Montag, 11. März 2024

Eklige Alte: Wie die Raff-Rentner die Jugend ausnehmen

"Gebet der Jungfrau zum Boomer"
Die Alten greifen ab, was sie kriegen können, die Jungen könne nur noch beten, dass mit der 20-Stunden-Woche bei vollem Mindestlohnausgleich bleibt. Der junge Maler Kümram hat die Situation in seinem Bild "Gebet der Jungfrau zum Boomer" gemalt.


Viele würden wollen, wenn sie noch könnten. Andere wären bereit, dürfen aber nicht früher in Rente. Die ist sicher, seit Norbert Blüm das ein für allemal versprochen hat. Nur ihre Höhe steht nicht endgültig fest: Reicht sie künftig noch, um als Sockelbetrag zu dienen, der dann bis auf das Armutsgefährdungsniveau aufgestockt wird? Wer wird mehr zahlen müssen, damit andere noch weniger bekommen?  

Immer höchst ungerecht

Deutschlands mehr als 100 Jahre altes Rentensystem gilt traditionell immer als höchst ungerecht und dringend reformbedürftig. Bisher konnten es alle Bundesregierungen retten, indem sie sogenannte "Rentenpakete" (BWHF) "schnürten" (DPA). Dieses Verfahren dient dazu, aktuell nicht mehr tragbare  Lasten auszulagern, so dass die Überforderung des "Umlagesystems", das den Rentenzahlungen zugrunde liegt, nicht sofort auffällt. 

Festgelegt worden ist in Rentenpaketen vielmals die Mindesthöhe von Rentenauszahlungen, zugleich aber auch die höchste Höhe von Einzahlungen. Die Differenz zwischen beiden, verschärft durch zusätzliche Zahlungsverpflichtungen, die sämtliche Bundesregierungen aus Gründen der Bequemlichkeit auf die Solidargemeinschaft der Beitragszahler zur Rente übergeholfen hat, ergibt sich seit Jahrzehnten ein zunehmend ungünstiges Verhältnis: Die Einzahlungen reichen nicht, um die Auszahlungsverpflichtungen zu bestreiten.

Deshalb hat der Gesetzgeber früh festgelegt: Wer wegen seines besseren Verdienstes pro Jahr einen Renten-Entgeltpunkt mehr als ein anderer Beitragszahler erwirbt, kann statistisch betrachtet mit vier zusätzlichen Lebensjahren rechnen. Reiche Rentner werden dadurch älter als arme Rentner, infolgedessen steht eine Umverteilung im derzeitigen Rentensystem Richtung Verteilungsneutralität seit Jahrzehnten auf der politischen Agenda. Reiche Rentner sollen eines Tages weniger, arme Rentner aber mehr Geld bekommen.

Lebenserwartung vereinheitlichen

Statt bei der Berechnung der Altersbezüge starrsinnig nur auf die Dauer der Einzahlung, nicht aber auf die zu erwartende Dauer der Auszahlung zu achten, beruht die Einheitsrente auf dem solidarischen Gedanken, die Lebenserwartungen gleich mit zu vereinheitlichen. Zum guten Ende würde alle Rentner bei gleichen Bezügen auch gleich alt. Der Staat würde deutlich sparen und er könnte seine gebrochenen Rentenversprechen endlich einhalten.

Beiträge reichen nicht

Der Weg aber wird weit. Mittlerweile reichen die Beiträge nur noch für zwei Drittel der versprochenen Auszahlungen, ein Drittel der Rentenzahlungen fließt inzwischen direkt aus dem Steuertopf. In nur 25 Jahren ist der segensreiche Einfluss der 2003 neu eingeführten Ökosteuer verpufft. Die neue Einnahmequelle hatte dazu dienen sollen, die aus dem Ruder laufenden Rentenbeiträge stabil zu halten. Das gelang nur vorübergehend, und nun ist es ganz vorbei: Mit dem neuen "Rentenpaket" der Ampel bleibt die Höhe der Durchschnittsrente auf europäischem Niedrigniveau festgeschrieben. Die Höhe der Beiträge aber nicht.

