Die Romantisierung der Mörder der RAF hält bis heute an. Ein neues Dokumentationszentrum soll dem bald entgegentreten. |
Fast vergessen von der Mehrheitsgesellschaft, mystifiziert, glorifiziert und verharmlost von den verbliebenen Sympathisanten. Die selbsternannte "Rote Armee Fraktion" ermordete 33 Menschen, zumeist kaltblütig und gezielt, sie spaltete die Gesellschaft und selbst nach ihrer demonstrativen Selbstauflösung blieben die meisten der Mitglieder ihren strikten Schweigegelübte treu: Sie fanden Arbeit im Bundestag und Beschäftigung als Kronzeuge für die richtige Moral. Reue und Einsicht aber wurde ihnen nie abverlangt.
Revolutionäres blutiges Treiben
Erst die Entdeckung einer der immer noch untergetauchten mutmaßlichen Mörder*innen mitten in Berlin hat gezeigt, "wie wichtig die Terrorgruppe noch immer für unsere Selbstwahrnehmung ist", wie der "Spiegel" analysiert. Die Festnahme und der Fund schwerer Waffen in einem ganz gewöähnlichen Berliner Mietshaus erinnerte die Gesellschaft wieder an den linken Terror, dessen verdrängte Opfer und das Versagen des Staates, der bis heute keinerlei Anstrengungen unternommen hat, dieses düstere Kapitel seiner Geschichte aufzuarbeiten. Winzig klein und abgelegen sind die wenigen Gedenktafeln für die Opfer der Revolutionäre, deren blutiges Treiben von großen Teilen der linksintellektuellen Gesellschaft mit Sympathie verfolgt worden war.
Während von prominenten Opfern wie Siegfried Buback, Jürgen Ponto und Hanns Martin Schleyer zuweilen noch an runden Jahrestagen die Rede ist, sind Menschen wie Wolfgang Göbel, Georg Wurster, Edith Kletzhändler und Eckhard Groppler aus allen Geschichtsbüchern radiert. Einfache Leute, die einfach ihre Arbeit getan haben und deswegen von Kämpfern für eine gerechtere Welt ermordet wurden? Lange Zeit galt das als zu kompliziert. Im Schulunterricht war kein Platz für das Thema. Politiker gedachten stets anderer Morde lieber, die sich besser für die Alltagsarbeit benutzen lassen.Gesellschaftsveränderung mit Bomben
Nun aber hat die Verhaftung der "Ex-Terroristin" (Spiegel) Andrea Klette mitten in Berlin-Kreuzberg ein Umdenken ausgelöst. Die Zeit der Verdrängung und Verharmlosung der Gefahren des brutalen Linksterrorismus soll vorbei sein. Nachfolgende Generationen müssen, so heißt es im politischen Berlin, gewarnt werden vor der Versuchung, gesellschaftliche Veränderungen mit Bomben, Maschinenpistolen und blutigen Strafaktionen gegen die Mehrheitsgesellschaft durchsetzen zu wollen. Der Blick auf jüngere gesellschaftliche Bewegungen, denen die Radikalisierung bis hin zum Extremismus von Anfang an eingeschrieben war, warnt: Dieser Schoß ist furchtbar noch.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat deshalb jetzt eine "Machbarkeitsstudie" (BpB) vorgelegt, die auf 56 Seiten detailliert prüft, ob Deutschland in der Lage sein wird, die "Errichtung eines Erinnerungsortes sowie eines Dokumentationszentrums für die Opfer der RAF", so der Titel, umzusetzen.
Vorbild ist ein geplantes Dokumentationszentrum zu den zehn Morden der deutlich kleineren Terrorgruppe NSU, die viele Jahre nach den letzten Anschlägen der RAF für Entsetzen gesorgt hatten. Ein Dokumentationszentrum zum RAF-Komplex, mit 33 Toten und Hunderten Verletzten ungleich größer, soll den Kontext beleuchten, die unterschiedlichen Dimensionen des Entsetzens beschrieben und aufzeigen, warum die Morde der einen heute staatsamtlich als viel schlimmer empfunden werden als die Morde der anderen.
