Junge Leute müssen wieder lernen, eine Strumpfschutzmaske zu binden. |
Sie wissen nicht mehr, wie sich aus einer Strumpfhose und ein paar Zellstofftaschentüchern eine Atemschutzmaske basteln lässt, sie haben keine Ahnung, dass zum selben Zweck im Falle eines feindlichen Giftgasangriffes auch ein paar Scheuerlappen dienen können und der Schulranzen als Abwehrschild gegen einen Atomangriff ist ihnen ebenso fremd. 70 Jahre lang - viel länger sogar, als sie selbst existiert, feierte sich die EU als Friedensmacht auf einem Friedenskontinent, geehrt mit dem Friedensnobelpreis und gewillt, jeden Feind mit gutem Willen und guten Worten zum Niederlegen der Waffen zu überreden.
Lange überzogene Kritik
Wer höhere Rüstungsausgaben verlangte, stieß bei deutschen Politikern und Medien auf hinhaltenden Widerstand. Jede Mahnung, wenigstens zu tun, was vereinbart worden war, galt als überzogene Kritik. Das größte Problem der deutschen Armee war deren Unterwanderung durch rechte Netzwerke. Die Friedensdividende kam nicht nur dem allgemeinen Wohlstand, sondern vor allem dem Freizeitbudget der nachwachsenden Generationen zugute. Kein Wehrdienst mehr und der Gerechtigkeit wegen nicht einmal mehr ein Ersatzdienst. Keine Gewissensprüfung, und keine Fron im Bausoldatenregiment, keine anderthalb Jahre und nicht einmal 15 Monate mit Taschengeldeinkommen, Frühsport, Stubendurchgang und Kostümierungspflicht.
Welche Kenntnisse und Fertigkeiten dabei verloren gingen, wird jetzt erst klar. Deutschland fehlt es nicht nur an tauglichen Reservisten, die das derzeit aktive Personal in Uniform verstärken und ersetzen könnten. Sondern sogar an flott ausbildungsfähigen Generationen mit rudimentären Kenntnissen in Selbstschutz, Zivilverteidigung und Waffenkunde. Nicht einmal 35 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, der die Bundeswehr zu einer mächtigen Streitmacht mit nahezu einer halben Million Soldaten gemacht hatte, steht im Verteidigungsfall nur eine Restarmee bereit, die selbst in voller Stärke an die Ostflanke ausgerückt jeden Kilometer mit nur hundert Mann und krummen Gewehren verteidigen müsste.
Neue wegweisende Beschlüsse
Ein halbes Jahrhundert nach dem wegweisenden Beschluss der DDR-Führung, dass Landesverteidigung zuallererst eine Erziehungsfrage sei, mehren sich denn auch die Stimmen, die Kriegstüchtigkeit schon dort wieder attraktiv machen wollen, wo Menschen noch junge und formbar sind. Eine Zeitenwende in den Klassenzimmern fordert Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, ein Comeback des Fachs Wehrkunde und verpflichtende Lehrgänge in Zivilsschutzsachen: Wie damals die Nationale Volksarmee Frieden und Sozialismus schützte, bis sich ihre Soldaten bei den Verfassern patriotischer Lieder allgemeine Achtung erworben hatten, soll nun die Bundeswehr raus aus der Schmuddelecke der toxischen Männlichkeit, aber auch der Einhorn-Armee mit den rosa Wickeltischen im Work-Lifetime-Balance-Panzer.
Unverkrampft soll das Verhältnis von Mädchen und Jungen zum Waffenhandwerk sein, Erste-Hilfe-Kurse im Unterricht, das Basteln von Scheuerlappenmasken und Grundkenntnisse in Waffenwirkung und Sprengkraft von verschiedenen Geschossen inbegriffen. Die Vorbereitung auf den Krieg mit dem Ziel, "unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken", bedient sich dabei des gleichen Instrumentariums wie vor einem halben Jahrhundert. "Die Beziehung der Kinder zu den bewaffneten Streitkräften" sollen diesmal "vertieft" (DDR-Bildungsministerium) werden, indem Schulen ein "unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr" (Stark-Watzinger) entwickeln.
Werbung für die Waffe
"Werbung für die Waffe" (Taz), gerade noch Anlass für die deutsche Sozialdemokratie und ihre Gewerkschaften, eine konkrete Bedrohung des Weltfriedens zu entdecken, wird Pflichtfach. Der Versuch, Menschen in einem Alter, "in dem sich zentrale Lebens- und Wertvorstellungen erst noch entwickeln müssen", für die Notwendigkeit bewaffneter Resilienz zu begeistern, gilt nun als besonders vielversprechend, weil Jüngere "anfällig sind sie für militärische Propaganda und Verharmlosung der realen Gefahren eines militärischen Einsatzes".
Ob erst im "Klassenzimmer rekrutiert" (Taz) werden wird oder schon im Kindergarten die frohe Botschaft von den freundschaftlichen Beziehungen zu den bewaffneten Organen Lehrinhalt wird, ist noch offen, aber einer ersten Presseschau zufolge unumgänglich. Vier- und fünfjährige Kinder könnten wieder Bilder von Panzern und Raketen sammeln, um sich auf den Wehrunterricht vorzubereiten, der wie gehabt auf der Grundlage der Liebe zur Heimat "die Bereitschaft zu ihrer Verteidigung als eine entscheidende Frage ethisch-moralischer und staatsbürgerlicher Haltung" macht.
Buschs bewaffneter Friede
Die Klassiker der hochkulturellen Indoktrination stehen weiterhin bereit: Es könnte wieder "Bewaffneter Friede" von Wilhelm Busch Lehrlektüre werden, die Ballade vom Fuchs, der des Igels Fell haben will: "Weißt du nicht, dass jeder sündigt, der immer noch gerüstet geht?" Der König habe längst Frieden verkündet. Doch der Igel erwidert: "Lass dir erst die Zähne brechen, dann wollen wir uns weitersprechen." Schnell rollt er "seinen dichten Stachelbund" zusammen - "und trotzt getrost der ganzen Welt, bewaffnet als Friedensheld". Löste die Liebe der selbsternannten Friedensmacht DDR zur Wehrhaftmachung ihrer letzten Generation noch Verwunderung aus, könnte er heute die Entwicklung der Wehrbereitschaft und Wehrfähigkeit der Schülerinnen und Schüler fördern und Mädchen wie Jungen auf die Wahrnehmung ihres in der Verfassung verbrieften Rechts auf Teilhabe am Schutz des Friedens vorbereiten.
Die DDR begründete die Notwendigkeit der sogenannten vormilitärischen Ausbildung 1987 - zehn Jahre nach Einführung des Wehrunterrichtes - mit den wachsenden Anforderungen, die das moderne Militärwesen stelle. Es reiche nicht mehr, in sechs Wochen Schießen, Robben und Gehorchen zu lernen, sondern nötig sei es, dem kommenden Kanonenfutter den Sinn militärischen Handelns in Zeiten atomarer Bewaffnung und einer drohenden Auslöschung der Zivilisation im Falle eines eskalierenden militärischen Konflikts verinnerlichen zu helfen.
2 Kommentare:
Statt der verlogenen Pazifismusideologie der letzte Jahrzehnte gibt's also jetzt verlogene Kriegsideologie.
Leute, die sich auf der Straße festkleben, können auch mal dienen.
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