Modernisierung des Steuersystems". Eine "historische Aufgabe", sagt der Sozialdemokrat, der wenige Tage später alle seine Ämter samt Bundestagsmandat niederlegen wird. Die Bundesregierung, geführt von Gerhard Schröder, geht ohne ihn daran, "auf europäischer Ebene zu einer Abstimmung über die Energiebesteuerung zu kommen", wie sie die spätere Kanzlerin Angela Merkel gleich gefordert hat.
Merkels Sorgen
Merkel, der aufgehende Stern der Union, hält einen nationalen Alleingang mit "unsinnigen Ausnahmebestimmungen" für einen Fehler: Auch die Kommunen müssten für den "nichtstrombetriebenen öffentliche Personennahverkehr" (Merkel) zahlen. Und Sozialhilfeempfänger, ja, die Ostdeutsche aus Hamburg hat ein soziales Herz, "die von der Senkung der Lohnnebenkosten nicht profitieren", seien doch auf Busse und Bahnen angewiesen!
Es geht im Grunde um alles. "Die globale ökologische Krise erfordert auch in der Bundesrepublik
Deutschland eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und eine
Ausrichtung des Wirtschaftens am Leitbild der Nachhaltigkeit", so hat es der Bundestag beschlossen. Vorrangig
sei "in
diesem Zusammenhang die Reduzierung des CO2-Ausstoßes". Die Beschlüsse der Klima-Konferenzen von Rio, Berlin, Kyoto und Buenos Aires hätten dazu "Ziele und Strategien diskutiert". Auf dieser Grundlage nun sehe sich die Bundesregierung verpflichtet, "bis zum Jahr 2005
den CO2-Ausstoß um 25 % gegenüber 1990 zu reduzieren." Das wird nicht klappen, zum Zieldatum werden es gerade einmal 10 Prozent weniger sein. Neue Klimaziele sind dann aber schon fertig, terminiert wieder weit hinter den Horizont.
Bei der "ökologischen Steuerreform" geht es ja auch um alles. Nur nicht um das Weltklima oder das damals noch hochmodische Thema "Ökologie", das heute nahezu keine Rolle mehr spielt. "Öko" ist ein Label, das neue Einnahmen verspricht, ohne allzuviel Unmut zu erregen. "Klima" kommt im Gesetz nicht einmal vor, es dient nur als Verpackung für die neue Steuer. Die Steuer entstehe "dadurch, daß vom im Steuergebiet ansässigen Versorger geleisteter Strom durch Letztverbraucher im Steuergebiet aus dem Versorgungsnetz entnommen wird, oder dadurch, daß der Versorger dem Versorgungsnetz Strom zum Selbstverbrauch entnimmt", heißt es in Paragraph 5. Einfacher geht es doch nicht.
Unauffälliger geht es nicht
Und unauffälliger auch nicht. Die Strom- wie die Mineralölsteuer ist niedrig für den, der sie bezahlen muss, aber reizvoll hoch im Gesamtvolumen. Niemand kann ihr ausweichen oder sie vermeiden. Jeder gewöhnt sich schnell daran. Das Konzept liefert die Vorlage für alles, was später noch kommen wird: Die EEG-Umlage, Netzentgelte, CO2-Abgabe, KWKG-Umlage und Offshore-Netzumlage. Was nicht kommt, sind die Entlastungen: Die Grünen wollen sich zwar anfangs wegen des Problems, dass nur Beitragszahlern die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge nutzt, nicht aber Sozialhilfeempfänger und Studenten, bei den "nächsten Reformstufen etwas überlegen". Aber als es so weit ist, muss das gar nicht mehr. Die Kritiker sind längst zur nächsten Baustelle weitergeeilt.
Auch die FDP beklagt bald nicht mehr, dass "unter dem Deckmantel der Ökologie beim Bürger abkassiert" werde und allein für die Beantragungsprozeduren bei den Entlastungsanträgen 530 neue Planstellen besetzt werden müssten. Die Sozialdemokratie kündigt unverdrossen "zwei weitere Reformstufen" an. Dann endlich werde auch "die ökologische Lenkungswirkung erkennbar werden". Die PDS ist zwar prinzipiell dafür, Energie teurer zu machen, um den Energieverbrauch zu beschränken. Aber warum nur bei den kleinen Leuten? Gerda Hasselfeldt von der Unionsfraktion nennt das ganze Gesetzesverfahren "schlampig", "unverantwortlich und unglaublich". Aber natürlich bleibt später, als Angela Merkel Gerhard Schröder ablöst, alles wie es ist.
Echte Erfolgsgeschichte
Eine echte Erfolgsgeschichte. Mit der Ökosteuer hat Deutschland vor 25 Jahren die Voraussetzungen geschaffen, die den in der Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie errechnete Senkung des Primärenergieverbrauch von 50 Prozent bis 2050 ernsthaft anzugehen. Zur Halbzeit ist knapp die Hälfte geschafft, der Rest soll nun viel schneller gehen: Nicht mehr bis 2050, sondern schon 2023 soll das Ziel erreicht sein.
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