Lehrkomplex zum NSU ist Vorbild
Wann das geplante Dokumentationszentrum RAF stehen könnte, ist bisher allerdings unklar. Vorrang für die Bundesregierung hat derzeit noch der Lehrkomplex zum Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU), der laut Thomas Krüger, dem Präsidenten der BpB, eine "Lücke in der bisherigen Gedenkstättenlandschaft" schließen soll. Der NSU hatte zwar nur zwei Dutzend Raubüberfälle begangen und zehn Menschen ermordet. Doch der Gedenkstättenbedarf gilt hier als vordringlich, weil die aus Thüringen stammenden drei NSU-Mitglieder aus niederen Beweggründen gemordet hatten.
An den über den mehr als ein Vierteljahrhundert andauernden Mordfeldzug der RAF könne später immer noch erinnert werden, heißt es in Berlin. Seit den Morden der linksextremen Terrorbande RAF sei viel von den Tätern die Rede - und wenig von den Opfern. Das verlängere nicht nur den Schmerz der Familien, es verenge auch den Blick der Gesellschaft. Die Ampelregierung habe das Erinnern an und die Aufarbeiten des RAF-Komplexes deshalb als wichtiges Vorhaben im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Dort heißt es dazu: "Wir unterstützen die Errichtung eines Erinnerungsortes sowie eines Dokumentationszentrums für die Opfer". (Koalitionsvertrag 2021: S. 117)
Drei Generationen von Mördern
Genug Ausstellungsstücke zu den drei Generationen von Mördern, Entführern, Erpressern und Bankräubern, die dem demokratischen Rechtsstaat den Krieg erklärt hatten, liegen in Archiven und Asservatenkammern, aus alten Zeitungsartikeln und Dokumentationen wird sich jederzeit rekonstruieren lassen, wie der Kern der RAF von einem linksliberalen Sympathisantenumfeld gestützt wurde, wie die Behörden bei der Fahndung immer wieder versagten und wie die selbsternannten "Revolutionäre" dem Staat als willkommener Anlass dienten, Überwachungsmaßnahmen auszuweiten und die Kontrolle über das Privatleben der Bürgerinnen und Bürger hochzufahren.
Im Unterschied zu den drei NSU-Mitgliedern, von deren Existenz Fahnder und Öffentlichkeit erst nach dem Tod zweier Gruppenangehöriger erfuhr, versandte die RAF stetes Bekennerschreiben zu ihren Morden, sie schämte sich nicht der unschuldigen Opfer, sondern war stolz auf jeden Anschlag, jeden Liter vergossenes Blut und jeden ermordeten Unterstützer des verhassten Systems.
Gegen die stille Akzeptanz
Jahrelang akzeptierte das die Gesellschaft, den Killern wurde höchster Respekt für ihre Lebensleistung gezollt, mit Hochachtung flüsterten Medien die Decknamen der Mörder und Fans rühmten noch einmal den tollen Modestil: "Ananasfarbene, blondierte Haare, weißes löchriges T-Shirt, schwer benietete schwarze Lederjacke, ein Punk, dessen Klamotten aussahen, als hätte die Modeschöpferin Vivienne Westwood sie entworfen".
Künftige Ausstellungsstücke im Dokumentationszentrum RAF, von der Süddeutschen Zeitung sofort auf den Namen "Bundeszentrale für neue Wachsamkeit" getauft. Das Dokumentationszentrum, so heißt es in der Machbarkeitsstudie, müsse "einen Kontrapunkt zu den bisherigen Erfahrungen der Betroffenen setzen". Keinesfalls dürfe der Neubau "zur Bühne für ein Versöhnungstheater" (Karakayalı 2023: S. 37) werden, bei dem Öffentlichkeit und Behörden an der systematischen Täter-Opfer-Umkehr festhalten, die im Zusammenhang mit der RAF Tradition hat: Die Romantisierung der Morde als Teil einer weltweiten Befreiungsbewegung könne nur ein Teil der Ausstellung sein. In der Studie heißt es dazu, die Betroffenen müssten stetig eingebunden werden, auch ihre Enttäuschung und ihr Entsetzen darüber, dass mutmaßlichen Helfern später der Sprung bis in höchste politische Ämter gelang.