Erstmals seit einem Vierteljahrhundert aber scheut die Politik nicht vor der sich daraus ergebenden Konsequenz zurück: Die Beiträge müssen steigen. Auf ein bisher nicht gekanntes Niveau. Den treuen Wählerinnen und Wählern verspricht die Koalition bis zur Bundestagswahl Stabilität. Ab 2028 sollen die Beiträge dann auf ein Fünftel der Erwerbseinkommen steigen, ab 2035 geht es weiter nach oben, voraussichtlich bis auf 22,3 Prozent. 

Für eine alternde Gesellschaft sind das Hiobsbotschaften, denn das süße Leben, das Millionen von Raff-Rentnern nach meist nicht einmal 50 Jahren Erwerbsleben auf dem Bau, in drögen Bürolandschaften oder auf dem Acker führen, geht ganz auf Kosten der jungen Leute, die es nicht in ausreichender Zahl gibt. Doch all den ewigen Staatsskeptiker und Rentenzweifler im Lande, die immer noch nicht glauben, dass eine "doppelte Haltelinie“ und erweiterte "Rentengarantien" ausreichen, hat der sozialdemokratische Aufsteiger Lars Klingbeil schon vor Jahren ein schlüssiges Konzept entgegengehalten: Wenn man richtig bei der Bundeswehr spare, ließen sich stabile und vor allem höhere Renten locker finanzieren. 

Ein Kinderspiel

Ein Kinderspiel. Statt die Bundeswehr immer weiter aufzurüsten und Geld förmlich zum Fenster hinauszuwerfen, schlug Klingbeil vor, das Geld lieber für "langfristig stabile Renten" auszugeben. Eine einfache Rechnung: Sparte der Bund sich die um zehn, vier und neun Prozent steigenden Ausgaben für Panzer, U-Boote, Großmanöver und Auslandseinsätze, ließe sich mit dem freiwerdenden Geld leicht ein Land aufbauen, in dem sich die Menschen wieder "auf ihren Ruhestand freuen" (Klingbeil) können. 

Auf eine veränderte Weltlage und eine wachsende russische Bedrohung wollte der führende Vertreter der Generation Parteiarbeiter in der SPD keine Rücksicht nehmen. So lange die Kanonen nicht knallen, muss der gemütliche Ruhestand dem friedlichen vorgehen. Lars Klingbeil, noch jung, aber nach Jahren der Erziehung in den verschiedenen Parteiarbeiterplantagen der SPD ein ausgebuffter Taktiker, weiß genau, wie viele Rentner im Land auf ein klares Zeichen warten, dass es weitergeht mit dem Wohlstand. Und wie wenige auf der anderen Seite Freude daran haben, Nachrichten von Aufrüstung bis an die Zähne und anstehenden Vorbereitungen für einen großen Waffengang zu hören.

Zwangsweise enteignet, aber zufrieden

Jeder muss vorbereitet sein, aber vor allem den Rentner muss es gut gehen. Künftig werden die verbliebenen Werktätigen ein knappes Viertel ihrer Einkommen zwangsweise für eine Altersvorsorge aufwenden müssen, von der unsicherer denn je sein wird, in welcher Höhe sie ihnen ab welchem Lebensalter ausgezahlt wird. Die "Rente mit 63", von der SPD wieder eingeführt, wird es jedenfalls nicht mehr geben, auch die Rente mit 65 wird angesichts des Fehlens nahezu sämtlicher Zukunftsindustrien in Deutschland dann nicht mehr zu erwirtschaften sein. Das aber ist Zukunftsmusik, eine Melodie, die keiner der heutigen Bezieher von Altersrenten hören muss. Die gilt es ruhigzustellen und bei Laune zu halten. Die sind, nicht nur Lars Klingbeil weiß das, stellen die Mehrheit der Wähler.

