Donnerstag, 21. März 2024

Vom Panzerkanzler zum Friedensengel: Einer für alle

Olaf Scholz gibt in diesen Tagen den Panzerkanzler und den Friedensengel in einem. Der Sozialdemokrat denkt heute schon ans kommende Jahr.

Es ist ein schwieriger Balanceakt, den der Bundeskanzler in diesen Tagen zu vollführen hat. Doch das eine nicht tun und das andere lassen? Wer aber wäre dazu besser geeignet als Olaf Scholz, ein Sozialdemokrat, dem Zaudern, Zögern und Umfallen erst so unverhofft bis ins Kanzleramt verholfen haben. So waltet Scholz seines Amtes mit ruhiger Gelassenheit: Eben noch lässt er sich als Panzerkanzler in seiner bekannten Turbinen-Pose ablichten. Und einen Augenblick später schon schlägt er die Flügel einer Friedenstaube, zwar im Tiefflug über den Stammtischen, aber ohne Taurus zwischen den Schenkeln.

Kluge Doppelstrategie

Eine Doppelstrategie, an der die Strategen im Willy-Brandt-Haus Monate getüftelt und geschraubt haben. Angesichts desaströser Umfragewerte galt es, Scholz völlig neu am Meinungsmarkt zu platzieren: Nicht mehr als Verkündiger von kommenden Wirtschaftswundern und nicht als Führer, der mit einem Wumms oder einem Doppelwumms alles zu Besten wendet, aber auch nicht mehr als fortschrittlichen intersektionalen Feministen, der sich mit Sprechpausen allen verständlich macht, auch auf die Gefahr hin, von niemandem mehr verstanden zu werden.

Die ehemaligen Liberalen setzen auf Verschärfung, auf Waffen und schräge historische Assoziationen, um wenigstens noch die anstehende EU-Wahl zu überstehen. Die Grünen tragen Uniform wie die Union, die Linke wie die Rechte hingegen bilden ein pazifistisches Hufeisen ohne Brandmauer zwischen den Extremen. Was blieb da für Scholz? Der Posten als Zauderer und Antreiber zugleich, die Genossen einfrieren lassen, selbst aber auf dem Kühlschrank sitzen und die Debatte bewerten: Draußen im Land kommt das so gut an, dass die deutsche Sozialdemokratie im aktuellen INSA-Meinungstrend für  1,5 Prozent dazugewinnt - sogar noch ein halbes Prozent mehr als die AfD, gegen die eine breite Mehrheit vor Wochen noch energisch und mit großem Erfolg demonstriert hatte.

Nur noch 4,5 Prozent bis zur Schmach von 2017

Damit liegt die Kanzlerpartei jetzt bei 16 Prozent und nur noch 4,5 Prozent entfernt vom schlechtesten Ergebnis aller Zeiten, das der als "Gottkanzler" gefeierte Martin Schulz anno 2017 eingefahren hatte. Eine "Kehrtwende" erkennt der Demoskop Hermann Binkert im explosiven Zuwachs, der zwar immer noch in einem Trendkanal stattfindet, der die SPD den Grundregeln der Charttechnik zufolge eigentlich bis Herbst 2025 sicher auf nur noch um die fünf Prozent hätte führen sollen. Stattdessen kratzt die älteste deutsche Partei nun an der Oberkante, ein Ausbruch ist nahe, die ehemalige Arbeiterpartei kann sich Hoffnungen machen, das konsolidierende Flaggenmuster nach oben zu verlassen. Solche Konsolidierungsformationen stehen in der Politik oft vor eruptiven Ausbrüchen, treffen entsprechende Vorhersagen ein, geht es oft ganz schnell und es sitzt wieder derselbe im Kanzleramt. 

Der kämpfende Friedensengel

Zu verdanken haben wird Olaf Scholz das seiner konsequenten Orientierung auf einen Neuaufbau seines Images als kämpfendem Friedensengel. Kaum soll er aufs Schlachtfeld getrieben werden, zieht er die Stiefel aus. Kaum steht er in Socken, wird er wehrwillig wie ein Löwe. Nicht Schelte noch Schröder-Lob , weder die Zustimmung der Rechtsextremisten noch der laue Applaus der noch nach der offiziellen Linie suchenden großen Medien vermögen 65-Jährigen abzuhalten von seinem Marsch durch die Irritationen. 