Noch für dieses Jahr sieht die Studie die Einrichtung eines Aufbaustabes mit 15 Personalstellen umfassen und zunächst eine Wanderausstellung konzeptionieren. Die Wanderausstellung soll später den Grundstein für die Dauerausstellung bilden. Langfristig soll das Dokumentationszentrum RAF 45 Mitarbeiter beschäftigen, an welchem Standort ist noch nicht entschieden. Infrage kommen mehrere deutsche Städte mit engem Bezug zu den RAF-Morden, wie München, Nürnberg oder Köln. Allerdings gilt Berlin wegen der zentralen Lage, der touristischen Infrastruktur und der jederzeit möglichen Entdeckung weiterer freilebender "Terror-Rentner" (Taz) in der Nachbarschaft als favorisiert.
Laut der Studie soll das Dokumentationszentrum letztlich drei Ziele verfolgen: Die Auseinandersetzung und Aufarbeitung mit dem RAF-Komplex und dem staatlichen Versagen fördern, als Ort des Gedenkens dienen und einen historisch-politischen Auftrag verfolgen, der zur Entwicklung von Formaten und Bildungsangeboten führt, die die Resilienz der Gesellschaft gegen gewalttätige Umsturzfantasien, antidemokratische Selbstermächtigung und sozialistisch verbrämte Demokratieverachtung stärkt.
7 Kommentare:
>> Langfristig soll das Dokumentationszentrum RAF 45 Mitarbeiter beschäftigen, an welchem Standort ist noch nicht entschieden.
Ich habe aus gewöhnlich sehr schlecht unterrichteten Kreisen gehört, man prüfe eine Ansiedlung im dünn besiedelten Mecklenburg-Valhalla, zumal das Völkchen dortselbst auch noch demokratischer Nachhilfe bedarf, wie wir in den letzten Tagen in den Zeitungen lesen mußten.
Das bringt auch einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung, wenn die Touristenströme auch mal in kleinere Ansiedlungen gesteuert werden. In Warin ist noch jede Menge Platz, habe ich gehört, auch wenn sich der Schawidow ein wenig sperrt, weil er viel lieber eine neue Großrechenanlage für eine Worthülsen-KI in den Gemäuern sähe, die ihnen bei der Flut der zu erwartenden Arbeit ein wenig kreative Last von den Schultern nehmen soll.
Errichtung eines Erinnerungsortes sowie eines
Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU
Ich habe schon eine Idee für die erste interaktive Schautafel:
<>
verdammt. also:
Errichtung eines Erinnerungsortes sowie eines
Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU
Ich habe schon eine Idee für die erste interaktive Schautafel:
Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig."
um die erinnerungsortidee ließe sich das zukunftszentrum deutsche einheit schön herumbauen. dann wäre endlich ein inhalt gefunden
Auf "As der Schwerter" selig war doch einmal ein Entwurf eines Denkmals für die Opfer der "Dönermorde", von Frauke Binich-Hohl, aus neun oder zehn Bauklötzchen ...
Kennt ihr Banausen bestimmt nicht mehr.
In MeckPomm heulen die mündigen Bürger jetzt wieder wie die Schakale - was haben die denn geglaubt, was sie da wählen? In Upahl z.B. um 35% Spezialdemokranaten.
Womit ich noch nicht gesagt haben will, dass Wählen etwas nützen würde.
"Gedenkstättenlandschaft", darauf muss man auch erst mal kommen. Rechts und Links ein Windrad
und auf dem Dach schöne Solarzellen. Schon passt sich jede Gedenkstätte organisch in die Landschaft. Vor dem Eingang können noch ein paar Klebeplätze für "Aktivisten" eingerichtet werden.
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