Deutschland, ohnehin einer der Staaten weltweit, die ihren Bürgerinnen und Bürgern mit einer Staatsquote von nahe 50 Prozent besonders tief in die Taschen fassen, steht vor einem Dilemma: Es fehlt an Fachkräften, weil es trotz immer wieder verbreiteter Fake News über einen "Babyboom" (SZ) an Nachwuchs fehlt. Qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland aber sehnen sich selten nach einem neuen Zuhause in einem Staat, der Arbeitnehmern die Hälfte ihres Einkommens wegnimmt, ehe sie es überhaupt in die Hand bekommen. Beim Ausgeben des Rests noch einmal 19 Prozent abkassiert. Und von allem übrigen, wenn es fleißig fürs Alter gespart wurde, noch einmal 28 Prozent Übergewinnsteuer einsteckt, auf dass niemand im höheren Alter finanziell zu gut gestellt sei. 

Die gewohnte Normalität

Keine neue, sondern eine gewohnte Normalität, die die Deutschen dankbar hinnehmen. Diesmal hatte die Bundesregierung bei der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) eine "Haltelinie beim Rentenniveau" und den "Einstieg in die Aktienrente" bestellt, um das Desaster der staatlichen Altersvorsorge zu tarnen. Flankiert wird das von einer Kampagne, mit der Junge gegen Alte gehetzt werden, "Hauptsache, die Alten sind fein raus", bläst etwa die Hamburger Wochenschrift "Die Zeit" zur Attacke gegen ein "gigantisches Umverteilungsprogramm von Jung nach Alt".

Nicht das System soll schuld sein, sondern die ekligen Alten. Raff-Rentner, die die Jugend ausnehmen, sind unser Unglück, denn sie werden wenigstens noch ein paar Euro aus der klammen rentenkasse abgreifen. Und dabei glücklich sein, weil sie nicht auf die Idee kommen, nachzurechnen: Ein Beitragszahler, der seine Pflichtzahlungen in den zurückliegenden 45 Jahren in ein ausgewogenes Aktienportfolio gesteckt hätte, statt sie im Rententopf zu versenken, würde heute über ein Vermögen von mehr als fünf Millionen Euro verfügen. Selbst ein konservativer Sparer, der sich über den langen Zeitraum mit einer dreiprozentigen Verzinsung begnügt hätte, käme auf rund eine Million. Allemal ausreichend, um die 16 Jahre, die ein Rentner in Deutschland im Durchschnitt Leistungen bezieht, Monat für Monat über ein Einkommen von 6.000 Euro verfügen zu können. 

Ein Meisterstück politischer Propaganda

Es ist ein Meisterstück politischer Propaganda, die "Debatte um die Zukunft der Rente in Deutschland" (DPA) so führen zu lassen, dass ein mit frischen Schulden gefütterter "Kapitalstock", der am Ende der Fahnenstange verspricht, zur Finanzierung jeder einzelnen Rente im Land etwa 20 Euro beizutragen, mehr Aufmerksamkeit beansprucht als die Frage, wo eigentlich das ganze Geld verschwindet, das rentenversicherungspflichtig Beschäftigte seit Jahrzehnten Monat für Monat in gewaltigen Beträgen in die Staatskassen schaufeln. Offiziell wird es jeweils sofort ausgegeben, offiziell wird es dabei auch bleiben, denn der zuständige Minister Hubertus Heil hat eine Rentenkürzung ebenso ausgeschlossen wie eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters.

Bis zum nächsten Rentenpaket ist nun wieder etwas Zeit gewonnen. Ist der Wechsel der Babyboomer-Generation in den Ruhestand dann in ein paar Jahren vollständig vollzogen, kann die nächste Bundesregierung das ein weiteres kleines Stück Wahrheit über die Zukunft der Rente in Deutschland offenbaren. Das nächste Lamento über den demografischen Wandel und die bis 2045 von derzeit 372 Milliarden Euro auf 755 Milliarden Euro explodierenden Versprechen auf Rentenzahlung wird auch dann wieder helfen, die nächste Milchmädchenrechnung zu verbreiten, um den Betrogenen den Eindruck zu vermitteln, dass sie immer noch gut bedient werden.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

"Bei den Herulern war es Greisen und Siechen nicht gestattet, zu leben, sondern, wer von Alter oder Krankheit übermannt wurde, fühlte sich verpflichtet, seine Verwandten zu bitten, ihn aus der Zahl der Menschen zu erlösen."
Prokopios von Caesarea