Seinen einzigen Konkurrenten Friedrich Merz, der sich nach seinen Zahnarzt-Ausfällen schon als sicheren Sieger sah, hat der Kanzler mit seinem stoischen Festhalten am Alles-oder-Nichts bereits abgekocht: Im Vergleich zur Vorwoche verlieren CDU und CSU insgesamt eineinhalb Prozentpunkte und liegen damit knapp unter 30 Prozent – "der schlechteste Wert seit Monaten!", jubelt die Bild-Zeitung. Natürlich wird der im Wahlkampf als Mahner, Warner und Handausstrecker besetzte SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich seinen Vorschlag, der Ukraine-Krieg doch einfach einzufrieren, deshalb auch nicht zurücknehmen. 

Klirrende Friedensfrost

Beispiele für gelungenen Friedensfrost gibt es nicht nur in Asien: Im Mittelmeer etwa wird der Krieg zwischen dem Nato-Partner Türkei und dem EU-Mitglied Zypern kurz nach EU-Wahl und Fußball-EM im Sommer seinen 50. Geburtstag feiern. Weitgehend vergessen und absolut ungeeignet, noch irgendeine Art von Emotion zu mobilisieren, hat allgemeine Akzeptanz die anfängliche Aufregung um den Kriegsakt abgelöst. Die gewaltsame Verschiebung von Grenzen wird heute nicht einmal mehr mitgezählt, die Toten sind aus dem Gedächtnis verschwunden wie die Schicksale der 160.000 Vertriebenen. Gern wird solches "Einfrieren" als Begrifflichkeit genutzt, um in einer ausweglosen Situation eine gute Figur zu machen.

Friede bringt Punkte

Friede, auch falscher, bringt Umfragepunkte, in der SPD wissen sie das, seit Gerhard Schröder die von den USA bevorzugte militärische Lösung im Irak ablehnte und stattdessen einfach eine "friedliche Entwaffnung" des Völkermörders Saddam Hussein vorschlug. Damals schon tobte die Opposition, Angela Merkel sprach von einem "Irrweg", EU, Nato und sogar die Vereinten Nationen seien durch sein "international nicht abgestimmtes Nein" geschwächt und Deutschland "nun isoliert".

Den Menschen aber gefiel die Vorstellung, die Schröders grüner Außenminister Joschka Fischer formulierte: "Wir können doch nicht allen Ernstes Kriege zum Zweck der Abrüstung von Massenvernichtungswaffen zur Strategie erheben." Beinahe hätte es noch einmal für Rot-Grün gereicht - wären nur nicht so viele "Friedensfreunde" (Guido Westerwelle) wegen der noch größeren Friedensfreundschaft zur PDS abgewandert.

Sonntagsfrage entscheidet

Diesmal könnte die Sonntagsfrage am Ende sogar den Krieg entscheiden. Siegt Donald Trump trotz all dem mutigen Gegenwind aus Deutschland im November bei der Präsidentschaftswahl, ist Olaf Scholz mit einem Bein schon dort, wo dann alle hinwollen werden, um es mit weniger Waffen mit mehr Mandatsträgern in den nächsten Bundestag zu schaffen. Nicht mehr Schwerewaffen- oder Taurus-Lieferungen werden dann den Ausschlag über den Ausgang der Endschlacht geben, sondern die lauteste Waffenstillstandsforderung und das entschiedendste Plädoyer für umgehende Friedensverhandlungen. 

Der "Wandel eines Kanzlers" (ARD), "für den Aufrüstung zur Chefsache geworden" war, als er bei der "Waffenschmiede" (ARD) Rheinmetall in Niedersachsen eigenhändig eine Munitionsfabrik besuchte, ehe er seine Zögerlichkeit zu besonderer "Besonnenheit" erklärte, ist nur ein Vorbote für die nächste große Zeitenwende. Russland sei nicht so stark, wie viele jetzt denken, hat Scholz gerade gesagt. Er aber, der Kanzler, ist nicht schwach, sondern ein Starker im Wartestand.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ein Pipifax "Mantis" äußert beträchtliche "Hochachtung" für Olafen, weil der sich in der Taurusfrage so ziert.
Wie blöde kann man sein? --- Der Olaf tut alleweil, wie man ihm gebeut*. Nur Mutmaßung, aber VIELLEICHT hat Putin unseren edlen Befreiern gegenüber angedeutet: Wenn schon Rabatz, dann NICHT nur in Europa, sondern RICHTIG Rabatz. - Aber mit Dittsche: Man weiß es nicht.


*Rasch tritt die Thrombembolie den Menschen an, es ist ihm nicht viel Zeit gegeben.